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In den Tagen nach dem erfolgreichen Bewerbungsgespräch ging mir ein Gedanke nicht mehr aus dem Kopf: Ob und wann ich meinen Eltern und Eric von der Sache mit der Bundeswehr erzählen sollte.

Die Worte von Emilia hallten in meinem Kopf wider, dass sie noch wütender seien, wenn ich es ihnen noch später erzählen würde.

Die Entscheidung nahmen mir letztendlich meine Eltern, die Eric und mich überraschend zum Essen einluden: „Zur Feier der bestandenen Studien!"

Meine Einwände, dass weder Eric noch ich unsere Zeugnisse bekommen hätten, wurden abgetan und so saßen wir zu viert an einem Tisch in irgendeinem Italiener, das meinem Geschmack nach viel zu edel war, aber den Ansprüchen meiner Eltern gerade so genügte.

Die Kellnerin kam gerade mit den Karten und dem Brot. Meine Mutter zog stumm eine Augenbraue hoch, als das junge Mädchen die Karten nicht komplett sicher ausbalancierte und nur knapp verhindern konnte, dass die eine Karte auf den Boden fiel, ich hingegen lächelte sie nur mitleidig an. Ich kannte diesen Blick von meiner Mutter.

Das Essen verlief recht reibungslos, wir waren gerade am Ende des Hauptgangs angelangt, als meine Mutter diese eine Frage stellte: „Sag mal Kayla, wann gedenkst du eigentlich dich für das Masterstudium zu bewerben?"

Ich verschluckte mich an den letzten Stücken der Putenbrust.

„Mutter, ich habe noch nicht einmal mein Bachelorzeugnis."

„Umso früher, desto besser. Das ist doch auch gut später im Verlag.", sie lächelte mich an.

Hilfesuchend blickte ich zu Eric, aber auch der schaute mich abwartend an. Mein Vater machte zwar nicht den Eindruck, als ob ihn meine Antwort übermäßig interessieren würde, doch er tat auch nichts, um mich aus der unangenehmen Situation zu befreien.

„Na, willst du nicht mal mehr deiner Mutter antworten? Nimm dir ein Beispiel an Eric, der hat mir schon gestern telefonisch mitgeteilt, dass er für den Masterstudiengang zugelassen wurde..."

Mein Blick flog zu Eric, der mich verlegen ansah.

„Was?"

Meine Stimme war eisig, so etwas musste ich von meiner Mutter erfahren?

Ich kam mir betrogen vor, doch erst mein Vater brachte das Fass zum Überlaufen, indem er andeutete, ich könne ja theoretisch auch eine Auszeit nehmen für „eventuelle" Zwischenfälle, wie Schwangerschaften, die ja bestimmt auch mal in nächster Zeit anstanden.

Bis zum Äußerten gereizt klatschte ich einen fünfzig Euro Schein neben meinen Tellern, holte meine Jacke und verließ den Laden, ohne mich noch einmal großartig umzugucken.

So etwas musste ich mir nicht bieten lassen. Einmal mehr kam es mir so vor, als hätte ich gerade mit meinen Schwiegereltern gegessen, doch es waren nur meine Eltern, die mich als Geburtsmaschine für richtige Erben für den Verlag ansahen.

Mehr war ich wohl nicht.

Ich hatte erwartet, dass Eric mir folgen würde, doch nachdem ich zehn geschlagene Minuten gewartet hatte, wurde mir klar, dass er nicht kommen würde. Nun verfluchte ich meine Unüberlegtheit: Da Eric und ich zusammen gekommen waren, aber er den Schlüssel hatte – für einen Wagen, den meine Eltern bezahlt hatten, wohlbemerkt – nahm ich mir ein Taxi.

Mit trottenden Schritten ging ich die Treppen hinauf zu unserer Wohnung und schloss auf. Heute war einfach nicht mein Tag. Generell waren die letzten Wochen Stress pur gewesen. Mein mehrtägiger Bewerbungskurs rückte immer näher und noch immer wusste außer Emilia niemand davon. Niemand.

Ich zog mir normale Klamotten an und machte mir einen Salat, dann warf ich mich auf die Couch und guckte fern.

*

Ich musste eingeschlafen sein, denn ich schreckte hoch. Eric stand neben mir und schaute mich schief an: „War das wirklich nötig? Es war doch ein so schöner Abend!"

