Der Spiegeldämon

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   Blitzartig sprang ich auf und drehte mich um. Am Dachbodeneingang stand der Spiegeldämon, vor dem ich mich die ganze Zeit so gefürchtet hatte, dem ich eigentlich auf keinen Fall begegnen wollte. Nun war er hier, im selben Raum wie ich. Und zwar im Körper einer Frau, einer ziemlich alten Frau sogar. In dem faltigen Gesicht umspielte ein böses Lächeln ihre Lippen. Die weißen Haare waren zu einem ordentlichen Dutt zusammengebunden und über einer altrosafarbenen Bluse trug sie ein weißes Spitzenjäckchen. Ein grauer Faltenrock reichte ihr bis über die Knie und darunter endete eine weiße Strumpfhose in rosa Hauspuschen. Also eine Oma wie sie im Buche stand. Nun konnte auch ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. So standen wir uns beide in dem kleinen düsteren Dachboden gegenüber und lächelten uns an.

   Vielleicht war der Dämon doch nicht so stark, wie ich zuvor angenommen hatte. Denn den Körper eines alten Menschen zu übernehmen war nicht ganz so schwierig für einen Dämon, wie den eines jungen Menschen.

   Dennoch musste ich mir etwas überlegen, denn egal wie stark oder schwach der Dämon auch sein mochte, ich konnte wohl kaum einfach an ihm vorbeispazieren und mit dem Schlüssel in meiner Hand das Haus verlassen. Doch bevor ich meine Gedanken ordnen und wirklich ernsthaft über eine Lösung nachdenken konnte wurde ich nach brutal hinten gegen die riesige Standuhr geschleudert, aus der ich kurz zuvor noch den Schlüssel entwendet hatte. Dabei flog mir der Schlüssel aus der Hand und landete irgendwo in dem Gerümpel. Damit hatte ich nicht gerechnet. Mein Lächeln erlosch augenblicklich als mir die Wucht des Aufpralls den Atem raubte. Kraftlos sackte ich auf dem Boden zusammen und rang weiter nach Atem. Die alte Frau hatte sich kaum gerührt, bloß eine Hand hatte sie gehoben. Trotz ihres omahaften Aussehens hatte sie etwas wirklich Bedrohliches an sich, als könnte man ihr ansehen, dass sich ein Dämon in ihrem Körper verbarg.

   Während sie langsam auf mich zukam und ich versuchte mich zu beruhigen, um wieder atmen zu können wurde mir bewusst, dass ich mich wohl doch getäuscht hatte. Dieser Dämon war alles andere als schwach. Warum er sich ausgerechnet den Körper einer alten Frau ausgesucht hatte war mir schleierhaft. Mit dieser Erkenntnis packte mich die Angst und lähmte meinen Körper. Wie ein tödliches Gift floss die Angst Stück für Stück durch meine Adern, kroch in jede Faser meines Körpers. Ich konnte mich nicht bewegen, konnte nicht denken, sah einfach nur zu, wie der gefährliche Dämon langsam auf mich zukam, um mich gleich bereuen zu lassen, dass ich es gewagt hatte dieses Haus zu betreten.

   Mit einem Schlag wurde mir bewusst, dass der Dämon die Kontrolle über mich hatte. Es war nicht meine unsagbare Angst die mich lähmte, sondern dieses verfluchte Biest! Innerlich fluchte ich. Das war nur möglich, weil der Dämon mich vorhin durch den Spiegel gesehen hatte. Niemals, niemals durfte man sich einem Spiegeldämon in einem Spiegel zeigen. Ich hätte vorhin vorsichtiger sein müssen. Doch nun war es zu spät, ich musste schnell eine Lösung finden, denn die alte Frau war mittlerweile gefährlich nahe. Langsam hockte sie sich hin und kniete nun direkt vor mir. Während sie ihre Hände hob und um meinen Hals schloss grinste sie mich hämisch an.

   Nun machte sich endgültig Panik in mir breit. Mit großen Augen starrte ich sie an während mir langsam die Luft ausging und ich rein gar nichts dagegen tun konnte. Ich brachte es nicht mal fertig zu röcheln, so wenig Macht hatte ich über meinen Körper. Ich musste handeln und zwar schnell, ansonsten würde ich gleich bewusstlos werden und nach ein paar weiteren Minuten tot sein. Ich wollte nicht sterben! Nicht jetzt schon. Natürlich wusste ich, dass meine Aufträge gefährlich und teilweise auch lebensbedrohlich waren doch ich hatte mir nie vorgestellt, dass ich tatsächlich bei einem Auftrag ums Leben kommen könnte. Und das sollte auch so bleiben! Ich musste mich wehren, und zwar jetzt.

   Es war so oder so schon schwer sich aus der Gewalt eines Dämons zu befreien doch unter diesen lebensgefährlichen Umständen kam es mir fast unmöglich vor. Denn ich musste es irgendwie vollbringen meine Aufmerksamkeit nicht nur auf die unerwartet starken Hände an meinem Hals und die Panik zu richten sondern ebenfalls auf mein eigenes Bewusstsein. Mit aller Gewalt konzentrierte ich mich auf mich selbst, meinen Körper, mein Bewusstsein und meine Gedanken. Dann weitete ich mein Bewusstsein noch aus und nahm auch das des Dämons wieder in mich auf. Spürte seine Empfindungen und Regungen. Seine wahnsinnige Freude darüber, dass er gerade dabei war mich zu töten.

Die JägerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt