Unkontrollierbare Wut

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   Einigermaßen erschöpft ging ich aus der Umkleide und verließ das Gebäude, in dem ich gerade eben noch mein Kickbox-Training hatte. Ich liebte das Gefühl der leichten Erschöpfung. Es beruhigte mich und machte mich glücklich.

   Meine große Sporttasche hing quer über meine Schulter als ich mich schnellen Schrittes auf den Heimweg machte. Ich wohnte nicht weit von hier, deshalb ging ich das Stück immer zu Fuß. Außerdem genoss ich es abends allein im Dunkeln noch unterwegs zu sein, wenn kaum jemand anderes draußen war und ich nicht wie sonst immer sämtliche Gefühlseindrucke von all den fremden Menschen wahrnehmen musste.

   Ich atmete tief ein und genoss die frische und kalte Abendluft, die meinen erhitzten Körper endlich etwas abkühlte.

   Als ich in eine kleine dunkle Gasse einbog, in der keine Laternen waren, spürte ich plötzlich die Anwesenheit von weiteren Personen hier. Ich verdrehte genervt die Augen. Konnte man nicht mal fünf Minuten lang seine Ruhe haben? Ich versuchte so gut es ging die Gefühle der Fremden zu ignorieren. Wenn ich mich nicht täuschte waren es sechs Männer, die sich hier irgendwo in der Nähe aufhielten. Doch es war mir auch egal, ich wollte schließlich nur meine Ruhe und endlich für mich allein sein. Also erhöhte ich mein Tempo und ging noch schneller, um bald diese nervigen fremden Gedanken loszuwerden, die ich leider nicht komplett ignorieren konnte.

   Doch ich stockte als ich plötzlich in den Gedanken der Männer etwas bemerkte. Sie warteten und waren ungeduldig. Sie wollten jemandem auflauern. Ich schluckte. Sie wollten mir auflauern. Abrupt blieb ich stehen und konzentrierte mich auf die sechs Personen, die offensichtlich auf mich warteten. Drei von ihnen waren am Ende der Gasse und die anderen drei würden gleich hinter mir in die Gasse einbiegen. ‘Aha, sie wollen mich also einkreisen.‘

   Zuerst war ich etwas belustigt. Die armen dummen Männer hatten keine Ahnung, dass sie sich das falsche Mädchen ausgesucht hatten.

   Doch dann fiel mir etwas anderes auf als ich mich weiter auf ihre Gedanken konzentrierte. Sie hatten ein Bild von mir vor Augen, sie wussten wie ich aussah. Sie hatten also nicht auf irgendein Mädchen gewartet, das zufällig ihren Weg kreuzen würde, sondern auf mich höchstpersönlich. Doch wieso? Mich kannte doch hier niemand. Wieso sollte jemand freiwillig auf mich warten?

Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Das waren die sechs Männer, in die ich vor einem Tag fast hineingelaufen wäre, als ich mit dem Schlüssel in der Hand das Haus des Dämons verlassen hatte. Wie hatten die mich gefunden? Das war doch nicht möglich!

   Alle Belustigung verflog augenblicklich als mir bewusst wurde, dass da irgendwas nicht stimmen konnte. Sie hätten mich nie im Leben ohne Hilfe finden können. Und schon gar nicht in nur einem einzigen Tag. Nun, mir blieb wohl nichts anderes übrig, als mich ihnen zu stellen. Denn gerade bogen die drei Männer hinter mir in die Gasse und auch die Drei, die am Ende der Gasse gewartet hatten, bewegten sich nun und betraten ebenfalls die Gasse. ‘Wie schön.‘

   Ich spürte nur allzu deutlich ihre Freude aufkommen, als sie mich sahen, wie ich still dastand und mich nicht bewegte.

   „Na, Puppe. Jetzt kannst du nicht wieder einfach weglaufen.“, rief mir einer entgegen und lachte laut. Die anderen fünf stimmten in sein Gelächter mit ein. Doch ich fand das überhaupt nicht witzig. Hatte mich dieser blöde, dreiste, einfältige Hornochse da vorne gerade tatsächlich Puppe genannt? Wut stieg in mir auf. Erstens würde ich es niemals jemandem erlauben mich Puppe zu nennen und zweitens war das nur ein allzu klares Anzeichen dafür, dass sie mich nicht ernst nahmen. Und das waren definitiv zwei gravierende Fehler, die sie begangen!

   Ich streifte meine Tasche ab und ließ sie neben mich auf den Boden fallen. Die drei Männer vor mir stockten kurz als sie meinen Gesichtsausdruck sahen. Ich machte die meisten Menschen sowieso schon nervös, doch wenn ein boshaftes Lächeln meine Lippen umspielte, dann blieb es meist nicht einfach nur bei Nervosität. Schadenfroh stellte ich fest wie die drei Männer vor mir tatsächlich etwas Angst bekamen. Natürlich war es nur ein wenig, schließlich fühlten sie sich sicher, da sie in der Überzahl waren. Das Gefühl der Sicherheit würde ich ihnen gleich nur zu gerne nehmen.

Die JägerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt