Kapitel 3

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Marina hatte Recht.Der nächste Tag war anstrengend. Er begann viel zu früh und ohne Frühstück. Pietro und Wanda weckten mich und führten mich durch die vielen Gänge, über die ich langsam einen Überblick bekam, da die vielen Stockwerke alle einen ähnlichen Grundriss besaßen. Wir stiegen hinab in das Herz der „Festung", wie ich diese Einrichtung inzwischen nannte. Ich hatte immer noch keine Ahnung wo genau ich mich befand, aber das war mir egal. Solange HYDRA hielt,was sie versprach, würde ich ihr überall hin folgen.

Zunächst folgte ich aber nur den überraschend gut gelaunten Zwillingen. Nach einer Weile, in der ich einige ihrer Fragen mit einem jeweils angepassten Grunzen beantwortet hatte, erreichten wir schließlich eine lange Wendeltreppe. Die Wände hier unterschieden sich von denen des Restes der Festung. Sie waren ähnlich gemauert wie die des Kerkers, in dem ich nach meinem „Anfall" einige Zeit verbracht hatte. Ich blieb wie angewurzelt stehen. Auf gar keinen Fall wollte ich da runter. 

Ich wollte Sam nicht begegnen, wollte ihn nicht wissen lassen, dass ich dabei war ihn zu verraten. Pietro hielt ebenfalls an und schaute mich verwundert an. „Was ist los?" fragte er. „Ich... ich will nicht nach da unten zurück..." sagte ich leise und vermied es, ihm in die Augen zu sehen. „Wohin?" Jetzt war es an mir, verwundert zu gucken. „In den Kerker. Oder wie du dieses Loch nennen willst."Er lachte ein leises, beruhigendes Lachen. „Wir gehen nicht in den„Kerker"!" klärte Wanda mich auf, die ebenfalls angehalten hatte. Sie deutete mit dem Kopf auf die Treppe. „Jetzt komm!" Ihr energischer Tonfall ließ mich zusammenzucken und ich folgte den Zwillingen in die Tiefe.

Die Treppe mündete in eine riesige Höhle. Es gab keine Türen, kein Sicherheitsschloss.Nur ein einsamer Wachmann stand bis an die Zähne bewaffnet und regungslos am Fuß der Treppe. Misstrauisch blieb ich auf der letzten Stufe stehen. „Was ist das hier?" fragte ich. „Ein Ort an dem du niemanden zerfetzen kannst." antwortete Wanda trocken. Und tatsächlich - es gab keinen Strom, nicht einen winzigen Funken Elektrizität. Ein schummeriges Licht spendeten nur unzählige Fackeln, die tanzende Schatten an die Wände warfen und das Innere der Höhle in einen warmen, orangenen Schein tauchten. Langsam gewöhnten sich meine Augen an das ungewöhnliche Licht und beeindruckt stieß ich einen leisen Pfiff aus. Die Höhle war zu einem riesigen Trainingslager umgebaut worden. Ich entdeckte Puppen,Zielscheibe, Messer, Gewehre, Schlagstöcke und sogar Schwerter.Marina trat aus dem Schatten und zeigte auf eine einfache Matte in der Mitte der Höhle. „Na dann wollen wir mal!" sagte sie.

Als wir fertig waren, konnte ich mich keinen Zentimeter mehr bewegen. Marina hatte mich übel verprügelt. Danach Pietro. Ohne Elektrizität und irgendwelche Kenntnisse von Kampfsport war ich ihnen schutzlos ausgeliefert. Ihre Kommandos ergaben keinen Sinn und jedes Mal, wenn ich dachte etwas verstanden zu haben lag ich wieder auf dem Rücken.Nicht einmal die kleine Pause, in der ich endlich etwas essen durfte,brachte Entspannung. Denn die ganze Zeit bombardierte Wanda mich mit Fragen und kleinen Gegenständen, um mein Wissen und meine Reaktionsfähigkeit zu testen. Am Ende des Tages wankte ich zurück in mein Zimmer und schlief sofort ein.

Die nächsten Wochen verliefen ähnlich. Aufstehen,verprügelt werden, essen, schlafen.Zwischendurch bekam ich außerdem noch Unterricht im Umgang mit sämtlichen Waffen, die das HYDRA Arsenal zu bieten hatte und die keinerlei Strom benötigten. Durch meine verschärften Sinne lernte ich sehr schnell wie man einen Menschen am schnellsten tötet.Dadurch blieb mehr Zeit für das Kampftraining. Und mehr Zeit zum Nachdenken.



