„Gut, dann lies das hier und dann besprechen wir die Unterschiede zur Meiose." Sie blätterte die Zettel um und erschrocken stellte ich fest, dass die sogar eine Rückseite gehabt hatten. Aber beflügelt durch meinen ersten Lernerfolg, machte ich mich deutlich motivierter an die Sache, während sie eines ihrer Bücher wieder aufschlug und las.

„Ich denke das reicht für heute. Schau dir das zuhause noch einmal an und dann besprechen wir das Mittwoch würde ich sagen." Ava zwängte ihre Bücher in die Tasche, während sie sprach. Verblüfft sah ich auf die Uhr. Im Vergleich zu dem Unterricht, verging die Zeit mit ihr deutlich schneller. Schade, eigentlich war es doch ganz witzig gewesen, auch wenn sie sich dafür keine Mühe gab.

„Komm heute Abend vorbei.", platze es aus mir heraus und ich merkte wie sie zusammen zuckte. Hatte sie Angst? Aber warum das denn?

„Ich hab kein Auto.", weichte sie aus und mit einmal klang sie ganz anders. Ich wusste nicht wonach, aber es klang nicht gut.

„Dann hole ich dich ab." Kritisch beobachtete ich sie. „Ist alles in Ordnung?" Stumm nickte sie ohne mich anzusehen. Ava drückte ein Buch in ihre Tasche, was wohl nicht mehr herein passte, dann suchte sie sich mit zittrigen Händen die Stifte zusammen. Als sie mich ansah, war ihr Blick leer. 

„Ich kann ab 19 Uhr.", sagte sie, ehe sie sich den Rucksack über die Schulter zog und ohne weiteren Blickes Richtung Ausgang ging. Mit einem merkwürdigen Gefühl in der Brust blieb ich zurück und packte langsam meine Sachen zusammen. Ich hatte Samstag nicht den Eindruck gehabt, dass es ihr nicht gefallen hätte, im Gegenteil. Das machte ihre Reaktion aber noch komischer. Normalerweise sagte sie doch immer was sie störte. Gut vielleicht bin ich die Sache auch ein wenig naiv angegangen. Natürlich hätte ich mir denken können, dass es schwierig für sie ist mit jemanden ins Bett zu gehen, denn sie nicht mag und auch nicht wirklich kennt. Und okay, ich war im Auto vielleicht etwas forsch gewesen, das konnte wohl sein. Am besten versuchte ich später mit ihr darüber zu sprechen, vielleicht interpretierte ich auch nur zu viel in die ganze Sache.

*

Ich war zu früh. Mittlerweile nur noch fünfzehn Minuten, aber wer zählte schon die Minuten. Eine kleine Hand klopfte an mein Autofenster und erschrocken fuhr ich zusammen. Irritiert sah ich das blonde kleine Mädchen an, die mich neugierig musterte. Selbstverständlich öffnete sie die Tür, ohne das sich ihr musternder Blick sich änderte. „Wer bist du?", fragte sie interessiert und ich war von ihrem Selbstbewusstsein überrascht.

„Ähm, Liam und du?"

„Amber.", antwortete sie kurz angebunden. „Was machst du hier? Bist du ein Verbrecher? Dad sagt immer, dass die ihre Opfer vorher ausspionieren. Spionierst du uns aus?" Sie verengte ihre Augen und plötzlich konnte ich mir denken woher sie ihr Verhalten hatte. Interessant dass Ava nicht die einzige Hastings mit einer großen Klappe war. Nur hatte die kleine vor mir blonde Locken, aber sonst sahen sie sich doch recht ähnlich fand ich. 

„Nein Amber, ich bin ein Freund deiner Schwester. Du bist doch Ava's Schwester oder?" Anscheinend war sie auch nicht so leicht um den Finger zu wickeln, was ich mir bei der Familie eigentlich auch hätte denken können.

„Das glaube ich nicht. Dave erzählt immer, dass sie keine Freunde hat. Also war möchtest du von ihr?", sie legte ihren Kopf hin und ich musste schmunzeln. „Bist du ein Prinz? Wenn ja, dann kommst du aber reichlich spät." Kritisch beäugte sie wie ich den Schlüssel aus der Zündung nahm und mich abschnallte. „Hände wo ich sie sehen kann.", kommandierte sie streng, nachdem sie ihre Hände in ihre Hüfte stemmte.

„Nein ich bin kein Prinz befürchte ich. Darf ich aussteigen?" Enttäuscht ließ sie ihre Schultern sinken und nickte. Merkwürdigerweise war ich erleichtert, dass sie mich hier nicht zusammenfaltete, was mich nicht überrascht hätte. Ich stieg aus und umrundete mein Auto bis ich vor ihr stand und ihr die Hand reichte.

DeliriumWhere stories live. Discover now