Frühstück und Magersucht

34 2 0
                                    


„Na, schmeckt's?" fragte Hannes belustigt, weil ich das Brot in meiner normalen, zugegeben schnellen, Essgeschwindigkeit verschlungen hatte. „Erstens esse ich immer so schnell, aber du hast recht, es schmeckt, willst du auch eins?" "Gerne, tauschen wir?" Amüsiert nickte ich und schaute zu, wie er in seinem Rucksack herumkramte und am Ende eine alte, verbeulte Blechdose hervorzauberte. Er reichte mir das Essen und ich nahm mir ein dunkles Brot mit Kürbiskernen heraus, auf dem ich Käse erkennen konnte. „Dein Frühstück ist wirklich gut", meinte er zwischen zwei Bissen und wischte sich die Brombeermarmelade von den Lippen. „Deins aber auch", erwiderte ich während ich mir meine Tasse zwischen die Knie klemmte und die Thermosflasche aufschraubte. Erschrocken stellte ich fest, dass der Tee nur noch für zwei Becher reichen würde wobei ich doch noch eine Stunde in diesem Zug und eine weitere im Regionalexpress nach Hause hatte. Solange würde er, mein Lebenselixier, nicht reichen. Unsere Unterhaltung war wirklich interessant gewesen, er war ein guter Gesprächspartner und ich hatte mich schon lange nicht mehr so gut unterhalten, abgesehen von Oni, Suna, Adi und Elias. Ich verstaute meine Flasche wieder und wärmte mir die Hände an der Tasse, es war schon kalt fiel mir da auf. Aber wir saßen ja auch zwischen den Waggons, wo der Wind pfiff. In meiner Jahrgangsstufe war einmal ein Mädchen gewesen, die Anfangs eine ganz normale Schülerin gewesen war. Dann hatte sie irgendwann einen Freund, wegen dem sie ihre beste Freundin sozusagen verstoßen hatte und nachdem er Schluss gemacht hatte hatte sie niemanden mehr. Zu der Zeit hatte sie glaube ich angefangen abnehmen zu wollen. Zunächst war alles noch im Rahmen, sie machte mehr Sport und aß gesund, aber irgendwann nahm sie außer Wasser so gut wie nichts mehr zu sich und bewegte sich nicht mehr um der Bewegung willen sondern um Kalorien zu verbrennen. Während alle sahen, wie sie immer dünner wurde hielt sie selber sich für fett und hungerte weiter. Irgendwann war sie so abgemagert, dass sie auch im Sommer fror und dicke Pullis tragen musste, erst dann schickten ihre Eltern sie in eine Klinik, in der ihr geholfen wurde. Ich war zwar nicht wirklich mit ihr befreundet gewesen, aber dem ganzen zuschauen zu müssen hatte mich und auch alle anderen mitgenommen. Damals hatte ich auch aufgehört, meinen eigenen Augen zu vertrauen, da mir gezeigt wurde, dass das Bild im Gehirn gemacht wird und nicht neutral ist, schließlich hatte das Mädchen ein ganz anderes Verständnis von ihrem Körper, als wir Außenstehenden.

Eine Zugfahrt - Eine UnterhaltungDove le storie prendono vita. Scoprilo ora