Kapitel 5

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Der Baron entließ mich mit einem Nicken. In drei Tagen sollte es soweit sein. Glauben konnte ich es immer noch nicht so richtig. War HYDRA letztendlich doch nicht das Böse? Die Stirn in tiefe Falten gelegt ging ich langsam zurück zu meinem Zimmer. Die langen grauen Gängen ahm ich zum ersten Mal überhaupt nicht mehr wahr. Meine Gedanken kreisten wild umher. Hatte ich die richtige Entscheidung getroffen?Natürlich wollte ich Eva wiedersehen, aber würde sie mich überhaupt erkennen? Immerhin war ich jetzt vollständig mutiert, hatte gelernt wie man Menschen tötet. Hatte Menschen getötet. Sah man mir das nicht an?

Ich wurde jäh aus meinen Gedanken gerissen als ich um die Ecke bog und mit der Stirn gegen eine muskulöse männliche Brust lief und mein Fuß ein fremdes Schienbein erwischte. „Au scheiße das tat weh!"rief Pietro überrascht und auch ich fluchte und stolperte zurück.Dabei fiel ich beinahe hintenüber, da meine Füße mir nicht richtig gehorchen wollten. Glücklicherweise reagierte Pietro schnell und hielt meine Arme fest.

Schließlich konnten wir wieder auf eigene Faust stehen und sahen uns kurz an.Dann geschah etwas, das lange nicht mehr geschehen war. Ich lachte.Er lachte ebenfalls, und es dauerte eine Weile bis wir uns wieder eingekriegt hatten. „Solltest du nicht eigentlich in der Lage sein,solchen Situationen auszuweichen? Wofür bist du denn so schnell?"fragte ich und wischte mir über die Augen. Er grinste. „Das musst du gerade sagen, Miss ich-höre-alles-sehe-alles-und-so-weiter !" „Verdammt du hast Recht... Ich war nur so in Gedanken."

Schlagartig war meine gute Laune wieder verflogen und ich musste wieder an das anstehende Ereignis denken. Natürlich blieb mein plötzlicher Stimmungswandel Pietro nicht verborgen. „Was ist los?"fragte er und legte den Kopf schief. Seine Art zu fragen und sein Akzent machten es mir nicht leicht. Dennoch antwortete ich nicht ehrlich. Obwohl ich mich langsam an HYDRA gewöhnte hatte ich Angst davor, mich jemandem anzuvertrauen. Ich konnte mir nicht mehr sicher sein, wie lange ich diese Personen um mich hatte und fürchtete mich davor, wieder zu enge Beziehungen zu ihnen aufzubauen. „Es ist nichts, war ein anstrengender Tag." sagte ich und schüttelte leicht den Kopf. Dann gähnte ich. „Ich sollte mich hinlegen."Skeptisch zog Pietro eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts, wofür ich ihm sehr dankbar war. „Alles klar, Schlaf gut." sagte er und ging langsam weiter. „Du auch." antwortete ich leise, doch erhörte mich nicht mehr.

Den gesamten nächsten Tag verbrachte ich beim Training.Inzwischen brauchte ich kaum noch Anweisungen und trainierte auch in meiner wenigen freien Zeit. Mich anzustrengen und meinen Körper an den Rand seiner Belastungsgrenzen und darüber hinaus zu bringen machte mir langsam sogar Spaß. Außerdem bekam ich so den Kopf frei  und dachte nicht die ganze Zeit an meine Schwester. Dafür ertappte ich mich des öfteren dabei, wie ich an die Begegnung mit Pietro gestern Abend zurück dachte. In irgendeiner Art und Weise bereute ich es, mich ihm nicht anvertraut zu haben. Es konnte doch nicht schaden, wenigstens eine Art Vertrauten zu haben. Ich musste ihm ja nicht gleich meine komplette zerstörte Psyche darlegen, ich könnte auch so mit ihm reden. Rasch schob ich diesen Gedanken bei Seite.Diese Vorstellung war lächerlich, an diesem Ort gab es so etwas wie Freunde nicht. Stattdessen konzentrierte ich mich wieder auf mein Training.

In gewisser Weise sollte ich Recht haben, und gleichzeitig lag ich so falsch wie man nur liegen kann.

Später am Abend ging ich nach dem Essen müde zurück zu meinem Zimmer. Nach einem eher langweiligen Gespräch mit Pietro und Wanda,bei dem ich weder besonders zugehört noch mich beteiligt hatte,schleppte ich mich geradezu durch die Gänge. Seit ich das Training beendet hatte, waren meine Gedanken wieder vollständig bei meiner Schwester. Hatte sie sich verändert? Wie viel Zeit war wirklich vergangen, seit ich verschwunden war? Ich war wieder so vertieft,dass ich mich gar nicht um den Luftzug kümmerte, der an mir vorbeistrich als ich meine Zimmertür öffnete. Erst nachdem ich einige Male geblinzelt hatte fiel mir auf was hier nicht stimmte. Wir waren unter der Erde, woher sollte da ein Luftzug kommen? „Raus." knurrte ich, als ich realisierte was passiert war.

Can't stopWo Geschichten leben. Entdecke jetzt