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Lucy

Langsam laufen die Tränen meine Wangen hinab und fallen mit einem leisen 'Plop' zu Boden. Niemand sagt etwas. Jeder ist genauso fassungslos wie ich.

Wie es scheint bin ich aber die Einzige, die realisiert hat was gerade passiert ist und es zerstört mich. Zerstört mich so sehr, dass ich hier nur noch weg will und alles hinter mir lassen möchte, hoffend, dass es nur ein böser Traum ist und ich eigentlich noch tief schlafend in meinem Bett liege.

Wie automatisch setze ich einen Fuß vor den anderen, durch das Tor und dann beschleunige ich ohne auf Jus Ruf zu achten. Mir ist alles egal, ich muss einfach nur weg. Mein stockender Atem und meine Schluchzer sind das Einzige was ich vernehme während ich den See ansteuere, doch in meinem Kopf sieht es ganz anders aus.

Immer wieder hallen die Worte meines Vaters durch ihn, immer wieder versetzt es meinem Herz einen Stich auch wenn ich einen unglaublichen Hass auf ihn empfinde. Es tut trotzdem weh.

Nach einer Weile in der ich barfuß über den Teer renne spüren meine Zehen endlich das weiche Gras und ich weiß, dass ich bald ankommen werde, weshalb ich einen letzten Sprint hinlege, dann langsam abbremse, mich auf meine Knie fallen lasse und meine Finger in den grünen Hälmen vergrub.

Und dann strömt alles aus mir heraus. Ich fange hemmungslos zu weinen an und mein Körper wird von den Schluchzern nur so durchzogen.

Plötzlich legt sich eine Hand auf meine Schulter und ich zucke heftig zusammen, sehe auf und finde mich auch schon und Juliens Armen wieder. Beruhigend streicht er mir über den Rücken und ist einfach nur für mich da, weiß, dass ich ihn jetzt brauche.

Mit tränenüberströmtem Gesicht kralle ich mich in seinem Shirt fest und lehne mich gegen seinen Oberkörper, lasse einfach all die Trauer raus, bis diese sich in Wut umwandelt und ich meine Hände zu Fäusten balle.

"Ich hasse ihn. Ich hasse ihn so sehr.", meine Lippe bebt.

"Kann man dir auch nicht verübeln.", stimmt der Asiate mir leise zu. "Ich kann gar nicht fassen, was da gerade passiert ist."

"Glaub mir, ich auch nicht.", gebe ich ihm bitter recht und meine Stimme findet langsam wieder Halt.

"Das tut mir so leid...", der Schwarzhaarige drückt mich sanft von sich weg, um mich ansehen zu können und streicht mir mit dem Daumen über die Wange.

"Ist schon gut...früher oder später musste es ja passieren.", niedergeschlagen lehne ich mein Gesicht gegen seine Hand und erwidere seinen Blick.

"Trotzdem.", meint er jedoch und verzieht seinen Mund zu einem Strich.

"M-hm...", seufzend löse ich mich aus seinen Armen und gehe näher zum Ufer. "Was habe ich getan, dass sowas passieren musste?"

Sofort ist Ju wieder neben mir: "Nichts...das ist es ja...die meisten Menschen trifft es zu Unrecht."

"Das Leben ist eine hinterhältige Schlampe...", meine ich trocken dazu und verschränke die Arme vor der Brust.

Meine Stimmung sinkt immer mehr.

"Manchmal...aber es hat auch seine guten Seiten.", er stellt sich vor mich und umrahmt mein Gesicht mit seinen Händen, ehe er mich liebevoll küsst.

Das bringt mich schließlich doch leicht zum Lächeln und ich erwidere kurz, dann ziehe ich mich wieder zurück und streiche ihm eine verirrte Strähne aus dem Gesicht: "Ja...aber genau das ist der Punkt. Immer wenn man meint, dass alles gut ist zieht das Leben noch ein Ass aus dem Ärmel und haut dir so richtig eine rein..."

"Das heißt aber nicht, dass es immer so sein muss.", versucht der Größere mich sofort wieder aufzumuntern, aber es hilft nicht wirklich.

Nuschelnd antworte ich kleinlaut: "Du hast ja recht...aber es ist möglich."

I Hate You | Julien BamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt