Mittelerde

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Sehr langsam blinzelte Anna. Einmal, Zweimal und noch ein drittes mal. Hatte sie eben richtig gehört? Sie war in Mittelerde und Gandalf hätte auf sie gewartet? Der Gandalf? Der aus den Büchern? Nein. Das war alles so verrückt! Ein hysterisches Lachen brach aus ihr heraus. War sie wahnsinnig geworden? Ganz bestimmt! Spätestens nach ihrem Lachanfall war es jedem klar.

Gandalf räusperte sich laut, um ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn zu lenken, brauchte es jedoch einen weiteren Moment, bevor sie ihm wieder ins Gesicht blickte und sich die Tränen vom Gesicht wischte. „Nochmal zum Mitschreiben", begann Anna amüsiert, stemmte ihre linke Hand an die Hüfte und sah zum Zauberer hinauf. „Ich bin in Mittelerde. Du bist Gandalf. Und du hast auf mich gewartet?"

„Ihr scheint also zu wissen, wer ich bin. Sehr schön", sagte der alte Zauberer angenehm überrascht. „In der Tat habe ich auf Euch gewartet. Wie lautet Euer Name?"

Anna legte ihren Kopf schief. Gandalf schien das Ganze ziemlich locker zu sehen, was bei ihr nur auf Unverständnis stieß. Und ihr Name? War das wichtig? Viel wichtiger war es doch, dass er ihr sagte, wieso er auf sie gewartet hatte. „Anna Schubert", sagte sie beiläufig, da sie sich auf den wichtigeren Teil konzentrierte: „Und warum hast du auf mich gewartet?"

Ein mildes Lächeln umspielte seine Lippen. „Ein außergewöhnlicher Name. Kommt erst einmal mit mir, Liebes. Die Dunkelheit bricht herein und Ihr seht aus als könntet ihr etwas zu Essen vertragen" Er hob wieder eine seiner buschigen Augenbrauen. „Ebenso ein Bad und andere Kleidung.", fügte er abschließend mit einem argwöhnischen Blick hinzu. Ihr Kleidungsstil und Aussehen war äußerst sonderbar, ganz wie ihr Name. Das wunderte ihn jedoch nicht, war er darauf eingestellt eine junge Dame aus einer anderen Welt zu empfangen.

Anna sah an sich hinunter und zuckte mit den Schultern. Ihre Boots, schwarze Jeans, besonders ihr weißes Tanktop und ihre Lederjacke waren voller Dreck. Sie war schon schlimmeres gewohnt gewesen. Das bisschen Schmutz brachte sie schon nicht um. Viel wichtiger war, dass sie Antworten bekam. Warum war sie hier? Und lebte sie überhaupt noch oder halluzinierte sie? „Ein, zwei Fragen noch bevor du mich entführst" Der Zauberer runzelte die Stirn, sagte aber nichts. „Bin ich tot? Ist das ein Scherz?"

„Seid kein Narr, Kind", verließ es den Zauberer mit seiner tiefen Stimme. „Ihr seid ganz offenbar bester Gesundheit."

Die junge Frau grummelte. Wollte Gandalf sie verarschen? Langsam riss ihr der Geduldsfaden. „Okay, passen Sie... was auch immer, mal auf. Ich war gerade noch auf dem Weg zu meinem Onkel, jetzt befinde ich mich hier. Mitten in Mittelerde, das eigentlich gar nicht wirklich existiert! Das gibt es nicht! Es ist Fiktion! Dann rede ich mit Gandalf dem Grauen und der sagt mir, er hat auf mich gewartet. Was soll ich denn denken? Ich muss träumen oder tot sein! Und wenn ich tot bin, ist das wirklich ein schlechter Scherz! So hab ich mir den Himmel nämlich nicht vorgestellt! Oder bin ich in der Hölle? So unartig war ich echt nicht! Vielleicht doch, manchmal... aber das ist nicht der Punkt!", ratterte sie außer Atem und aufgewühlt herunter. Sie stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. „Ich habe zu viel Zeit mit Büchern verbracht... und ganz eindeutig zu viel mit Herr der Ringe", seufzte sie schwer und massierte ihre Schläfen. Ihr Kopf hatte begonnen stark zu pochen. Das war doch bestimmt ein Irrtum. Das alles hier.

„Ich werde Euch alles in Bree näher bringen. Sorgt Euch nicht. Alles hat seine Ordnung, Liebes" Seine Gesichtszüge entspannten sich, während seine Augen Mitleid ausdrückten. Einladend hielt er seine große Hand zu ihr hinunter. „Kommt jetzt. Bei Nacht ist es gefährlich an diesem Ort." Gandalf schenkte dem Wald einen kurzen Blick.

Anna war viel zu müde, hungrig und durstig um jetzt weiter zu diskutieren. Sie nahm kopfschüttelnd und besiegt seine Einladung an und wurde mit einem kurzen starken Ruck, was sie dem alten Mann gar nicht zugetraut hätte, schon direkt auf sein Pferd gezogen. Unschlüssig legte sie ihre Arme um den großen Zauberer, der bereits begann dem Pferd die Sporen zu geben. „Was ist das überhaupt für ein Wald? Die Bäume waren nicht besonders freundlich."

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