12. In neuen alten Gefilden

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Der Lärm schlug wie eine Flutwelle auf sie ein. Londons Straßen waren überfüllt und es schien gerade Hochbetrieb zu sein. Die Autosirenen, das Klingeln von Fahrrädern und die lautstarken Gespräche der Passanten drückten so stark auf Lins Ohren, dass sie für einen Moment ihre Hände darüberlegen musste. Obwohl sie es gewohnt war – New York war keinesfalls eine leise Stadt – so hatte der Portschlüssel seinen leisen Tribut gefordert. Schwankend musste sie sich an Caradocs Schulter festklammern, bevor sie Augen und Ohren wieder öffnen konnte. In der Ferne konnte sie sofort den Big Ben erkennen und die riesenhafte Uhr, die gerade Punkt Zehn schlug. Sie war wirklich wieder zuhause.

„Du lächelst", stellte Caradoc unbeirrt fest und schob sie am Arm mit sich.

„Ja", erwiderte Lin mit etwas zittriger Stimme. „Es fühlt sich gut an, wieder zurück zu sein."

„Ja, für mich auch", entgegnete er und trotz des harten Ausdrucks in seinem Gesicht, huschten seine Augen aufgeregt umher, als wäre er ein Kleinkind in einem Vergnügungspark. „Es hat sich wirklich nicht verändert, oder?"

„Alles sieht aus wie immer", stimmte Lin ihm zu. „Als wären keine fünfzehn Jahre vergangen." Während Caradoc sie durch die Londoner Innenstadt führte, fragte sie sich, was wohl gewesen wäre, wenn diese Halloweennacht damals nicht gewesen wäre. Wenn Lily und James noch am Leben wären. Hätten sie sich vielleicht irgendwann hier in der Stadt eine Bleibe gesucht? Hätten sie noch mehr Kinder bekommen? Sie wusste nur eines und es stach ihr ins Herz, mit der kalten Klinge eines Messers – Lily und James wären glücklich gewesen und das konnten sie nun nicht mehr.

„Warte, ich muss mich mal kurz orientieren", murmelte er und Lin umklammerte den Griff ihrer Tasche etwas fester. Die alten Erinnerungen an diese Stadt waren alle auf sie zugeflossen und ihr Kopf fühlte sich an, als würde er gleich überlaufen. „Dumbledore hat mir kürzlich erst die Adresse zukommen lassen, wo der Orden sich trifft", erklärte Caradoc und kramte einen Zettel hervor. Es sah aus, als wäre er aus einem Brief gerissen worden. „Es soll nicht weit von hier sein, aber wie genau ich dort hinkomme, hat er nicht erwähnt."

„Zeig mal her", verlangte sie und griff nach dem Zettel. Ihre Finger und auch ihr Kopf brauchten jetzt eine Beschäftigung, sonst würde sie der Nostalgie verfallen. Grimmauldplatz Nr. 12, las sie von dem Stück Pergament ab. Sie runzelte die Stirn und blickte auf. Den Namen hatte sie schon einmal gehört. Hatte James ihn mal erwähnt?

„Dumbledore hat nur gesagt, es sei ein verstecktes Haus einer alten Zaubererfamilie, oder so, mehr weiß - ", sagte Caradoc, doch Lin unterbrach ihn.

„Ah, ich weiß! Das ist Sirius' altes Elternhaus!", rief sie aus und Caradocs Miene verfinsterte sich.

„Oh? Na wunderbar", knurrte er leise und riss den Zettel wieder an sich.

„Komm mit." Nun übernahm Lin die Führung und dank ihrer flinken Füße waren sie in wenigen Minuten an ihrem Zielort. Grimmauldplatz Nr. 11 und Nr. 13 waren schmutzige Häuser, mit brüchigen Glasscheiben und verdrecktem Putzwänden. Die dicken, alten Eichentüren waren übersät mit Schrammen und der Lack schälte sich bereits ab. Ein schmuddeliger Innenhof mit im Wind quietschenden Eisentoren grenzte an die Häuserreihe und einige Autos standen an der Straße, in der einige Löcher im Asphalt prangten.

„Und wo ist jetzt - " Caradocs Frage ging in einer Kakophonie aus schabenden Steinen und klirrenden Glasscheiben unter. Lin konnte ihren Augen kaum trauen – die schmale Stelle zwischen der Hausnummer 11 und 13 dehnte sich aus, wurde breit und fest und drückte die beiden Häuser zur Seite. Wie ein Pilz in einem feuchten Waldboden schien der Grimmauldplatz Nr. 12 nun zu sprießen – mitten in der Londoner Innenstadt erschien ein neues Haus und den Einwohnern der umliegenden Nummern schien es nichts auszumachen, sodass Lin vermutete, dass sie es gar nicht merkten, wie ihr Haus zur Seite gepresst wurde.

Priori Incantatem (HP/FF)Où les histoires vivent. Découvrez maintenant