In der Hobbithöhle

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Da stand Anna nun also – vor Bilbos Grundstück und wagte noch immer keinen Schritt nach vorn, wenngleich sie mittlerweile einen guten Grund hatte, den Hobbit zu belästigen. Und belästigen war das richtige Wort. Aber sie würde sicher kein so schlechter Gast sein wie die Zwerge. Vielleicht sollte sie ihn doch ganz unauffällig warnen? Nein, damit machte sie sich bestimmt nur verdächtig. Sie mischte sich besser nicht ein, obwohl sie sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte. Im Film war es witzig anzusehen wie Bilbo auf den lustigen Haufen Zwerge reagierte. Nicht auszudenken wie es erst sein musste wenn es leibhaftig vor ihr passierte.

Stark sog Anna die frische Luft um sich herum auf, schulterte nochmals ihre Habe und tat den ersten Schritt auf den Zaun zu. Es war an der Zeit den berühmten Hobbit kennenzulernen – oder in dem Fall er sie. Wann genau hatte sie angefangen an all das hier tatsächlich zu glauben? Ratlos legte sie den Kopf schief als sie die kleinen Treppenstufen nahm. Seit sie sich im Auenland befand, wirkte alles plötzlich so anders. So real. Auch wenn Gandalf ein sehr guter Anhaltspunkt dafür war, dass sie sich in Mittelerde befand und die Reise, die sie aus dem Buch und Filmen kannte, gerade wirklich stattfand, fehlte es noch an weiteren Beweisen. Hier war aber der größte, den sie sich hätte vorstellen können. Bilbo Beutlin, vor dessen grüner Haustüre sie nun stand und sich dabei fast an der kleinen Lampe darüber den Kopf stieß. Kurz holte sie nochmals tief Luft, bevor sie an die kleine Türglocke links von ihr läutete. Es dauerte auch nicht lang, da öffnete Bilbo seine Haustüre. Ihm stand die Überraschung ins Gesicht geschrieben.

„Oh ", verließ es Bilbos Mund. „Ihr seid es" Mit dieser seltsam gekleideten Frau hatte er nicht gerechnet. Dennoch begann er freundlich zu lächeln als er sich an seine Manieren erinnerte. Wie unhöflich von ihm sie in dieser Art zu begrüßen! „Guten Morgen. Was kann ich für Euch tun?"

Anna öffnete schon ihren Mund, doch nichts kam heraus. Nervös lächelte sie den Hobbit an, dessen Augenbrauen fast unter seiner lockigen Haarpracht verschwanden. Was wollte sie gerade sagen? Ihr Herz tat einen heftigen Sprung. Anna sortiere nochmal ihre Gedanken um sich zu beruhigen. In einem mal blies sie die übrige Luft aus ihrer Lunge. „Gandalf hat mich hier stehen lassen", presste sie dann heraus und kratzte sich an linken Wange. „Weil ..." Unsicher lachte sie leise. Lügen war noch nie ihre Stärke gewesen. „Weil er mich auch für dieses Abenteuer begeistern wollte, aber keinen Erfolg hatte. Da meinte er, ich solle bis morgen auf ihn warten, damit er mich wieder nach Hause schicken kann", ratterte sie demnach ehrlich hinunter. Im Grunde war alles richtig was sie da sagte, auch wenn sie ein paar Details ausließ. Zumindest schien sie Bilbos Neugier geweckt zu haben, da er nun mehr fragend als verwirrt drein blickte. „Und ich muss sagen, dass ich hier niemanden kenne... außer Euch... Und Münzen habe ich auch keine... und Gandalf hat mein Pferd mitgenommen."

Es dauerte keine Sekunde ehe Bilbo das Gesagte kombinierte. Sie suchte bei ihm eine Unterkunft für die Nacht. Wie konnte dieser Zauberer diese Frau so gleichgültig zurücklassen? Ohne Münzen, ohne ihr Pferd und ohne sichere Zuflucht? „Und ich war immer der Meinung Zauberer seien anständig", sagte Bilbo enttäuscht. Dabei sprachen all die Erzählungen von einem freundlichen, zuvorkommenden Gandalf. Obwohl er zugeben musste, dass das Zusammentreffen vor wenigen Momenten auch nicht sehr erfreulich war. „Dann kommt doch herein. Bitte!", bot Bilbo der jungen Menschenfrau an als er schon zur Seite trat. Einen Gast hatte er schon lange nicht mehr bewirtet. Zumal dieser Gast sicher eine interessante Geschichte zu erzählen hatte. Nicht, dass es Bilbo neugierig machte...

„Danke!" Annas Gesicht hellte sich auf und von Ehrfurcht erfüllt, betrat sie gebückt das Haus, musste dann aber glücklich feststellen, dass sie hineinpasste ohne sich im Inneren weiterhin zu bücken. Nein, es war sogar reichlich Platz über ihrem Kopf. Endlich zahlte es sich aus, dass sie nicht ganz so groß geraten war. Breit lächelnd musterte sie vom Licht durchflutete Eingangshalle. Ein kleiner Korb mit Äpfeln stand direkt links neben ihr bereit. Hier fand man selbst an der Haustür etwas zu Essen, stellte sie schmunzelnd fest.

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