31. Kapitel

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Vermutlich fuhr ich genau so schnell nach Hause wie Ava gestern bei ihrem ersten Mal, aber nachdem Noah nach jedem Ruckeln des Autos schmerzerfüllt aufstöhnte, fuhr ich langsam und mit Warnblink Anlage. Zum Glück war es noch sehr früh und wenige Menschen waren unterwegs. Mein Wecker zu Hause würde auch erst in einer halben Stunde schellen um mich für die Schule zu wecken, aber an Schule war gar nicht zu denken.

Mein Kumpel neben mir hielt sich noch immer die Seite und im Augenwinkel sah ich wie sein Gesicht immer mehr seiner ursprünglichen Farbe verlor und durch Lila ersetzt wurde. Ich konnte verstehen warum er nicht ins Krankenhaus wollte, aber es kostete mich trotzdem alle meine Willenskraft nicht umzudrehen und dahin zu fahren. „Und wenn wir einen Arzt zu uns rufen?", schnitt ich das Thema erneut an.

„Selbst dann... Anzeige Kindesmisshandlung... Versprich es mir."

Ich wollte es nicht versprechen, wenn es nach mir ginge war eine Anzeige noch zu wenig. Nur weil sein Sohn Männer gut fand? Was für ein Quatsch! Es war ja nicht das erste Mal das sowas passierte, nur hatte Noah es vorher immer verbergen können und es war niemals so schlimm gewesen wie jetzt. Alles immer nur da, wo Kleidung es verbergen konnte. Striemen wie auf seinem Unterarm würde er auch auf dem Rücken haben. Da hatte er sie immer. vUnd trotzdem ging er jedes Mal zurück.  „Du weißt was ich davon halte.", antwortete ich und wusste ich würde nichts versprechen. "Ich rufe Josh an, einer muss uns in der Schule entschuldigen.", fuhr ich fort während ich seine Nummer wählte.

Liam, hast du eine Ahnung welche Uhrzeit wir haben?", stöhnte es von der anderen Seite kurz nach dem ersten Klingeln.

„Noah und ich kommen heute nicht, finde eine gute Ausrede warum er länger nicht kommen kann." Noah warf mir durch sein zugeschwollenes Auge einen Blick zu, aber ich ignorierte ihn. Josh wurde ruhig.

Fuck. Was braucht ihr?" Er war ernsthaft besorgt, dass hörte ich an seiner Stimme.

„Erstmal nichts, wenn melde ich mich. Sieh zu dass Jeff die Klappe hält okay? Wir wissen ja wie er sein kann. Wenn Ava wegen der Nachhilfe fragt, sag ihr, dass ich mich melde."

„Alles klar, ich ruf nachher noch mal an. Noah, du weißt wir sind hinter dir okay? Du bist nicht alleine hier."  Noah nickte und ich beendete das Gespräch, weil ich merkte wie sehr es ihn anstrengte. 

*

Vorsichtig half ich Noah aus dem Auto und einmal mehr erschrak ich, als ich sein Gesicht sah. Mittlerweile konnte er nur noch gekrümmt gehen und selbst das war schon schwer. Gemeinsam gingen wir Schritt für Schritt in Richtung des Hauses; seine Tasche würde ich später holen. Wichtiger war erst einmal, dass er in ein Bett kam. Die Tür fiel scheppernd ins Schloss als ich sie mit dem Fuß zu kickte. Zum ersten Mal war ich wirklich froh niemand hier zu haben der Fragen stellen konnte. Wie sollte ich das gerade auch erklären?

„Kommst du die Treppe hoch?" Noah nickte und langsam arbeiteten wir uns Stufe für Stufe hoch. Hilflos musste ich mit ansehen wie er nach jeder Stufe eine Pause machen musste wegen seiner Schmerzen. Gott sei dank gab es ein Gästezimmer direkt gegenüber von meinem und nahe an der Treppe, so dass es nicht mehr so weit war. Sein Körper wurde zunehmend schwerer und er dämmerte mir langsam weg. Er braucht einen Arzt, aber wenn ich das täte würde er unweigerlich das Vertrauen in mich verlieren und das nächste Mal hätte er keinen mehr, den er anrufen würde.

„Kumpel, hängst du sehr an deinem Shirt? Sonst schneide ich es auf." Er antwortete nicht aber er würde es schon verkraften. "Hey, bleib bitte wach okay?" Ein Schnauben war alles was ich als Antwort bekam während ich ihn vorsichtig los ließ und beäugte kritisch sein Taumeln, aber er blieb stehen. Schnell lief ich von einem Zimmer in das Nächste um die Schere zu holen. Das Shirt war schnell durchschnitten und der Urin und Blut durchtränkte Stoff fiel auf den Boden. Mir wurde schlecht an den Gedanken daran, dass sein Vater wirklich auf ihn uriniert hatte und ich unterdrückte den Würgereiz, der in mir aufkam. Es blieb auch nicht wirklich Zeit dafür, denn jetzt konnte ich sehen warum er nicht atmen konnte: auf seinen Rippen waren viele Hämatome zu sehen die die Form von Schuhen zeigte.

DeliriumWhere stories live. Discover now