Kapitel 2

1K 60 2
                                    

Luna:

Ja, ich musste noch zum Unterricht. Immerhin hatte ich noch keinen Schulabschluss. Allerdings konnte ich als "Freundin des Prinzen" nicht einfach normal auf eine Schule gehen. Ich erhielt Privatunterricht. Juhu...

Außerdem enthielt mein Stundenplan noch ein paar zusätzliche Fächer, wie "Benimmunterricht", "Politik und Regierung von Mexico" oder "Tanzen". Eilig lief ich die Flure entlang, und hoffte dabei inständig mich nicht zu verlaufen. Auch wenn ich nun schon ein halbes Jahr hier war, passierte es immernoch, dass ich mich ab und an verirrte.

Glücklicherweise fand ich den ersten Unterrichtsraum halbwegs ohne Probleme. Mein erstes Fach heute war Musik. Ein Fach, was eigentlich ganz angenehm war. Meistens. Senõra Mille wartete schon auf mich. "Da sind Sie ja endlich!" Kopfschüttelnd sah sie mich an.
Betroffen sah ich auf den Boden. "Bitte entschuldigen Sie, ich habe...ähm... den Raum nicht gleich gefunden."

Sie wusste, dass es eine Lüge war, beließ es jedoch mit einem Seufzer dabei und bedeutete mir, mich ans Klavier zu setzen. Dann fing sie mit melodischer Stimme an: "Als die Freundin des Prinzen ist es deine Pflicht, musikalische Bildung zu besitzen. Dazu gehört das Erlernen klassischer Kompositionen. Darum lernen wir heute das siebte Sonett aus der fünften Sinfonie von dem berühmten Komponisten Bach!"

Mit diesen Worten knallte sie mir einen Stapel aus Notenblättern vor die Nase. Eine ganze Stunde lang klimperte ich daraufhin hilflos auf den Tasten herum, bis mich der nächste Lehrer von meinem Leiden erlöste. Ich war eben einfach nicht geschaffen für sowas. Etwas Modernes würde mir bestimmt viel leichter fallen, nur wurde soetwas hier gar nicht gerne gesehen.

Mein nächstes Fach war Mathematik. Nicht gerade mein Lieblingsfach, ich war aber auch nicht schlecht darin. Danach hatte ich "Benimmunterricht". Von allen Fächern die ich hatte war dies das schlimmste. Die Lehrerin, Madame Rossini, kam gerade durch die Tür.

Sie war groß, und dürr wie ein Zahnstocher. Ihre schwarzen Haare, aus denen eine graue Strähne hervorragte, waren zu einem strengen Dutt zusammengebunden. Ihre stechenden Augen verfolgten jede meiner Bewegungen und achteten auf den kleinsten Fehler. Sie trug ein graues Kostüm, rote High Heels und eine Perlenkette um den Hals.

Als sie mich sah, rümpfte sie tadelnd ihre Nase. "Fräulein, wie oft habe ich ihnen schon gesagt: Als Dame steht man auf, wenn jemand höherrangiges den Raum betritt, knickst, und setzt sich erst, wenn der andere es erlaubt!" Mist! Ich hatte es schon wieder vergessen! Hastig stand ich auf und knickste.

"Tut mir Leid, Madame Rossini..." murmelte ich dabei. Mit zusammengekniffenen Lippen sah sie mich an. "Ihre Haltung! Eine einzige Katastrophe! Kinn hoch, Schultern zurück und Rücken gerade!" Unbeholfen versuchte ich ihren Anweisungen zu folgen und streckte meinen Hals so sehr, dass ich mich fühlte wie eine Giraffe.

"Du lieber - Nein, eine Dame benutzt keine Schimpfworte!" zügelte sie sich selbst und atmete tief durch, als versuche sie ruhig zu bleiben. Dann begann sie mit dem Unterricht: "Nun gut, fangen wir mit der heutigen Lektion an: Das richtige Laufen." Mit diesen Worten zog sie aus ihrer Tasche ein paar hohe High Heels und... Bücher?!

Verwirrt zeigte ich auf und war dabei stolz, dass ich mir diese Lektion hatte merken können. Fragend sah die Lehrerin mich an und gab mir somit die Erlaubnis zu sprechen. "Ähm, Madame, wird dies heute eine Theoriestunde?" "Wie kommen Sie denn auf die Idee?!"

Verwirrt zeigte ich auf die vielen Bücher. Sie machte ein Gesicht, als würde sie gleich loslachen. Aber Damen lachten nicht. "Oh nein, diese Bücher haben einen besonderen Zweck in der heutigen Stunde." Diesen erläuterte sie mir auch gleich. Innerhalb weniger Minuten stand ich in den mir viel zu kleinen, aber viel zu hohen High Heels da und versuchte krampfhaft, die zig Bücher auf meinem Kopf festzuhalten.

"Ist diese Methode nicht schon längst aus der Mode gekommen?!" murmelte ich, während ich betete, dass diese Bücher mich nicht erschlagen würden. Madame Rossini winkte ab. "Ach Papperlapapp! Das ist immernoch die bewehrteste Methode von allen! Und jetzt: Schreiten Sie in einem gleichmäßigen Tempo wie eine richtige Dame durch den Raum!"

Schockiert sah ich sie an. Das war doch nicht ihr Ernst?! Und wie es das war. Ungeduldig klatschte sie in die Hände. "Na los!" Also fasste ich mir ein Herz und setzte zum ersten Schritt an. Geschafft! Wackelig wagte ich den zweiten. Hätte ich die Bücher nicht immernoch in der Hand, wären sie mir vom Kopf gerutscht, und ich gleich mit.

Kopfschüttelnd sah mich die Lehrerin an. "Sie müssen die Bücher schon loslassen!" Ihre Augen sahen mich so scharf an, dass ich die Hände augenblicklich vom Kopf nahm. Vorsichtig, ganz langsam, hob ich nun einen Fuß und setzte ihn vor den anderen.

Als ich dann jedoch den anderen auch noch heben wollte, fingen die Bücher auf meinem Kopf so sehr an zu wackeln, dass ich schwankte, stolperte und mitsamt den Büchern unsanft auf dem Boden landete. Sofort fuhr ein stechender Schmerz durch meinen Fuß. Mit einem Zischen atmete ich ein und vermied es zu schreien.

Mitleid war in Madame Rossinis Gesicht nicht zu finden, nur die übliche Strenge. Gerade wollte sie zu einem weiteren Tadel ansetzen, als es klopfte. Die Tür öffnete sich einen Spalt breit, und eine Stimme, die mein Herz höher schlagen ließ, sagte: "Bitte entschuldigen Sie die Störung. Darf ich eintreten?"

Don't lose the PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt