„Liam, du weißt was dieser Deal beinhaltet. Alles was darüber hinausgeht, geht dich ein Scheißdreck an." Ich beugte mich nach vorne und legte das Buch zur Seite „und nur um das klar zustellen: Wir sind keine Freunde, wir werden keine sein und sobald dieses Trimester um ist, werden wir wieder getrennte Wege gehen. Ich weiß nicht welcher kranke Teil von dir auf so eine abartige Idee gekommen ist, aber es beschreibt wirklich sehr gut dein abgefuckten Charakter." 

Überrascht lehnte er sich zurück und verschränkte seine Arme „Warum hasst du mich so?"

„Ich hasse dich nicht, ich verabscheue dich einfach nur. Und wenn du ein Grund suchst, dann bist du noch dümmer als ich dachte. Wenn wir nicht.. ach ist auch egal." Ich holte tief Luft um die Wut in mir etwas zu dämmen. „Aber wenn ich einen anderen Weg gefunden hätte, wäre ich nicht hier, nur um das klar zustellen." Stumm sah Liam mich an und nahm die Blätter wieder an sich. Sein Kopf senkte sich und er begann wieder zu lesen. Schade, ich hatte gehofft dass wir darüber streiten könnten.

*

„Also bedeutet Diffusion, dass sich alle Stoffe ausgleichen, und Osmose, dass bestimmte Teile wandern und es trotzdem ein Gefälle zwischen den Zellen gibt?" Erwartungsvoll sah Liam mich an. Ich nickte. „Wow, das ist ja einfach." Ach was? Wirklich? Nein sowas aber auch. Liam freute sich wie ein kleines Kind über seinen Erfolg während ich ungeduldig auf die Uhr schaute. Gott sei Dank, die Stunde war vorbei. Ich stand auf und fing an meine Sachen einzupacken. „Wo willst du hin?", fragte er verwirrt.

„Die Stunde ist vorbei und ich laufe vor dir weg, wie jedes anständiges Mädchen tun sollte. Bis nächste Woche dann." Ich wartete nicht auf eine Antwort, sonder schulterte mir die Tasche auf und ging schnell zur Tür. Vor der Tür holte ich erst einmal tief Luft und die Anspannung wich aus meinen Schultern. Ich hatte es überstanden. Der erste Schritt war getan. Mein Versuch nett zu ihm zu sein und eine Freundschaft vorzugaukeln war deutlich nach hinten gegangen, das war klar. Eigentlich hatte ich gedacht, dass wenn er uns für Freunde hielt, er nicht mehr auf diese ganze Bettkiste pochen würde, aber naja, dafür tat es gut einmal meinen Frust raus zulassen. Es war schwierig gewesen genügend Begeisterung für Dad's Vorstellungsgespräch zu zeigen, wenn ich wusste welchen Preis ich dafür zahlen musste. Dad hatte die Bewerbung persönlich abgegeben und eine Stunde riefen sie an, dass er doch herzlich dazu eingeladen war. Zur Feier des Tages wurde Pizza bestellt, was es nie bei uns gab. Wenn er wüsste zu welchem Preis es dazu kam, wüsst ich nicht wie seine Entscheidung dort zu arbeiten, ausgefallen wäre.

Tief in meinen Gedanken merkte ich nicht, wie ich in eine Person reinlief. „Augen auf Ava, das kann Leben retten." Verschmitzt grinste mich Kyle an. Statt einer Antwort streckte ich ihm die Zunge raus und er griff sich Theatralisch ans Herz. Gut das wir uns trafen.

„Ich hab deine Jacke bei mir im Spind, willst du eben mitkommen?" Kyle bejahte und wir machten uns auf dem Weg zu meinen Spind. Man merkte das der Unterricht vorbei, denn von überall drangen Schüler auf den Flur und es war für Kyle schwer durch die Maßen zu kommen, denn seine Statur war nicht fürs Ausweichen gemacht. Während ich mich mühelos durch die Menge schlängelte, hörte ich ihn nur immer wieder Entschuldigungen murmeln. Als er zu mir ausschloss, hatte ich seine Jacke bereits in der Hand und reichte sie ihm.

„Wie geht es deiner Schwester?", fragte er und ich hatte gehofft er hätte nicht nachgefragt. Amber ging es schlechter, ohne eine Dialyse sammelten sich die Abfallstoffe im Blut an. Ich hatte ihr Pulver besorgt, was das Kalium rauszog, aber das reichte nicht. Sie ging zwar zur Schule und beklagte sich nie, aber ich merkte wie es ihr zunehmend schwerer fiel. Ihr fehlte die Kraft, sie schlief lange und häufig und der Appetit hatte nachgelassen. Heute morgen hatte ich eine Haarsträhne in ihrem Bett gefunden. Statt des großen Beutels hatte sie nun einen, den man am Bein befestigen konnte und sie schien froh darüber zu sein, dass es keiner in der Schule sah. Aber das sagte ich nicht. Was ich sagte war „Es geht ihr gut, danke." Eine glatte Lüge die mir ohne Probleme über die Lippen kam. Kyle schien es nicht aufzufallen, denn er lächelte mich an.

„Das freut mich zu hören. Nun, ich geh dann mal wieder, die Jungs warten." Ich nickte, aber ich wusste warum er ging. Er hatte Angst, dass seine Jungs ihn mit mir sehen würden, dass war auf Liams Party deutlich geworden als er meine Hand abgeschüttelt hatte. Nun, was hatte ich auch erwartet? Aber es war in Ordnung für mich, manche Dinge würden sich eben nie ändern. Ich schloss den Spind ab und machte mich auf den Weg zum Schuldach. Dave und ich waren die einzigen, die wussten wie man dort hin kam, es gab eine Leiter, aber die war immer abgesperrt. Doch wenn man Oben in den Kunsträumen die Luke öffnete und daraus kletterte, konnte man, wenn man genug Nerven hatte, über dem Vorsprung balancieren und sich an der Dachkante Hochziehen auf das Hauptdach. Die hohen Bäume vor dem Gebäude warfen im Sommer genug Schatten und die Bank die dort stand zeigte, dass wir nicht die ersten waren, die dort geblieben sind. Allerdings hatte ich noch nie jemanden dort getroffen.

DeliriumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt