Frank Zhang

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Ich lehnte meinen Kopf an das Gitter des Käfigs. Schwaches Licht schimmerte durch die Fenster hoch oben, kurz unter der Decke. Kaum einen Meter von mir entfernt saß Percy in seinem eigenen Gefängnis. Vor dem Käfig war ein Steg aus Metall, auf dem drei Amazonen uns bewachten. Ich schloss die Augen.

Was sie wohl gerade mit Hazel machten? Folterten sie sie? Kämpfte sie mit dieser Königin Hylla? Hazel war die mutigste Halbgöttin, die ich kannte, mutiger noch als Reyna. Sie war vom Tod wiederauferstanden und nun reiste sie mit uns dorthin, wo sie gestorben war.

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie schon mal in der Unterwelt gewesen war. Sie war so warm, freundlich und ... ja, fest. Überhaupt nicht wie ein Geist.

Plötzlich fing Percy an zu reden. War das erlaubt? Keine Ahnung. Wahrscheinlich interessierte es Percy auch gar nicht, ob wir reden durften oder nicht.

"Es wird ihr gut gehen."

Als der Sinn seiner Worte zu mir durchdrang, hob ich überrascht den Blick. "Woher weißt du, woran ich denke?"

Ich konnte ihn nicht richtig erkennen, aber ich glaube, er grinste. "Das ist selbst für mich offensichtlich."

Ich starrte ihn verblüfft an. "Ja.", sagte ich. "Aber wir hätten sie nicht allein lassen sollen."

"Sie schafft das. Sie ist eine starke, mächtige Halbgöttin und klug genug, Hylla nicht zu verärgern, wenn sie mit mir gereist ist."

"Woher kennst du Hylla?", fragte ich.

Er runzelte die Stirn wie um sich zu erinnern. "Annabeth und ich ... wir sind bei Circe gestrandet."

"Wer ist Circe?"

"Eine ziemlich berühmte Zauberin. Sie verwandelt Männer in Schweine. Oder heute eher Meerschweinchen."

"Dich auch?", fragte ich und unterdrückte ein Lachen.

"Yup.", bestätigte er. "Annabeth hat mich gerettet. Allerdings haben wir bei unserer Flucht ein paar uralte, fiese Piraten befreit und die haben Circe getötet und alle Mädchen auf der Insel terrorisiert."

"Und wo ist Hylla?", fragte ich.

"Hylla war die rechte Hand von Circe. Reyna war auch irgendwo auf der Insel."

"Oh." Das machte Sinn. Ich wäre sicher auch sauer auf Percy wenn er dafür sorgte, dass ich gefoltert wurde.

"Wir hätten nicht herkommen sollen. Das war dumm." Er stockte, und als er lächelte, leuchteten seine Zähne weiß in der Dunkelheit. "Annabeth hat mich immer geküsst, wenn ich was Dummes gemacht habe."

"Erzähl mir von Annabeth.", wechselte ich das Thema. Dann stockte ich. Er kann sich an nichts mehr erinnern!, rief ich mir innerlich zu.

Aber Percy schien zu lächeln, soweit ich das erkannte. "Sie ist ... einfach unglaublich.", sagte er ein wenig verträumt.

"Das glaube ich.", murmelte ich. Wer auch immer Percy unter Kontrolle halten konnte, verdiente meinen Respekt. Jemand wie Percy war zu einer Menge fähig. Die Wasserkanonen in Camp Jupiter, das Boot, der Plan mit dem Gorgonenblut und seine Schwertkünste ... zwar war Percy gut, aber nach wie vor war es mehr als beeindruckend, wenn jemand ihn in Schach halten konnte.

"Sie hat ...", er schluckte. "Blonde Locken, graue Augen und ist schöner als Aphrodite ... ich meine Venus, selbst."

Ich runzelte kurz die Stirn. Natürlich schien Percy die Erinnerung glücklich, aber auch sehnsüchtig zu machen, aber warum hatte er sie mit der griechischen Form von Venus verglichen? Das ergab überhaupt keinen Sinn, keiner in Camp Jupiter benutzte diese Namen, wo er sie hätte aufschnappen können. Das bedeutete, er musste die Namen vor seinem Gedächtnisverlust schon benutzt haben, richtig? Und das bedeutete wiederum, dass die Theorie, dass er ein griechischer Halbgott war, näher rückte.

"Oh.", sagte ich. Wie tröstete man einen Jungen, der sich nur an seine Freundin erinnerte? Indem man seine Freundin fand. Dann gab es da bloß das Problem, dass wir diesen Auftrag höchstwahrscheinlich nicht überleben würden.

"Sie ... sie ist manchmal mit mir in die Bibliothek gegangen.", erzählte Percy weiter. "Sie liebt Architektur."

"Hast du deswegen in Portland gegen das Regal geschlagen?", fragte ich.
Wir waren auf der Suche nach Ella gewesen. Das war ... gestern. Wow. Kam mir wie eine Ewigkeit vor.

"Ich hatte es fast.", murmelte er. "Ich hatte mich fast erinnert, wo wir damals waren."

"Das ist doch ein gutes Zeichen! Das Gorgonenblut sollte schnell helfen!"

Er sah mich schief an. "Ich habe das Blut nach der Bibliothek getrunken."

"Ja.", erklärte ich. "Wenn du schon ohne Medizin so weit gekommen bist, und du jetzt auch noch einen Allesheiler getrunken hast, solltest du dich bald erinnern. Ich verspreche, ich werde mit dir Annabeth suchen, wenn wir hier raus sind. Und Hazel kommt bestimmt auch mit."

Wir waren still. Der Staub wirbelte in den Lichtstrahlen von der Decke her. Tief unter unseren Käfigen lag der Boden des Schachts im Dunkeln. Auf dem Steg tuschelten die Amazonen aufgeregt, die Speere standen an der Wand. In die andere Richtung standen Kisten voller Ringe, Ketten und Edelsteine, die mich an Hazel erinnerten.

Sie war tausendmal schöner, als dieser Krimskrams. Ihre goldenen Augen hatten die Farbe von klarem, sonnenbeschienenem Bernstein. Ihre braunen, lockigen Haare sahen aus wie Schokolade. Ihre Lippen waren roter als Rubine und ihre Zähne weißer als Porzellan. Sie roch immer nach Orangen. War es ein gutes Zeichen, dass sie schöner als Venus war?

"Danke.", sagte Percy. Ich hatte schon fast wieder vergessen, worüber wir geredet haben.

"Schon gut.", sagte ich und lächelte ein wenig. Wahrscheinlich sah er es nicht, aber das war mir egal. Der Gedanke daran, dass Hazel und ich uns näher gekommen waren, ich zum ersten Mal einen richtigen besten Freund hatte und ich bald meine Großmutter wiedersehen würde, ließen mich sogar die Gefahr und die traurige Situation in den Käfigen hier vergessen.

Schritte knallten auf dem Metall und die Ketten, die das Geländer bildeten, rasselten. Percy und ich sahen zu, wie Hazel und die Amazone, die uns im Laden empfangen hatte, ins Licht traten. Meine gute Laune sank.

Hazel war gefesselt.

Percabeth One-ShotsTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon