Wheinachtslieder und Sonnenhut

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Ich gebe es ja ungern zu, aber ich hatte vorhin ein wenig übertrieben. Es war doch nicht so schwer gewesen von hier wegzukommen. Schwer war nur gewesen Geld aufzuspüren, womit ich das Taxi bezahlen sollte. Eigentlich möchte ich garnicht darüber reden, wie ich an das Geld gekommen war, aber ich mach es trotzdem.

Also.....ich hatte mich entschieden meine Gesangskünste zum Besten zu geben. Ja, im Nachhinein bereue ich es ein wenig, aber es hatte auch seine Vorteile gehabt. Schließlich hatte ich ja Erfolg gehabt. Ich hatte also meinen Sonnenhut aus dem Koffer gekramt und ihn vor mir platziert  und angefangen zu singen. Leider ist es 1. Sehr unpassend im Sommer Wheinachtslieder zu singen und 2.schlecht zu singen, wenn man nicht singen kann.(Ich musste aus meiner ersten Wohnung ausziehen, weil ich anscheinend so schlimm und schräg gesungen hatte, dass mein Nachbar die Polizei gerufen hatte und diese mich wegen Ruhestörung aus meiner Wohnung geschmissen hatte. Ihr müsst wissen, dass mein Nachbar 87 und schwerhörig ist, doch selbst er konnte meinen Gesang hören.)
Ich sang gerade mal 2 Minuten, da kam ein Mann, mitte 30, auf mich zu. ,,Entschuldigung, aber ich muss gerade ein sehr wichtiges Telefonat führen und ihr..äh..spezieller Gesang ist da ein wenig störend.",sagte er leicht gereizt. Bei dem Wort speziell machte er eine Bewegung mit den Händen, die Gänsefüßchen darstellen sollten. Was wollte er mir denn bitte damit sagen?
,,Hören sie,", fuhr er fort, ,,ich gebe Ihnen 50€, wenn Sie aufhören zu singen, Deal?" Ich war total perplex und sagte einfach "klar".

So kam es, dass ich im Taxi saß und auch noch Geld gehabt hatte, um mir ein Buch und ein Schokoriegel zu kaufen.

***

Bevor ich ins Krankenhaus fuhr machte ich noch einen Schlenker in meine Wohnung und packte meinen Pass ein. Vielleicht würde ich meinen Flug ja noch kriegen.

 Als ich im Krankenhaus ankam, wurde ich erstmal von Mia mit einer Umarmung empfangen. Meine Familie hat es halt mit Umarmung. Sie sagte schnell, dass Dad sich einen Kaffee holen gegangen war und erzählte mir, dass Mum die Haustür aufgeschlossen hatte und schon wäre sie, Buff, umgekippt. Irgendwas war heute anders, als sonst. Mia war irgendwie lustiger und entspannter. Erst schwiegen wir eine Weile. Doch dann sagte sie plötzlich:,, Eigentlich ist es gut, dass Mum umgekippt ist. Ich wollte Mum gerade sagen, dass ich die Schule abbreche."

,,Waaaas hast du da gerade gesagt? Du willst die Schule abbrechen? Bist du wahnsinnig?"
,,Ich hab keine Lust mehr darauf. Ich will die Welt entdecken. Ich will nach Afrika oder Amerika oder irgendwoanders hin. Ich will nicht das machen, was Mum von mir verlangt. Ich...Ich will so wie du sein." OMG. ,,Nein, Mia. Das willst du nicht. Du willst nicht so, wie ich sein. Du willst kein Looser und Blondinchen sein. Kein Mensch, der 15€ für Wasser ausgibt und von einem Hausmeister angemacht wird. Kein Mensch, der sich das komischste Lebensziel der Welt setzt und dafür extra nach Afrika fliegen will. Kein Mensch, der am Flughafen Wheinachtslieder singen muss, um sein Taxi bezahlen zu können. Kein Mensch, der es schafft jeden Tag aufs neue zu vergessen, dass er einen Termin hatte. Kein Mensch, der die Gehirnzelle einer Weintraube hat. Kein Mensch, der es noch nicht mal gebacken kriegt Nudeln mit Tomatensoße zu kochen. Und du willst kein Mensch sein, dessen Schwester perfekt, schlau und wunderschön ist, aber die Schule abbrechen will. Nein Mia, dass möchtest du nicht."

Ich hatte tatsächlich gehofft das würde ihre Meinung ändern, aber stattdessen antwortete sie nur:,,Was!? Das hast du alles gemacht? Und du fliegst nach Afrika!? Ich komme mit!" Ach du heiliger Bimbam!

Pineapple lifeWhere stories live. Discover now