Kapitel 51

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Nur ein einziges Mal schlug mein Herz empört und kraftlos gegen meine Brust, dann normalisierte es sich sofort wieder.

Doch dieser eine Schlag war so schmerzhaft und heftig, dass ich aus dem Gleichgewicht geriet und mich hilflos am Geländer der Treppe festklammern musste, um nicht umzukippen.

Ich forderte mich auf, mich zusammenzureißen, doch ein Teil meines Körpers war offenbar ganz erpicht darauf, mich im Stich zu lassen und allein weiter zu machen.

Aber warum war ich eigentlich so erschüttert?

Ich hatte doch schon vorher gewusst, dass Stefan mich nur benutzt hatte, also was sollte das dann?

„Und selbst wenn, Elena, wäre es niemals genug.

Du könntest mir nie das geben, was Katherine mir geben kann."

Diese Worte waren recht ruhig von ihm gekommen, aber noch immer schwang ein bitterer, kalter Unterton darin mit.

Stefan war nicht mehr der, der er einmal gewesen war oder es zumindest vorgegeben hatte zu sein.

Und ich war auch nicht mehr die Elena, von früher, die gutgläubig und lieb und Stefan ohne Frage untergeben war; ich hatte mich ebenfalls verändert.

Denn was gab es noch für einen Grund, gutgläubig und lieb zu sein, wenn alles anders war, als ich geglaubt hatte, und ich all die Jahre einzig und allein in einem Lügenkonstrukt gelebt hatte?

Keinen.

Genauso, wie es keinen gab, Stefan weiterhin in den Himmel zu loben.

Dieser Mann hatte keinen Himmel verdient, warum dann also einen Engel?

Außerdem wollte ich nicht mehr so sein.

Ich wollte mein Leben von Grund auf ändern, dazu gehörte sowohl ein Teil meiner charakterlichen Eigenschaften als auch mein Glauben.

Und wie es aussah, gehörte auch dazu, den Menschen (oder Vampiren), die mir wichtig waren, eine neue Bedeutung zuzuschreiben.

Sowie Stefan vom festen Freund zum - etwas übertrieben ausgedrückt, aber ich wusste es nicht anders zu beschreiben - Widersacher und Verräter wurde, entwickelte Damon sich vom engen Vertrauen zu etwas, das ich nicht wirklich beschreiben konnte, das ich aber auf jeden Fall brauchte.

Wenn nicht für immer, dann erst einmal für die nächste Zeit, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, dass es mir möglich war, ihn jemals wieder gehen zu lassen, zumal ich ihn ja erst gewonnen hatte; er war mir einfach viel zu wichtig geworden.

Nun galt es, herauszufinden, was da war.

„Aber wenn du ehrlich bist, hast du doch genau dasselbe getan, oder etwa nicht?

Du hast mich doch genauso hinter meinem Rücken betrogen und dich mit meinem Brüderchen vergnügt, nur, weil er dir mal nett zugewinkt und zugezwinkert hat!

Du bist zu einer Hure geworden, Elena, genau wie hunderte andere Frauen vor dir!", fuhr er mich an und ich starrte mit offenem Mund in seine undurchdringlichen Augen.

„Was redest du da?

Ich habe dich nie betrogen, Stefan, das kannst du mir nicht vorwerfen!

Im Gegensatz zu dir habe ich sehr wohl ein Gewissen und eine etwaige Ahnung davon, wie weit ich gehen kann."

Das klang mehr als einfach nur gereizt und doch war ich stolz darauf, meine Meinung so deutlich gemacht zu haben, ohne mich von der Tatsache, dass Stefan ein Vampir war, einschüchtern zu lassen.

Stefan presste seine Lippen zu einem dünnen Strich zusammen, doch dann antwortete er, die Hände in die Hüften gestemmt und ziemlich großkotzig und überheblich wirkend: „Vielleicht.

Aber Damon nicht.

Und selbst wenn du recht haben solltest, was ist mit Damon?

Ich meine, er könnte dich auch gegen deinen Willen mani-"

„Wie kommst du darauf, dass sich Damon jemals derart an mir vergreifen würde?

Bist du wirklich so dumm oder kennst du deinen Bruder einfach kein bisschen?"

Stefan lachte bellend und schlug amüsiert die Hände über dem Kopf zusammen: „Aber du kennst ihn, oder was?

Er ist immer noch der Bruder deines Freundes, nicht mehr!"

„Er ist auch mein Freund!", zischte ich und dann herrschte plötzlich Stimme.

Wir sahen einander an und keiner vermochte etwas zu sagen.

Wenn es nach mir ginge, könnte dieses Gespräch hier und jetzt zu Ende sein!

Das hatte keinen Sinn.

Was auch immer Stefan hiermit noch bezwecken wollte, ich würde es ihm nicht geben.

Ich hatte ihm schon zu viel gegeben, so viel, dass er übermütig davon geworden war.

„Liebst du ihn?", fragte er schließlich ganz leise, als hätte er sich etwas abgeregt.

Mein Hals hingegen wurde auf einen Schlag ganz trocken und ich traute mich kaum zu schlucken, zu groß war die Angst vor dem Schmerz.

Was sollte ich sagen?

Sollte ich lügen?

Ich wollte Stefan nicht verletzen, vor allem aber nicht seine Theorie schüren, dass ich ihn während unserer Beziehung mit seinem Bruder, seinem eigen Fleisch und Blut, betrogen hatte.

„Elena!

Die Frage ist doch ganz einfach!

Sag schon, liebst du Damon?

Ja oder nein!"

Mein Atem rasselte.

Am liebsten hätte ich ihn angehalten, wäre er nicht das letzte gewesen, was mich am Leben hielt.

Was war nur mit mir los?

Konnte ich meine Gefühle nicht ausdrücken?

Es war doch ganz leicht!

Warum sagte ich ihm die Wahrheit nicht voller Stolz in sein verlogenes Gesicht?

Ich war einfach zu feige. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ich nicht so dreckig und hinterhältig war, sondern aufrichtig und ehrlich.

Ich hatte mich entschieden, aber von Gefühlen wusste ich nichts.

Ich wusste weder wie stark sie waren, noch woraus sie bestanden.

Aber dennoch wünschte ich mir in diesem Moment, die Ehrlichkeit wäre verflucht.

„Ich - ich weiß es...n-nicht...?!"

Catch me on! [The Vampire Diaries]Where stories live. Discover now