11. Kapitel: Sarah - Teil 3

Start from the beginning
                                    

Es war nicht besonders hell in Nates Wohnzimmer, eher ziemlich düster, daher sah ich das was nun folgte sehr gut. Nathans Augen begannen wieder zu leuchten, diesmal allerdings anders. Sie schienen beinahe zu flackern und intensiver zu glühen, als jemals zuvor.

Ich schluckte, denn obwohl ich mir meine Angst versagte und ich ein ganz komisches Gefühl tief in der Magengrube hatte, was aber nicht unbedingt etwas schlechtes bedeutete, wurde mir mehr als mulmig zu Mute.

Er bebte und schien Anlauf zu nehmen, fast vergleichbar mit einem Stier. Das Scharren mit den Hufen, der irre Blick, das Schnauben aus den Nüstern...

Konnte Nate mir aber tatsächlich wehtun? Konnte er das durchziehen und sein wahres Ich, die Person, die ich eigentlich kannte, so weit nach hinten drängen? War das für einen früher einmal sehr sozialen, engagierten und umfeldbewussten Mensch überhaupt möglich?

Plötzlich stürzte er wie aus einer Trance gelöst vor und auf mich zu. Ich zog intuitiv den Kopf ein und hob schützend meine Hände vors Gesicht. Ich spürte förmlich, wie mir das Herz aus dem Brustkorb sprang. Ich war mir ziemlich sicher, auf einem schmalen Grad zwischen wach und ohnmächtig zu sein.

Ich konnte mir nicht erklären wie, aber innerhalb einer Sekunde stand er nun direkt vor mir. Sein in tiefen Atemzügen kräftig ausgestoßener Atem schlug mir warm ins Gesicht, wirkte aber alles andere als beruhigend. Ich drehte den Kopf zur Seite und kniff meine Augenlider so fest zusammen, dass diese bereits schmerzten. Sie zitterten und zuckten unkontrollierbar vor lauter Anspannung. Was zur Hölle ging hier gerade vor sich? Wurde ich langsam auch verrückt? Bildete ich mir all das einfach bloß ein?

Als irgendetwas links und rechts neben mir einen lauten Schlag ließ, schreckte ich aus meinen Gedanken hoch und öffnete sofort erschrocken die Augen. Ich hätte schwören können, dass die Wand für einen kurzen Moment doch tatsächlich vibriert hatte.

Der Anblick war mehr als beängstigend. Nates Gesicht nur eine Haaresbreite vor meinem. Seine beiden Arme links und rechts von meinem Körper eng anliegend an der Wand abgestützt. Verstohlen linste ich zur Seite und ich hätte mich fast verschluckt. Das, was da gerade so geknallt hatte, den Putz abbröckeln ließ und zwei Löcher in der bloßen Wand hinterlassen hatte, waren Nathans Fäuste gewesen.

Ich sah das Blut, welches an der Wand klebte und langsam sich auch seinen Weg über den Rauputz nach unten schlängelte. Nach einem raschen Blick in Nates Gesicht wurde mir schnell klar, dass er keinerlei Schmerz zu empfinden schien. Das Messer steckte kurzzeitig in seinem Gürtel. Sein Gesicht war längst nicht mehr vor Wut und Aufregung gerötet. Nein, es war auch wahrhaftiges Blut beteiligt, aber garantiert nicht seines.

Nate starrte mich an. Er starrte mich einfach nur an mit weit aufgerissenen, unwirklichen, animalischen Augen. Ich traute mich kaum noch zu atmen. Musste mich stark darauf konzentrieren, nicht die Luft anzuhalten oder zu hyperventilieren. Ich rührte mich nicht, genauso wenig wie Nate, bis er seinen rechten Arm zurücknahm und in einer schnellen fließenden Bewegung das Messer aus seinem Gürtel hervorzog. Dieser ganze Anblick vor mir und das was passierte war sowas von unreal.

„Treib es... nicht zu weit, kleines Mädchen. Du hast nicht die geringste Ahnung, mit wem du dich hier eigentlich gerade anlegst", stieß er bebend hervor. Seine Augen schienen immer bestialischer auszusehen und der Effekt, den das an seinem Körper herabrinnende Blut hervorrief, machte das schreckliche Auftreten nicht im Geringsten besser.

Die Erkenntnis, dass das tatsächlich das Blut von Kaden war, lähmte mich vollständig, aber geistig schien ich es einfach noch nicht zu begreifen. Es brachte mich um den Verstand.

„Wieso? Weil du mich dann genauso abschlachtest wie Kaden? Weil du kein Herz und keine Seele mehr hast? Weil du kein Mensch, sondern eine Bestie bist?", brüllte ich ihn mit einem neu dazu gewonnen Selbstvertrauen an, bei dem ich überhaupt nicht wusste, woher das eigentlich gekommen war.

Keepers of Fate [abgeschlossen] #UrbanFantasyWhere stories live. Discover now