[2] Five

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Meine Finger glitten über die weißen Tasten des Klaviers und erzeugten so wie immer die schönen Töne,die ich so sehr liebte.
Es war das einzige Geräusch das man im gesamten Haus hörte,ansonsten war es still.

„Yoongi! Schau mal was ich gefunden habe.ä,unterbrach plötzlich eine Stimme mein Klavierspiel und meine Musik verstummte.
„Ja was ist?",fragte ich,während Die ältere Dame ins Zimmer kam.
Sie hielt ein dickes Buch in den Händen.
Wollte sie mir jetzt eine ihrer "Gute-nacht-Geschichten" vorlesen, oder was?

„Was hockst du denn die ganze Zeit hier im Zimmer komm doch mal zu mir nach unten!",beschimpfte sie mich.
Seufzend erhob ich mich und trottete an ihr vorbei die Treppen runter ins Wohnzimmer.
Ich verstand nicht warum sie mir dieses Buch nicht einfach oben hätte zeigen können,warum musste ich denn jetzt unbedingt runter kommen?

Sie lies sich neben mir auf dem Sofa nieder und schlug das Buch auf.
„Habe ich dir schon einmal von der lieben Jue erzählt?",fragte sie. „Meiner Enkelin?"
„Nein noch nicht.",antwortete ich, nachdem ich kurz darüber nachdenken musste, wo ich den Namen schonmal gehört hatte.
„Also das hier hab ich gerade eben gefunden.",fing sie an und deutete auf das Buch. „Es ist ein altes Fotobuch...von Jue."
Sie zeigte auf ein kleines Mädchen im Kleid,welches ich schonmal gesehen hatte und nun wusste ich auch woher.

Das kleine Mädchen auf dem Foto grinste fröhlich in die Kamera. In ihren Haaren hing eine kleine rosa Schleife und ihre Hände lagen um die Hüfte ihrer Großmutter geschlungen.
Man sah ihr deutlich an wie glücklich sie war,und dass nicht nur auf diesem Foto. Auch auf den nächsten sah man sie immer als kleinen Sonnenschein auf dem Bild.
Immer hatte sie ihre kurzen Ärmchen um die Hüfte ihrer Großmutter geschlungen. Doch als ich eine Seite weiter blätterte war dort plötzlich ein Foto auf welchem sie anders aussah,auf welchem fast alles anders war als sonst.

Es war ein Foto welches nicht zu den anderen passte,sie sah größer aus. Ich schätzte sie circa auf zehn Jahre und sie stand auch nicht wie sonst irgendwo im oder vor dem Haus im Wald. Auf diesem Foto war sie in einer vollkommen anderen Umgebung. Sie stand vor einem Haus in der Stadt.

Ihre Arme umschlungen dieses mal nicht ihre Großmutter sondern einen kleinen Jungen.
Ich sah fragend zu Jues Großmutter.
„Bin das-?"
„Ja das bist du.",unterbrach sie mich.

Schweigend wendete ich meinen Blick zurück auf das Foto. Auch ich hatte meine Arme um sie geschlungen,meine Wange an ihre gedrückt und grinste fröhlich in die Kamera.
„Wo bist du?",fragte ich.
„Ich bin nicht mit drauf...mir wurde das Foto nur geschickt.",antwortete sie etwas niedergeschlagen.
„Hier behalt es.",sagte sie plötzlich und drückte mir das Foto in die Hand,bevor sie mit dem Buch im Schlepptau verschwand.

Verwundert sah ich ihr hinterher.War ihr das Bild denn gar nicht wichtig? Sie liebte diese 'Jue' bestimmt sehr,vielleicht sollte ich es ihr nachher wieder geben. Mich würde ja sehr interessieren wie Jue jetzt wohl aussah und was sie gerade tat. Was hatte sie aus ihrem Leben gemacht?

„Y-Yoongi?",fragte mich nach einiger Zeit eine brüchige Stimme.
„Gibst du mir mal schnell ein Glas Wasser?",fragte sie,als sie sich unter Schmerzen an den Türrahmen krallte und sich die Hand an die Brust hielt.Erschrocken rannte ich auf sie zu. Ich wusste genau dass hier kein Glas Wasser half,ehrlich gesagt wusste ich nicht so genau was hier überhaupt half.

Erlitt sie gerade einen Herzinfarkt oder sowas in der Art? Offensichtlich schmerzte ihr Herz und ich war mir sicher dass sie so gut wie ich wusste,dass sie nicht mehr lange zu leben hatte.
„Wie kann ich dir helfen?!",fragte ich panisch.
„Yoongi mach dir keine Sorgen...ich werde nicht gehen und du weißt auch warum."
Das war ihr letzter Satz bevor sie,durch mich hindurch,nach vorne fiel und sich nicht mehr bewegte.
„Ach du scheiße!!",rief ich und starrte auf die vor mir liegende Leiche. Ich verstand ganz und gar nicht was hier vor sich ging.
„Ich bin doch noch hier, kein Grund zur Sorge.",erklang ihre ruhige Stimme dann allerdings hinter mir und ließ mich einmal erschrocken zusammenzucken.

Ich drehte mich zu ihr um und sofort wusste ich was sie meinte. Sie war kein Mensch mehr, sie war das was ich war. Ein Geist.
Jetzt fiel mir auch ein wieso sie noch da war und nicht direkt ins Jenseits verschwand.
Sie hatte ihren letzten Wunsch noch nicht erfüllt,genauso wenig wie ich.

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Ich saß wie so oft wieder an dem Klavier und spielte. Die Töne,welche dabei entstanden, beruhigten mich und ich schloss entspannt meine Augen, bis ein Geräusch von draußen das schöne Tonspiel unterbrach. Ich vermutete ein Auto,da das Geräusch sich verdächtig nach Autoreifen auf Sand anhörten und man den Motor bis hier hörte.

Genervt stand ich auf um nachzusehen wer dort war. Ich lief über die knarzenden Holzdielen runter zum Fenster,wo ich auch schon meine, jetzt tote, Mitbewohnerin auffand.
„Von wem bekommen wir besuch?",fragte ich diese.
„Ich weiß es nicht...hoffentlich ist das keiner dieser Immobilienmakler,der das Haus gekauft hat.",sagte sie besorgt.

Ich trat neben sie an das Fenster und sah hinaus. Ein kleines rotes Auto stand vor dem Haus und gerade öffnete sich die Tür.
Hinaus trat zu meiner Überraschung ein wirklich hübsches Mädchen.

Sie kam mir ziemlich bekannt vor, jetzt wo sie näher kam um ins Haus zu gehen.
„Wer-?",setzte ich an und sah mich nach Greta um,jedoch könnte ich sie nur noch schwer erkennen.Sie hatte ein Lächeln auf dem Gesicht und wurde immer Blasser.
„Sie ist so groß und schön geworden .",flüsterte sie nur noch fasziniert bevor sie vollkommen verschwunden war.
Das ist also Jue?

The Ghost { m.yg }Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt