2. ,,Und doch gehörte ich dazu"

327 24 4
                                    

EMILY

Charlies Rucksack plumpste auf den Boden, direkt neben seinem Stuhl, auf dem er hockte. In der ersten Reihe.

Seine Schultern waren leicht nach vorne gebeugt und beinahe jeder hinter ihm starrte Löcher in seinen Rücken.

Aber keiner wusste das er Charlie war. Außer natürlich ich. Am liebsten hätte ich losgebrüllt das ich ihn kannte. Wirklich kannte.

Aber das wäre ziemlich peinlich gewesen.

Und was wenn er Jeremy war? Was wenn ich mich täuschte? Aber ich war mir absolut sicher. Natürlich war er Charlie. Diese Augen hätte ich niemals vergessen. Nicht in eine Milliarden Jahren.

Sie waren unvergleichlich. Sie waren einzigartig. Er war einzigartig, glaubte ich. Er hatte damals ja nur ein Wort mit mir gewechselt. Aber das reichte mir.

Außerdem, die wichtigste Frage von allen, warum hatte er seinen Namen geändert?

Die Deutsch Stunde war unendlich lange. Ich wollte einfach nur Charlie ausquetschen. Ihn sozusagen mit Fragen bombadieren. Es reichte mir nicht, ihn die ganze zeit entgeistert anzustarren.
Charlie Charlie Charlie Charlie
Nicht Jeremy
Charlie

Mein Charlie, aus der Grundschule.

Ich konnte einfach nicht aufhören an seinen Namen zu denken.

Charlie passte nicht in diesen gelben, hellen Raum. Er war wie ein stummer, dunkler Fleck, der sich kaum bewegte. Endlich gongte es zur Zwischenstunde. Beinahe erleichtert stand ich auf, bereit zu Charlie rüberzusprinten.

Dylan sah zu mir hoch und durchforstete mein Gesicht. ,, Wohin willst du?" Ungeduldig strich ich mir eine Strähne aus dem Gesicht.

,,Zu", kurz  zögerte ich, ,,Charlie."

Als ich seinen richtigen Namen vor Dylan aussprach, musste ich breit grinsen. Verwirrt schaute mich dieser an. Aber bevor er mir eine Frage stellen konnte, ging ich schon weiter zu Charlie.

Ich stand jetzt genau neben ihm und für einen kurzen Moment fragte ich mich, was ich jetzt tun sollte. Schließlich packte ich nach einem Stuhl, der in meiner nähe war und schob ihn neben Charlies. Ich spürte die bohrenden Blicke meiner Klassenkameraden, die ich aber komplett ignorierte. Ich konnte mir schon denken, was gerade durch ihren Köpfen schoss.
Die verrückte Emily Doyle spricht den neuen an. War ja klar.

Aber mir war es egal.

Ich überlegte kurz was ich sagen sollte.

Wie fing man ein Gespräch, mit einem Typen der seinen Namen geändert hat, an?

,,Charlie", meine Stimme klang normal und doch konnte ich meinen Neugierde raushören. Sein Kopf schoss nach oben. Und wieder sah ich diese außergewöhnlichen Augen.

,,Was?", stammelte er leise. Seine Stimme war angenehm und samtig. So wie ich sie in Erinnerung hatte. Ich lächelte ihn überzeugt an.

,,Du heißt doch Charlie, oder? Nicht Jeremy."

Ich wartete auf eine Reaktion und ich bekam eine.

Für einen kurzen Moment sagte er gar nichts, er sah mich einfach nur stumm an, bis er seinen Kopf senkte und auf seine Hände blickte, die sich ineinander verkrallt hatten.

Sein Name war CharlieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt