„Was hast du vor?"

Wild grinste er mich an und wirkte damit jünger als sonst. „Wir üben das Fahren. Los, setzt dich auf die Fahrerseite, wir haben nicht den ganzen Abend Zeit."

„Sag mal spinnst du? Weißt du wie teuer das Auto ist und du willst mich, die die noch nie gefahren ist in ihrem Leben, das Auto fahren lassen?" Er grinste unbeirrt weiter, während er nickte. Vielleicht hatte er ein Schlaganfall oder so. „Was ist verkehrt mit dir gelaufen?" Er war verrückt, ganz eindeutig. Der Verrückte schien ungeduldig zu werden, denn er schob mich zur Fahrerseite.

„Ava, glaub mir du kannst nichts verkehrt machen, das ist ein Automatikwagen. Du musst nur lenken und Gas geben. Und in der Viertel Meile wirst du schon niemanden töten." Entspannt drückte er mich in der Sitz und rannte zur anderen Seite, ehe er sich dort nieder ließ. Er deutete auf verschiedene Knöpfe, aber ich war viel zu Aufgeregt um überhaupt zuzuhören. Freudige Erregung durchflutete mich, als ich das Leder unter meinen Händen spürte. Ich würde tatsächlich fahren! Dad ließ mich nicht einmal seine Schrottkiste fahren, weil er Angst hatte und der Audi war sicher das 25fache Wert. „Konzentration Hastings!" Liam schnippte vor meinen Augen und schuldbewusst lächelte ich ihn an. „Also zuerst musst du den Sitz passend einstellen, an der Seite sind Knöpfe wo du ihn verschieben kannst." Ich tat wie geheißen und sanft schob sich der Sitz in eine passende Position. „Gut, jetzt musst du den Rückspiegel einstellen und zwar so, dass du das Rückfenster komplett überblicken kannst." Er wartete kurz. „Gut, die Seitenspiegel stellen sich automatisch ein, aber du solltest kontrollieren, ob die beide Türgriffe und die Straße sehen kannst."

Ich schaute schnell in beide Spiegel und erkannte tatsächlich die Griffe. Das war ja cool! „Kann ich, und jetzt?"

„Jetzt schnallst du dich erst an. Dann drückst du den Power Knopf." Der Motor unter mir surrte und ich spürte die Power die von ihm ausging. „Schön, du hast erfolgreich den Wagen angemacht. So, linker Fuß muss links abgestellt werden, die Pedale links ist die Bremse, die bitte nur sachte treten, rechts ist das Gaspedal." Probehalber tippte ich kurz beide an. „Und jetzt auf die Bremse treten und bei der Schaltung" er deutete auf den Hebel in der Mitte. „D einlegen." Ich folgte der Anweisung und die Anzeige hinter dem Lenkrad leuchtete rot auf, ehe sich Tacho, Tankzustand und Drehzahlmesser einstellten. Von wegen ich hätte keine Ahnung von Autos. „Jetzt drückst du ganz leicht das Gaspedal und hältst das Lenkrad fest."

Natürlich trat ich voll durch, nur um erschrocken die Bremse durch den Unterboden zu drücken. Der Wagen machte einen Sprung und Liam hielt sich am Armaturenbrett fest. „Was an ganz leicht war jetzt nicht verständlich?", fragte er, während ich versuchte mein Herz zu beruhigen. Gut, das war nicht sehr gut. Diesmal gewarnt, berührte ich das Pedal ganz leicht und der Wagen rollte vorwärts. Begeistert klatschte ich in meine Hände. „HÄNDE AN DAS LENKRAD!", fauchte Liam und in Sekundenschnelle hatte ich wieder alles unter Kontrolle. Gemächlich ließen wir die Kreuzung hinter uns.

„Ich glaube, ich habe den Dreh raus.", verkündete ich stolz, ohne den Blick von der Straße abzuwenden.

„Und ich glaube wir haben noch nicht einmal fünf Meter geschafft. Liebe Güte Ava, ein bisschen mehr Gas kannst du schon geben, es geht hier nur gerade aus." Na gut, wenn er meinte. Ich erhöhte mein Tempo und die Tachonadel sprang auf 10 M/pH. Erschrocken über mein hohes Tempo, trat ich wieder auf die Bremse und der Wagen kam ruckartig zum stehen. Liam klatschte sich die Hand vor die Stirn, aber bevor er mich wieder zusammenstauchen konnte, fuhr ich schon an. Es stellte sich heraus, dass 10 M/pH tatsächlich nicht schnell waren, eine Joggerin überholte und ich könnte schwören das Liam tiefer in seinem Sitz versank, als er sie sah. Mutig drückte ich noch ein Stück tiefer und das Auto reagierte sofort. „Super Ava, jetzt kann uns keine Oma mit Rollator einholen.", kommentierte er trocken, aber ich ignorierte ihn einfach.

*

Wir überstanden den Weg ohne weitere Schäden, außer einer kurzen Krisensituation als ich durch das Tor fahren wollte und einen kleinen Panikanfall hatte, weil ich mir sicher war, dass das Auto da nicht durch passte. Es passte. Es hätte auch für einen Panzer gepasst, aber ich war ja noch ein Anfänger. Liam dirigierte mich zu einem leeren Parkplatz, wo ich auch nur zwei Plätze benötigte. Ein Hoch auf mich an dieser Stelle. Ich schaltete den Wagen aus und fiel Liam draußen um den Hals. Erst da merkte ich wieder, wer er eigentlich war und ließ meine Arme wieder fallen. Er bedachte mich mit einem merkwürdigen Blick, den ich nicht ganz einordnen konnte, dann holte er meinen Rucksack aus dem Audi. Ich räusperte mich verlegen. „Danke Liam, das war wirklich eine außergewöhnliche Erfahrung."

„Das kann man wohl so sagen.", meinte er leise und ich hatte das Gefühl, er empfand die Erfahrung nicht so positiv wie ich. Dabei fand ich mich eigentlich ganz passabel. Er schulterte sich meine Tasche über und ging zu dem Haus. Das Auto schloss er nicht ab, was mich irritierte, denn wenn man das bei uns nicht machen würde, hätte man kein Auto mehr. Aber anscheinend war das wieder einer unserer Unterschiede.

Das Haus wirkte genau so steril wie beim letzten Mal, also hatte sich mein betrunkenes Ich nicht geirrt. Immerhin war auf mich verlass. Alles hier war Weiß, egal wo man hinsah: Weiß. Zwischen durch standen merkwürdige Skulpturen und die Szenerie erinnerte eher an einem Museum als an einem Zuhause. Ein Mann mittleren Alters trat hinter der Treppe hervor und die Gemeinsamkeiten mit Liam waren kaum zu übersehen, außer das Liam die grauen Haare fehlten und weniger wiegen musste. Ein abschätzender Blick lag in seinen Augen, als er zu uns kam. Mr. Jefferson war jemand, der alleine durch sein auftreten beeindruckend war. „Du bist bestimmt die Nachhilfe."

DeliriumWhere stories live. Discover now