Schatz in der Holzkiste

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*Carl*

Lange saß ich an der Mauer. Sah ihr hinterher, obwohl sie gar nicht mehr zu sehen war. Sie war erbarmungslos ehrlich zu mir. Das konnte ich spüren. Sah es an ihren Reaktionen. Es fiel ihr so unendlich schwer, darüber zu reden und doch hielt sie ihr Versprechen. Wieder einmal. Ließ alles Gesprochene sacken. Sie musste so viel durchmachen und ich konnte nicht für sie da sein. Konnte sie nicht beschützen. Doch nun wollte sie bleiben. Wollte mir immer alles erzählen. Wollte bei mir bleiben und dies machte mich so unendlich glücklich. Ich liebte sie so sehr. Worte können dies kaum erklären.

Nachdenklich schaute ich mir die Kiste an. Sollte ich es wagen und reinschauen? War ich schon bereit dafür, was mich darin erwarten würde? Wollte ich denn wissen, was sich darin verbirgt? Doch die Neugier siegte und vorsichtig klappte ich den Deckel um. Oben drauf lag ein Umschlag und mein Name stand auf diesen. Ich schaute hinein und konnte etliche Fotos erkennen. Ich nahm sie heraus, diese mussten mit der Polaroidkamera gemacht worden sein, von der sie erzählt hat. Ich sah mir das erste Foto an. Es war ein süßes Baby darauf, welches schlief. Er trug einen blauen Strampler und hatte wenige braune Haare auf dem Kopf. Er hatte einen Schnuller im Mund und sah so friedlich aus. Unten auf dem Foto stand Jonah Carl, 4 Wochen alt mit einem gezeichneten Herz dahinter. Lange betrachte ich das Bild und strich sanft mit dem Finger darüber. Jonah. Mein Sohn. Unser Sohn. Eine angenehme Wärme durchflutete mein Herz und ließ mich leicht lächeln. Sie hat Recht. Er ist wunderschön und perfekt. Sorgfältig schaute ich mir jedes einzelne Foto an. Auf jedem Foto war vermerkt, wie alt er ist und was er gerade tut. Saugte alles regelrecht in mir auf. Auf einem Foto kuschelte Jonah mit Rose. Auf einem krabbelte er das erste Mal. Auf einem lag er auf dem Bauch und hob das erste Mal sein Köpfchen an. Auf dem nächsten Bild lief er seine ersten Schrittchen an Rose ihren Händen. Ein stolzes, glückliches Lächeln zierte Rose ihre Lippen, während Jonah scheinbar strahlend lachte. Auf einem Foto lag Jonah in den Armen eines jungen Mannes. Ich schätzte ihn auf Ende 20. Jonah und James beim kuscheln, stand darunter. Er machte einen sympathischen Eindruck auf mich. Es gab Fotos, die alles festhielten, wenn er etwas Neues lernte. Wenn er etwas zum ersten Mal machte. Wenn er etwas angestellt hatte. Von Geburtstagen, Weihnachten und Ostern. Beim Geschenk auspacken. Beim Schmücken einer kleinen, vermutlich künstlichen, Tanne. Sie hat unglaublich viel von ihm festgehalten. Für mich.

Mit jedem Foto wurde mir die Ähnlichkeit zwischen uns mehr bewusst. Seine Augen. Sein Grinsen. Seine Haare. Ich erkannte mich deutlich in ihm wieder. Sorgsam legte ich die Fotos zurück in den Umschlag und nahm zwei kleine hellblaue Schühchen heraus. Dies waren sicher seine ersten Schühchen. Ein paar Blätter, die einmal in der Mitte gefaltet waren, zogen meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich nahm das erste heraus und faltete es auf. Es waren ein paar bunte Striche zu erkennen. Kreuz und Quer über das ganze Blatt. Ich drehte das Blatt einmal um. Jonahs erstes Kunstwerk mit 16 Monaten, stand dort geschrieben. Lächelnd schaute ich mir alle gemalten Bilder von ihm in Ruhe an. Zum Schluss faltete ich sie wieder sorgsam zusammen und legte sie neben mich.

Nun kamen ein paar Bücher zum Vorschein. Ich nahm das erste heraus. Es war ein Tagebuch und es war mit einem braunen Leder überzogen. Neugierig öffnete ich es. Meine Schwangerschaft mit unserem Engel, stand auf der ersten Seite. Ich blätterte zu nächsten Seite um.

