„Du wirst es nicht glauben, aber ich verstehe dich Scotty!" versicherte Stiles: „Aber jetzt sei lieb, und lass' den Onkel arbeiten, ja?"

Er band den Fuchs in der Küche an, wo er am wenigsten anstellen konnte, stellte ihm Wasser und ein wenig Trockenfleisch hin und dann verschwand er im Labor.

Er untersuchte die Proben, welche er gestern gesammelt hatte, was mehrere Stunden in Anspruch nahm. Am Ende stellte er fest, dass die Wölfe, von denen die Proben stammten insgesamt gesund zu sein schienen, bis auf einen leichten Wurmbefall.

Nun hatte er Zeit, einige Aufzeichnungen zu machen und nebenher nachzusehen, ob die diversen Kameras welche er gestern aufgestellt hatte, etwas Interessantes eingefangen hatten. Er setzte sich also an den Computer und ließ die Aufnahmen im Schnelldurchlauf abspulen, während er gleichzeitig schrieb und immer wieder aufsah um zu sehen, was die Filme wohl preisgeben mochten.

Tatsächlich hatte eine der Kameras ein Wolfsrudel eingefangen und Stiles erkannte, dass es jenes der alten, humpelnden Alpha-Wölfin war, welchem er gestern bereits live gegenübergestanden hatte.

Eine der anderen Kameras zeigte eine riesige Wapiti-Herde, die in der Ferne vorüberzog, was bedeutete, dass Wölfe hier reichlich Nahrung vorfanden und außerdem einen gewaltigen, alten Grizzlybären, von dem Stiles wirklich darauf verzichten konnte, ihm einmal in freier Wildbahn zu begegnen.

Während die Nachtaufnahmen liefen, schaute Stiles kaum hin, denn darauf sollte ja ohnehin nichts zu sehen sein.

Dachte er zumindest!

Eher zufällig blickte Stiles kurz auf und da sah er es; etwas wie ein blaues Leuchten und es war so schnell verschwunden, wie es aufgetaucht war.

Zunächst nahm der Wissenschaftler an, sich getäuscht zu haben, spulte den Film lediglich zurück, um ganz sicher zu gehen und ließ ihn dann noch einmal in Normalgeschwindigkeit laufen. Dabei stellte er jedoch fest, dass er sich keinesfalls geirrt hatte. Etwas lief mitten in der finsteren Polarwinternacht durch das Bild und gab dabei zwei blaue Lichtpunkte ab!

Stiles hatte nicht die geringste Ahnung, was zur Hölle dieses Etwas sein mochte. Er schaute sich die Aufnahme noch mindestens ein paar Dutzend Mal an, aber konnte sich einfach keinen Reim darauf machen. Beinahe sah es aus wie ein Augenpaar, doch das war natürlich Unsinn, denn im gesamten Tierreich gab es keine einzige Kreatur, deren Augen im Dunkeln leuchteten, ohne dass dabei eine Lichtquelle, ganz gleich wie schwach, im Spiel gewesen wäre und da draußen war ja nichts. Also blieb Stiles nur eine einzige andere Erklärung nämlich die, dass da draußen Menschen unterwegs sein mussten!

Ein Tier, ganz gleich welches, wäre Stiles hier draußen lieber gewesen, denn da wusste er wenigstens, woran er war.

Doch die Lichter waren nicht das Eigenartigste, was diese spezielle Kamera festgehalten hatte. Kurz nach Sonnenaufgang gab es nämlich ein Wiedersehen mit dem großen schwarzen Wolf und was dieser tat, war so bemerkenswert, dass Stiles die Kinnlade herunterfiel. Das Tier hatte sich auf seine Hinterläufe gesetzt und minutenlang in die Kamera geblickt, ohne etwas zu tun und das, obwohl es da bereits zu schneien begonnen hatte.

Noch merkwürdiger war, WIE der Wolf sich vor der Kamera platziert hatte. Er saß genau im rechten Abstand, damit Stiles ihn gut sehen konnte und blickte dabei geradewegs in die Linse.

Warum tat er das bloß?

Wenn Stiles es nicht besser gewusst hätte, würde er fast behaupten, der Wolf hätte gewusst, dass er ins Fernsehen kommen würde.

Natürlich war das vollkommen unmöglich und die logischere Erklärung war, dass die Kamera wohl ein Geräusch erzeugen musste, welches den Wolf interessierte und da war der Biologe bloß froh, dass das Tier dennoch davon abgesehen hatte, sein Equipment auseinander zu nehmen vor lauter Neugier.

Gerade stellte Stiles schwärmerisch fest, dass dies wohl der allerschönste und mit Sicherheit auch der größte Wolf war, den er je gesehen hatte, als das Tier sich urplötzlich erhob und aus dem Staub machte, als sei der Teufel hinter ihm her.

Sehr merkwürdig! Etwas schien ihn erschreckt zu haben.

Ein paar Minuten lang geschah in dem Film rein gar nichts. Da waren nur der Schneeflocken und die weiße, weite Landschaft, doch dann liefen in der Ferne plötzlich zwei Gestalten vorüber und es waren Menschen, wie Stiles erkannt! Sie waren zu weit weg, um sie genau zu erkennen, zumal es immer noch schneite, doch Stiles hatte das Gefühl, eines von ihnen könnte eine Frau sein, denn er meinte, eine lange, blonde Haarsträhne gesehen zu haben.

Dies waren möglicherweise seine Fallensteller.

Stiles Herz pochte mit einem Mal heftig.

Hatten diese beiden etwa seinen schwarzen Freund entdeckt?

Für gewissenlose Wilderer musste ein Tier wie dieses doch so etwas wie der Hauptgewinn sein!

Der Biologe sprach ein rasches Gebet, dass seinem schönen, großen Freund nicht zugestoßen sein mochte, und seine Sorge verschwand erst vollständig, als er mitten in der Nacht in seinem Bett lag und ein vertrautes Heulen vernahm.

Die Logik sagte ihm, dass er nicht wirklich wissen konnte, dass dies 'sein' Wolf war, dennoch hatte er so ein Gefühl.

Beruhigt schlief er ein.


Wolf im SchneeWhere stories live. Discover now