Ich wollte nicht schon wieder Streit anfangen und so zuckte ich nur verlegen mit den Schultern. „Mensch Schatz!", Eric setzte sich seufzend zu mir. Er machte sich anscheinend gar keine Gedanken mehr, doch mich verfolgte noch immer der Streit mit meinen Eltern.

Nach einer Weile kuschelte ich mich an ihn und gemeinsam lagen wir so auf der Couch und guckten fern, etwas, dass wir seit langen nicht mehr gemacht. Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter und er schlang einen Arm um mich.

Der Fernseher lief, doch ich verspürte nur noch das Klopfen in meiner Herzgegend, dass wieder wie selbstverständlich da war.

„Ich weiß, dass es in letzter Zeit etwas schwierig war, aber ich liebe dich, Eric und ich will dich heiraten und eine Familie gründen."

Eric schaute mich kurz überrascht an, dann küsste er mich leidenschaftlich: „Ich liebe dich auch!"

Und dann hob er mich hoch, trug mich ins Schlafzimmer und warf mich fast auf unser Bett. Eine halbe Stunde später konnte ich mich daran erinnern, wann wir das letzte Mal Sex gehabt hatten.

Nackt lagen wir eng aneinander gekuschelt im Bett, nur von einem dünnen Laken bedeckt und redeten über die banalsten Dinge, auch etwas, was wir seit langen nicht mehr getan hatten.

Irgendwann begann er, meinen Rücken zu massieren und ich entspannte mich endgültig nach dem Stress mit meinen Eltern - bis auch Eric mir einen Strich durch die Rechnung machte:

"Und warum bist du dir mit dem Masterstudium nicht sicher?"

Ich erstarrte, was wohl auch Eric bemerkte, denn er hörte auf und nahm seine Hände weg.

Ich richtete mich auf: „Was habt ihr bloß alle? Das ist doch nicht das Wichtigste im Leben!" Er starrte mich entsetzt an: „Schatz, dieses Studium sichert später die Hälfte unseres Verlages."

„Noch ist es Verlag meiner Eltern."

„Sicher, Schatz. Aber wir werden ihn eines Tages übernehmen und dafür wirst du dich vorbereiten, ebenso wie ich es tue."

„Und wenn ich den Verlag nicht will?"

Seine Augen zogen sich unmerklich zusammen, immer ein untrügliches Zeichen dafür, dass gleich ein Wutausbruch folgte.

„Du meinst das doch jetzt nicht ernst oder? Du weißt, was ich dafür aufgegeben habe, um dich und deinen Vater glücklich zu machen."

Er spielte drauf an, dass er seinen Traumberuf Polizist, den er von frühster Kindheit an gehabt hatte, aufgegeben hatte, um BWL zu studieren.

„Ich weiß nicht, ob das mit uns noch Sinn macht, wenn du alles wofür wir gekämpft haben, aufgibst. Wenn dir auf einmal alles, was uns etwas bedeutet hat, unwichtig ist."

„Eric, du willst dich von mir trennen?"

Meine Stimme zitterte. Zuvor war noch alles so schön gewesen, ich hatte ihm meine Liebe erneut gestanden und er hatte sie erwidert!

„Nein, natürlich nicht, ich liebe dich doch. Aber denk' mal über meine Worte nach. Verbau' nicht leichtfertig deine Zukunft."

„Aber vielleicht wünsche ich mir etwas anderes. Vielleicht kann ich mich einfach nicht in 20 Jahren als Lektorin sehen."

„Schatz, das ist doch Unsinn und das weißt du genau. Genauso, wie du dir damals bei dem Heiratsantrag nicht sicher warst und ihn doch angenommen hast, wirst du auch deinen Job annehmen und mit ihm zufrieden sein."

Ich wollte ihm von der Bewerbung und dem Bewerbungsgespräch erzählen. Ich wollte wirklich. Doch dann zitterten seine Augen erneut und ich konnte nicht.

Meine Beziehung stand auf dem Spiel und ich wusste, dass es nur wieder Streit geben würde, wenn ich in der momentanen Situation Eric von der Bewerbung erzählen würde.

So nickte ich bloß und sagte mir, dass das mit dem mehrtägigen Auswahlverfahren eh nicht klappen würde.

7 Monate in der Hölle?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt