Kapitel 5 - Mänaden und Nyx - Part 1

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Leya saß auf der braunen Wiese in dem kleinen Park auf der anderen Seite der Brücke, die zum Inferiorhaus führte. Die Geräusche waren gedämpft und die Pflanzen im Winterschlaf. Vor ihr prügelten sich zwei kleine Kätzchen im Winterstaub. Es war sehr kalt. Sie hatte eine Daunenjacke an, die sie ein wenig wie ein Marshmallow aussehen ließ.

Die zwei Kätzchen waren wohl Geschwister. Sie hatten ähnliche Muster im Fell, auch wenn das Katerchen hellorange war und das Kätzchen schwarz-weiß.

Sie begann zu Lächeln, als das Kätzchen das Katerchen in den Po biss und dieser genervt miaute. Ihr Gesichtsausdruck wollte nicht so recht auf ihr Inneres passen. Es fühlte sich an wie eine Grimasse.

Ihr Blick rutschte zu ihrem Handgelenk, das durch die dicke Jacke verborgen war. Von gestern Nacht war nur ein kleiner, schwarzer Punkt zurückgeblieben.

Sie war heute morgen in ihrem Bett aufgewacht. Umgezogen und ohne Kater. Wäre der Punkt nicht gewesen, sie hätte nicht gewusst, ob die vergangene Nacht ein Traum gewesen war.

Neben ihrem Bett hatte sich ein Frühstück bestehend aus frischem Orangensaft und Marmeladensemmeln befunden, das neben einer hübschen Blume auch noch eine kleine Nachricht darüber behielt, dass Lala sich gegen Mittag mit ihr in diesem Park treffen wollte. Da sich niemand sonst im Haus befand, der Blickkontakt mit ihr halten wollte – Phan war unauffindbar – hatte Leya keine Zeit verloren und war aus dem Gemäuer geflüchtet. Sie war einige Zeit ziellos im braunen Park umhergewankt, hatte sich schlafende Pflanzen und vollgekackte Statuen angeschaut und war schließlich auf der braunen Wiese mit den angehenden Katzen geendet.

Beide mochten es, wenn sie mit ihren Schlüsseln klapperte.

Aus unerfindlichen Gründen hatte sie ihren Schlüsselbund von Zuhause – ihrem echten Zuhause – mitgenommen.

Sie hätte gerne ihr altes Leben als Nebenfigur in Angels Werdegang wieder. Wer brauchte schon Liebe, wenn man Frieden haben konnte.

Sie schlang die Arme um ihre angewinkelten Beine und zog die Knie an ihre Brust.

Wieso hatte sie ihr Handy eigentlich nicht mitgenommen? So hatte sie nämlich keine Ahnung, wie viel Uhr es war und konnte keine Musik hören.

Alles roch nach toter Erde, Frost und Laub.

Lalas Stimme durchbrach die Ruhe: „Leya, meine Liebe!"

Lala kam in einen gelben Mantel gewickelt wie ein Lichtstrahl näher. Fröhlich sprang sie trotz ihres Alters über die Dreckwege. Ein Schwall aus Nelke, Rauch, orange und Jasmin presste Leya nieder, als die alte Dame vor ihr stand.

Sie hielt einen Korb in der Hand.

„Das freut mich aber, dass du gekommen bist! Ich dachte, dass wir vielleicht ein wenig über alles reden könnten." Die alte Dame zog eine rote Picknickdecke aus dem Korb und breitete sie vor Leya aus. Im Schneidersitz ließ sie sich auf dem Boden nieder und holte Tupperdose über Tupperdose aus dem Flechtkorb. „Weißt du, über alles. Wie es dir geht, was mit Cal passieren wird und was du noch vor dir hast. Ich... Wir denken, dass es besser ist, wenn du verstehst, was du tust und welche Verantwortung auf deinen Schultern lastet."

Lala öffnete einen Behälter und zog eine getrocknete Dattel hervor, die sie sich in den Mund legte. Sie bot Leya etwas an, das diese mit einem Kopfschütteln ablehnte. Sie hatte keinen Hunger.