11.3.2018

Mein starker Cowboy. Es ist noch gar nicht lange her, wenige Wochen, da wurden meine Hosen plötzlich enger. Ich dachte mir nichts dabei. Hatte ich eben ein paar Kilogramm zugenommen. Schaden konnte es ja in der heutigen Zeit nicht. Doch in den Tagen darauf merkte ich ein paar kleine Veränderungen. Ich war zwischendurch immer wieder müde. So unendlich müde. Es gibt Tage, da könnte ich den ganzen Tag schlafen. Meine Brüste. Sie fingen an zu spannen. Meine Brustwarzen waren sehr empfindlich gegenüber der Kälte geworden. Zogen draußen fast schmerzlich. Es dauerte ein paar Tage, bis ich langsam, wirklich sehr langsam, realisierte, dass ich vielleicht schwanger sein könnte. Schwanger von dir. Sollte ich mich freuen? Sollte ich in Panik geraten? Sollte ich durchdrehen? Ich weiß gerade nicht, was ich denken soll. Mein Kopf schiebt eindeutig Panik. Doch mein Herz. Mein Herz freut sich. Es freut sich auf dieses kleine Wunder.

28.03.2018

Mittlerweile müsste ich ungefähr im 4. Monat sein. Leider kann ich es nicht genau sagen. Aber man kann schon eine ganz kleine Wölbung an meinem Bauch erkennen. Ich verstecke sie durch weite Klamotten, doch wenn ich alleine bin, lege ich meine Hand auf diese. Streichle unsere kleines Wunder durch meinen Bauch hindurch und erzähle ihm oder ihr leise von dir. Fühle mich dir in solchen Momenten so unglaublich nah. Ich vermisse dich so schrecklich. Wir vermissen dich. Ab und zu bekomme ich nun Heißhunger auf bestimmte Sachen. Heute zum Beispiel. Ich habe so ein Verlangen auf Spritzkuchen und saure Gurken. Ich darf gar nicht daran denken, sonst bekomme ich noch schlechte Laune, weil beides nicht verfügbar ist *Grins* Ich freue mich so sehr auf dieses kleine Wesen. Aber ich habe auch Angst. Kann ich das schaffen? Werde ich es schaffen? Es ist doch heutzutage so gefährlich. Wie kann man sich da auf ein Baby freuen? Ist das nicht selbstsüchtig? Es gibt so vieles, worauf das kleine verzichten muss. Was es vielleicht nie erleben wird. Aber vielleicht ist das auch gar nicht so wichtig? Es wird überschüttet werden mit Liebe, Wärme und Geborgenheit. Ich werde es mit meinem Leben beschützen und ihr oder ihm die schönen Dinge im Leben zeigen. Und wenn ich dich gefunden habe, wird es ihm oder ihr an nichts fehlen. Gott, du ahnst nicht, wie sehr ich dich liebe. Wie sehr ich mich nach dir sehne.

25.04.2018

Ich weiß, mein letzter Eintrag ist schon viel zu lange her. Doch ich bin unterwegs und auf der Suche nach Dad und meinem Bruder. Da ist das Schreiben nicht so einfach. Ich weiß, sie leben noch. Ich weiß, ich kann sie finden. Ich weiß, ich werde sie finden. Immerhin werden sie Opa und Onkel. Und wenn ich sie gefunden habe, kommen wir zu dir, mein starker Cowboy. Sie werden dich mögen, dass weiß ich. Mein Bauch wächst und wächst. Deutlich sieht man nun, dass ich schwanger bin, wenn ich etwas enges trage. Aber mit weiten Sachen kann ich den Bauch noch immer gut kaschieren. Ich passe gut auf unseren Engel auf. Ich glaube auch, dass er mich gestern getreten oder geboxt hat. Ich hatte meine Hand mal wieder auf meinen Bauch liegen und habe ihm oder ihr leise von dir erzählt, als ich eine Bewegung gespürt habe. Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke schon, dass es unser Engel war. Ich wünsche mir so sehr, dass du das alles miterleben könntest. Das du hier bei mir, bei uns wärst. Würdest du dich freuen? Ich tue es. Ich liebe dieses kleine Wesen unter meinem Herzen sehr. Ist es doch von dir. Ein Teil von dir und mir. Hätte ich geahnt, dass ich schwanger bin, wäre ich mit dir gegangen. Ich hätte dir doch dieses Wunder niemals vorenthalten wollen. Ich hoffe sehr, dass weißt du. 

Angekommen (Carl Grimes, The walking dead FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt