Gustavs Falle

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Als ich das Deck betrat, begrüßte mich erneut der geheimnisvolle Nebel, der diesen Ort umgab. Wir waren wieder zu dem Schiffsfriedhof zurückgekehrt, an dem ich Hicks das letzte Mal gesehen hatte. Die meisten Händel waren abgeschlossen, die wichtigsten Besorgungen gemacht - natürlich nicht ohne das Dagur beinahe einen Krieg mit einem fremden Wikingerstamm angezettelt hätte - und dann waren wir zurück gefahren um die Drachenjägerrequisiten von der Tanatos zu bergen. Auf den nördlichen Märkten hatte der Berserkerhäuptling mir einen neuen, kampftauglicheren Umhang gekauft, welchen ich mittlerweile stets trug, da wir, seit man auf Berk von Dagurs Ausbruch gehört hatte, stets mit Drachenreiterangriffen rechnen mussten. Doch bis jetzt gab es noch keine unangenehmen Zwischenfälle.

Ein paar Dinge konnten die Männer schon bergen, dazu gehörte auch ein großer Käfig, auf den ich nun kletterte, mich hinsetzte und meine Beine baumeln ließ. Ich atmete tief ein und aus. Die Luft roch frisch, auch wenn man es ihr nicht ansah und hinterließ ein prickelndes Gefühl in meiner Kehle. Es fühlte sich befreiend an, einfach hier zu sitzen und sich hinter all dem Nebel zu verstecken, vor der Realität, der Realität in der ich meinen Vater, meinen Bruder und meinen ganzen Stamm hintergangen hatte und das mehr als einmal. Seufzend lehnte ich mich zurück und sah zu Dagur hinunter, der nur ein paar Zentimeter von mir entfernt Muskeltraining betrieb. "Hallo mein Schöner." sagte er zu seinem Bizeps, während er sich mit dem Arm an dem Eisengitter hochzog, "Und hallo nochmal." Er gab ihm einen Kuss und zog sich erneut hoch. "Los an die Arbeit Schöner, für den großen Meister." Ich lachte leise. "Ernsthaft, Dagur? Ernsthaft?" Er hielt kurz inne, sah zu mir auf und fragte gereizt "Was?" Ich hingegen schüttelte nach kurzem Zögern nur leicht den Kopf und antwortete "Ach, nichts", mein Lächeln blieb jedoch. In diesem Moment kahm Rohling zu uns hinüber und machte uns darauf aufmerksam, dass die Tanatos bald wieder auftauchen würde. Für einen kurzen Moment unterbrach Dagur sein Training und fuhr den Verbannten an. Doch anstatt sich um irgendetwas zu kümmern, seufzte der Berserker nur genervt und fuhr in seinem Tun fort. Es war angenehm, jemanden um sich zu haben, der nicht immer sofort aufsprang wenn man ihm einen Knochen zu warf, sondern sich auch mal Zeit ließ und die Dinge entspannter anging.

Als Rohling sich wieder an die Arbeit machte und Dagur weiterhin niemanden beachtete, lehnte ich mich einfach wieder zurück und sah in den endlosen, von Wolken bedeckten Himmel. Die Sonnenstrahlen schafften es nur vage durch die dichte, graue Decke aus Wasserdampf, eine leichte Brise wehte durch mein Haar und ich schloss meine Augen. Es war wieder wie damals als ich ebenfalls auf einem Drachen geflogen war. Es fühlte sich an ,als würde man einfach loslassen, all die Sorgen und Probleme des Alltags einfach abschütteln und frei sein. Freiheit war in diesen Tagen wirklich selten. Ich hatte diese Momente geliebt, doch jetzt da ich wieder mit Dagur arbeitete, waren diese Tage Geschichte, nichts als blasse Erinnerung. Nicht das man es mir in den letzten drei Jahren vergönnt hatte allein auf einem Drachen zu reiten. Ich seufzte erneut und versuchte mich mit etwas Anderem abzulenken. Eine Weile hörte ich Dagur bei seinen Selbstgesprächen zu, was mir sogar ab und an ein Lächeln auf das Gesicht zauberte. Doch ab einem gewissen Punkt wurde auch das uninteressant ,also unterbrach ich die Langeweile. "Was willst du dann eigentlich machen, wenn wir alles von der Tanatos haben?" Der Rotschopf sah zu mir auf, zuckte die Schultern und meinte "Kein Ahnung, ich will auf jeden Fall dieses Etwas, das Hicks mir gestohlen hat." "Und wie willst du das anstellen?" "Weiß nicht, ich hatte gehofft du hättest einen Plan." "Na toll, das ist definitiv zu viel Ratlosigkeit. Na gut, ich werd mir was ausdenken." Und somit hatte ich endlich eine neue Beschäftigung.