„Also, Leya. In letzter Zeit ist viel in deinem Leben geschehen. Wie geht es dir denn damit?"

Das Mädchen blickte die Frau irritiert an. Sie hatte keine Antwort auf diese Frage.

„Ich... Ich weiß nicht..." Sie schwieg kurz. „Ich meine, mir geht's nicht gut, aber irgendwie... Da ist nichts mehr. Ich habe keine Antwort auf diese Frage. Nicht mehr."

Die alte Dame wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Darum nickte sie und bereitete sich darauf vor dieses Thema später noch einmal anzusprechen.

„Okay... Dann zu Cal."Leya blickte sie bei dem Wort müde an. Eigentlich wollte sie nicht darüber reden. „Du weißt ja, dass sein Körper in das Haus der Tacitaschwestern gebracht wurde. Wir werden ihn dort für die Totenwache präparieren. Sobald dies geschehen ist, wirst du dazugeholt werden und ... Nun ja... Du wirst dein Bild beenden. Du wirst in die Unterwelt steigen und dort wirst du vor Hades und Persephone treten, dich für ihre Arbeit bedanken und dann wirst du wieder nach oben steigen. Du wirst sie nicht nach Cals Seele fragen. Und falls du es doch tust, falls du nicht anders kannst, dann wirst du nicht nach seiner Seele singen. Du wirst fragen, sie werden verneinen und du wirst gehen. Du musst verstehen – du hast all das ja bereits auf der Besprechung gehört – wir können nicht zulassen, dass Cal wiederkommt. Wir lieben ihn, wie du, wir sind seine Familie, aber es gibt Dinge, die sind wichtiger als wir. Wenn er auf diese Erde zurückkommt, dann wird diese Welt nicht mehr lange bestehen. Du würdest für die Ausrottung der Menschheit verantwortlich sein, wenn du seine Seele mit dir nimmst. Das Wohl der Vielen geht über das der Wenigen, Leya. Sobald du wiederkehrst werden wir Cals Leichnam verbrennen mit dem Charonspfennig unter der Zunge. Er wird über den Acheron gefahren werden und im Elysium landen. Er wird dort glücklich sein. Und du wirst ihn wiedersehen, wenn du stirbst. Dasselbe ist mit dem Urorpheus geschehen. Er hat seine Eurydike auf den elysischen Feldern wiedergefunden. Selbst wenn Cal jetzt nicht hier ist, wird er wiederkehren. Wenn nicht im Leben, dann im Tod."

Lala blickte Leya mitleidig an.

„Wir, die wir keine großen Bilder in der Geschichte haben, sind die glücklichen. Unser Leben ist einfach. Leya, ich werde nie vollends verstehen, wie schwer es ist, was du tun musst. Aber letztendlich musst du nur darüber nachdenken, was mehr Wert ist: Ein Leben oder sieben Milliarden?"

Lala nahm sich eine weitere Dattel und musterte Leya. „Falls du dich unterhalten willst, dann bin ich oder eine der anderen Tacitaschwestern für dich da. Normalerweise sind wir gute Zuhörer." Sie lächelte und erhob sich.

„Im Korb liegt auch noch eine Thermoskanne voll mit Suppe, falls du lieber etwas warmes Essen willst. Ich werde dich jetzt wieder allein lassen, außer du brauchst mich noch für etwas. Nein? Okay. Du findest mich im Haus."

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So, das hat jetzt sehr lange gedauert, aber Götterstimme ist wieder da. Ich weiß, dass es andethalb Jahre waren und ich hoffe, dass ihr mir vergeben könnt. Es hat lange gedauert, bis die Muse mich wieder geküsst hat für diese Geschichte. 

Das ist für euch, all ihr Leser, die geblieben sind oder wiederkehren. Danke. 

Song: 

City of Stars Piano Solo - La La Land Soundtrack

Götterstimme - Lieder der UnterweltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt