Epilog

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5 Monate später

Nervös schaute ich auf die Wanduhr und strich mein Kleid glatt.

Alissa hatte meinem Vorschlag zugestimmt, sodass ich mich getrennt von ihr und der anderen Brautjungfer umziehen konnte. Nur ihr zuliebe würde ich in einem Raum mit Emilia und Eric stehen.

Schließlich klopfte es an meine Tür und Alissas Mutter sagte mir, dass es an der Zeit sei. Seufzend stand ich auf, prüfte ein letztes Mal mein Make-up und meine Haare und öffnete dann die Tür. Alice hatte Tränen in den Augen: "Sie sieht so wunderschön aus!"

Ich nickte und musste tief schlucken als Alissa in einem glitzernden Kleid um die Ecke stöckelte. Ihr breiter Reifrock aus Tüll schien sie keineswegs beim Gehen zu stören. Auch mir kamen die Tränen und während ich Alissa umarmte, tupfte ich mir unauffällig die Augenwinkel.

"Komm!", flüsterte mir die Braut zu. "Wir müssen los. Emilia wartet an der Tür."

Sie wartete kurz und hielt mich noch zurück. Ihre Mutter Alice ging währenddessen voran. "Es tut mir Leid. Ich hatte keine Ahnung, ansonsten hätte ich es dir gesagt. Danke, dass du hier bist bedeutet mir viel."

Ich nickte und erwiderte, dass ich wohl einfach noch Zeit brauche. Während der letzten fünf Monate hatte ich neben der Hochzeitseinladung und meiner Zusage keinen Kontakt zu Alissa und Marvin gehabt, zu schmerzhafte Erinnerungen waren auch mit den Beiden verbunden. Und während ich Alissa glaubte, dass sie keine Ahnung gehabt hatte, zweifelte ich an, dass Marvin nichts gewusst hatte.

Schweren Herzens taumelte ich hinter Alissa her, die zu schweben schien vor Glückseligkeit. Als ich Emilia von hinten erblickte trieb es mir erneut die Tränen in die Augen, aber ich schluckte sie hinunter, wild entschlossen, eine Blöße zu zeigen.

Emilia schien uns zu bemerken und drehte sich um. Mein Blick fiel auf ihre Hände und ich japste auf. Ihre zarten, kleinen Hände lagen auf einer Babykugel, die schon deutlich zu sehen war.

Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse und nickte mir zu, ich aber war wie im Rausch. Nur dunkel zog das Eintreffen von Emilia und mir sowie der Braut an mir vorbei, nur entfernt bekam ich die Zeremonie mit und klatschte monoton, als sich Braut und Bräutigam küssten. In mir tobte ein Gewitter wie nach einer Trockenzeit und mir wurde bewusst, wie tief der Stachel saß, den meine ehemals beste Freundin und mein Freund in meinem Herzen hinterlassen hatten. Weder hass- noch racheerfüllt konnte ich ihnen beiden nicht verzeihen, das realisierte ich in diesem Moment des Wiedersehens.

Beim Empfang stürzte ich den Sekt hinunter, dann reihte ich mich geduldig in die Schlange von Gratulanten ein. Als ich endlich bei Alissa und Marvin angekommen war, überreichte ich mein Geschenk und drückte beide einmal kurz, dann murmelte ich Alissa zu, dass ich gehen wolle. Kurz war Schmerz in ihrem Gesicht zu sehen, dann Verständnis und als sie mir einen Kuss auf die Wange drückte spürte ich deutlich ihr Mitleid. Ich flüchtete regelrecht aus dem Garten, in dem die Zeremonie abgehalten worden war. Ein letztes Mal drehte ich mich um und während ich Abschied nahm, fielen mir Eric und Emilia ins Auge. Er hatte seinen Arm um sie gelegt und seine freie Hand auf ihren Bauch. Beide strahlten und sahen glücklich aus. Ich musste zugeben, dass Emilia die Schwangerschaft stand und die Beiden sich gut ergänzten.

Still saß ich im Auto und ließ den Tränen freien Lauf. Nun endlich öffnete ich den Brief meiner Mutter, den sie mir gegeben hatte, nachdem ich aus Hamburg heimgekehrt war. Fünf lange Monate war es zu schmerzhaft gewesen ihn zu öffnen, heute kam es auf den Inhalt diesen Briefes auch nicht mehr an.

Liebe Kayla,

zuallererst: Es tut mir Leid! Alles!

Ich weiß, ich war nicht immer die beste Mutter, aber du sollst wissen, dass ich es immer probiert habe und nach bestem Gewissen für dein Wohl gehandelt habe. Falsch, wie sich jetzt herausstellt,

Deinen Wunsch, nicht in der Firma zu arbeiten, hätte ich, hätten wir von Anfang an respektieren sollen. Wir tun es jetzt.

Eric wird somit CEO werden. Obwohl ihr Euch getrennt habt, hat er sehr viel Ahnung von der Firma und von Buchhaltung. Doch natürlich sollst auch du deinen Anteil erhalten;  55%  der Firmenaktien werden auf dich überschrieben werden, an dem Tag, wo du mit deiner richtigen Arbeit anfängst. Und du wirst einen Sitz im Vorstand erhalten und deine Ideen so in die Firma einbringen.

Es ist alles sehr schwer, für Dich und für uns und ich hoffe, du kannst mir eines Tages verzeihen.

Unsere Tür steht immer für Dich offen,

In Liebe,

Mama

Ich wusste nicht, ob ich Lachen oder Weinen sollte. Eric CEO - unvorstellbar. Doch meine Eltern traf keine Schuld, hatte ich ihnen doch Erics Betrug aus Scham verschwiegen.

Während hinter mir laute Musik anfing zu spielen, startete ich das Auto.

Ein halbes Jahr war seit dem Anfang des freiwilligen Wehrdiensts vergangen und hier stand ich nun, ohne Freund, ohne meine besten Freunde, mitten in einem anderen Studium zum gehobenen Polizeidienst. Dieses Mal war ich mir sicher.

Doch auf dem Weg zu meinen Eltern wurde mir auch bewusst, dass dieser Neuanfang vielleicht das war, was ich gebraucht hatte.

Ich war endlich frei.

Vielleicht würde ich weiter studieren. Vielleicht würde ich reisen. Vielleicht würde ich niemals heiraten und niemals Kinder bekommen. Die Unsicherheiten konnten einem Angst machen, doch sie machten das Leben erst spannend.

Hatte ich einmal gedacht, dass sich Tatsachen nicht ändern ließen, wusste ich es nun besser. Ich war es, die mein Leben verändern konnte. Nur ich.

Ich. War. Frei.

7 Monate in der Hölle?Where stories live. Discover now