24 Stunden waren vergangen und ich hatte immer noch keinen Plan. Natürlich hatte ich einige Ideen gehabt, doch sie waren entweder zu leichtsinnig, riskant oder nicht machbar und somit nicht zu gebrauchen. Frustriert lies ich mich auf den Boden sinken. Mein Kopf tat weh und ich hatte schrecklichen Hunger, doch ich war so beschäftigt mit meiner Aufgabe, dass ich alles andere völlig verdrängt hatte. Gerade als mein Magen ein weiteres Mal grummelte, betrat Dagur den Raum. "Du sitzt ja immer noch hier. Du solltest vielleicht mal ein bisschen an die frische Luft, etwas essen und trinken, sonst vermoderst du noch hier drin." "Ja, vielleicht hast du recht. Habt ihr noch irgendwas interessantes auf dem Schiff gefunden?" Dagur füllte zwei Becher mit frischem, klaren Wasser und reichte mir einen davon. "Nichts, bis auf ein paar drachensichere Käfige, Ketten und ein paar Katapulte." Ich trank den Becher in einem Zug aus, die kalte Flüssigkeit floss meine Kehle hinab und hinterließ ein angenehmes Gefühl. Für einige Minuten blieben wir einfach so und folgten jeweils unseren eigenen Gedanken, als in diesem Moment Rohling den Raum betrat und meinte sie hätten einen Drachenreiter gefangen. Ich sah ein aufgeregtes Funkeln in Dagurs Augen und eilig gingen wir nach Draußen um zu sehen, wer es war. Ich zog schnell meine Kapuze über den Kopf, als die Männer uns den Weg frei machten. Anfangs konnte ich nicht erkennen wer es war, Dagur meinte es sei keiner von Hicks Drachenreitern, was mich zuerst verwirrte, doch als Dagur einen Schritt auf die Person zu ging, um zu fragen wer er sei, konnte ich endlich einen Blick auf ihn erhaschen. "Gustav!?" Dagur drehte sich verwirrt zu mir um und musterte mich mit gerunzelter Stirn "Du kennst ihn?" "Ja, er kommt von Berk, Hicks hatte ihm vor vielen Jahren versprochen ihn irgendwann auch zu einem Drachenreiter zu machen, doch es war nie dazu gekommen." Überlegend wandte er sich wieder dem Jungen zu "Du kennst also Hicks..." "Ich sage gar nichts!" Demonstrativ verschränkte er die Arme vor der Brust, das würde er noch bereuen. Denn Dagur war wirklich gut darin Informationen zu erhalten und so geschah es, dass als der Berserkerhäuptling den Befehl gab den Jungen über Bord zu werfen, eben dieser anfing zu reden wie ein Wasserfall. Er meinte er wüsste etwas und das tat er tatsächlich. Er sagte er wüsste wo ein gewisses Drachenauge sei und als Dagur fragte was dieses Drachenauge ist, zeigte der Junge auf die Zeichnung des mysteriösen Gegenstands, den Dagur so gern wollte und vielleicht hatte er auch eine Idee wie wir dieses Drachenauge bekommen könnten.

Die Erzählungen einer Drachenreiterin.         [Dragons FF]Kde žijí příběhy. Začni objevovat