„Es ist wichtig.", sagte er ohne große Erklärungen „Könntest du mir bitte mit in den großen Saal folgen?"

Der große Saal wurde normalerweise nur genutzt, wenn hoher Besuch da war, aber noch nie –wirklich niemals- war eine einzelne Schülerin dort hinbeordert worden.

„Natürlich.", bejahte ich verdutzt. Ich warf einen Blick auf Alex. „Ähm... Kann er vielleicht mitkommen?" Irgendwie hatte ich ein unangenehmes Gefühl und war leicht nervös. Wieso sollte ich in den großen Saal? Und wieso ausgerechnet ich?!

Shi schüttelte ungehalten den Kopf: „Lieber nicht. Die Sache hat mit ihm nichts zu tun."

Da er schon auf den Flur getreten war, blieb mir nichts als ihm zu folgen. Ich warf Alex noch ein entschuldigendes Lächeln zu und folgte ihm.

„Wieso der große Saal?", versuchte ich es.

„Weil wir hohen Besuch haben.", sagte Shi während er mit schnellen Schritten vor mir hereilte, sodass ich fast rennen musste.

Ich hätte gerne noch mehr gefragt, aber unser Schulleiter war nicht gerade der geduldigste und dass er mit einer verschlossenen gehetzten Miene voraus eilte, machte ihn nicht gerade sympathischer.

Wir hatten eine riesige mit Schnitzereien verzierte Tür, die aus Holz von der Erde bestand erreicht und ich wäre gerne stehen geblieben, um sie zu betrachten, mit meinen Fingern über die Schnitzereien fahren und zum ersten Mal etwas von der Erde, Holz, berühren zu können, denn dieser Teil des Gebäudes war für Schüler normalerweise verboten. Doch der Direktor öffnete die Tür und drängte mich weiter.

Als ich den Saal betreten hatte, wäre ich beinahe zum zweiten Mal an diesem Tag zur Salzsäule erstarrt. Die Wände und die Decken waren vollkommen mit allen möglichen Sachen bemalt, was einen glauben ließ, man wäre auf der Erde im Meer, aber mein Blick wurde nicht von etwas ganz anderem in der Mitte des Raumes angezogen.

In der Mitte des Raumes stand Akira.

Was machte sie hier? Sie war eine Persapientin. Eine der drei weisen Engel, die den Vorstand über dem Rat der Engel hatten. Ich hatte noch nie miterlebt, dass eine der Persapientinnen einer Schule einen Besuch abzustatten, sie hatten viel Wichtigeres zu tun. Ich wusste, dass selbst bei den Vorbereitungen, zur Bekämpfung der letzten großen Pestepedemie, als alle Engel aufgefordert wurden zu helfen, „nur" Mitglieder des Rates zu Besuch kamen.

Ich kannte überhaupt niemanden in meinem Umkreis, der jemals eine der drei getroffen hatte. Naja, bis auf mich jetzt...

Aber, was genau wollte sie jetzt ausgerechnet von mir?

„Nimm doch bitte Platz.", forderte Akira mich auf und nahm auf einem der edlen Sofas Platz. Zögernd setzte ich mich ihr auf gegenüber auf das Sofa auf der anderen Seite des Tisches. Eine Weile sagte niemand etwas. Ich überlegte fieberhaft, ob ich jetzt etwas sagen sollte und was.

Akira schaute den Direktor vielsagend an und sagte: „Ich würde gerne einen Moment mit Sky alleine reden. Würde Ihnen das etwas ausmachen...?"

„Nein nein, natürlich...nicht. Ich...", Shi –ja genau, der Shi, der sonst immer von oben auf uns Schüler herab sah und niemals einen Befehl entgegennahm, eilte geflissentlich, wie ein kleines Hündchen, das seinem Frauchen auf jeden Fall alles recht machen wollte nach draußen und schloss die Tür hinter sich. Ich stand kurz vor einem Lachanfall. Doch dann wandte ich mich wieder Akira zu. Sie starrte mich an. Ich wusste nicht, was ich machen sollte, also starrte ich sie an. Sie hatte lange schwarze Haare, ein paar Zentimeter länger als Schulterlänge, von denen sie einige vordere Strähnen der rechten Seite zurückgesteckt hatte, ungewöhnlich helle Haut, dunkelbraune mandelförmige Augen und trug ein rotes Kleid, das sehr gut zu ihrem Äußeren passte. An ihrem Armband hingen neben den gewöhnlichen Anhängern auch einige bunte Perlen, auf die ich aber nur einen kurzen Blick erhaschte. Auf ihrem Gesicht wohnte ein freundliches offenes Lächeln.

EngelsgleichWhere stories live. Discover now