Manche Menschen sagen, dass Liebe das stärkste Gefühl ist. Wir sollten uns alle lieben, denn dann wird die Welt ein besserer Ort. Es gab eine Zeit,in der ich das auch geglaubt habe. Diese Zeit liegt allerdings soweit zurück, dass ich nicht mehr weiß, wieso. HYDRA hatte mich etwas anderes gelehrt. Wenn die Welt dunkel ist, wenn sie einen im Stich gelassen hat und wenn alle Hoffnung verloren ist, wenn alle Gefühle ausgelöscht sind, dann erkennt man, dass die Liebe nicht am stärksten ist. Hass ist es, was einen antreibt, zu Höchstleistungen zwingt und einem zu seinem wahren Ich führt. Denn wenn der Hass erst einmal da ist, nistet er sich tief in einem ein und lauert auf eine Möglichkeit, hervorzubrechen und die Kontrolle zu übernehmen.Obwohl sich dieses Bild so schlimm anhört, ist es doch eigentlich das Beste, was einem passieren kann. Hass kann so viel bewirken, wenn man ihn lässt. Ich war immer noch ich selbst, oder das, was davon übrig war. Nur meine Motive hatten sich geändert, meine Steuerung,mein Antrieb. Ich hatte niemanden mehr, den ich glücklich machen wollte, niemanden, der mich glücklich machen konnte. Ich strebte nicht mehr nach dem Glück, nach der einzig wahren, ewig währenden Liebe wie früher. Ich strebte nach Rache, Rache an dem, der mir alles genommen hatte. HYDRA gab mir mein Lebenselixier, gab mir etwas, dass sich nach Erfüllung anfühlte. Während ich Messer um Messer auf Puppen warf, die für mich alle wie Heinrich aussahen,während ich Schlag um Schlag einsteckte, während ich nachts die Decke anstarrte, während ich das Leben des einen, der noch eine Rolle spielte in Gedanken wieder und wieder beendete, während ich langsam aber sicher selbst zu einer der vielen Waffen, die durchmeine Hände gingen wurde, begann ich mich langsam am richtigen Ort zu fühlen.

Nach vier Wochen wollte Strucker das erste Mal Ergebnisse sehen. Unbewegt stand er in einer Ecke der Höhle, bewacht von lediglich einem kleinen Soldaten mit Maschinengewehr. Er schien sich hier sicher zu fühlen, wo es keinen Strom gab, mit dem ich ihn töten könnte. Ihm schien egal zu sein, dass ich inzwischen alle möglichen Waffen so weit beherrschte,dass ich ihn und seinen Soldaten locker hätte erledigen können.Wenn ich denn gewollt hätte. Ich mochte den Baron nicht, er war skrupellos, grausam und eiskalt. Aber von ihm hing alles ab, was mir jetzt noch wichtig sein könnte, und darum ließ ich ihn in Frieden.Seelenruhig demonstrierte ich meine Fähigkeiten im Messerwerfen und Schießen, die dem Baron ein anerkennendes Nicken entlockten,weswegen ich beinahe so etwas wie ein Lächeln zustande brachte. 

Nachdem ich auch meinen noch nicht besonders beeindruckenden Nahkampf demonstriert hatte, beriet er sich mit Marina. Unschlüssig stand ich in der Mitte der riesigen Höhle und fühlte mich plötzlich alleine. Strucker redete leise auf Marina ein und sie nickte wieder und wieder. Selbst sie schien großen Respekt, wenn nicht sogar ein wenig Angst vor dem Baron zu haben. Sie salutierte und der Baron verließ die Höhle. Mit einem unergründlichen Gesichtsausdruck kam Marina auf mich zu und nahm mich am Arm. „Komm."

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Ich lebe noch! Und die Geschichte geht weiter, auch wenn es diese ewig lange Pause gab, in der wahrscheinlich viele von euch diese Geschichte bereits aus ihren Bibliotheken entfernt haben...

Ich habe meine letzten Sommerferien in Ruhe genossen und werde dann demnächst mal mein Abitur machen... Komische Vorstellung...

Auf jeden Fall will ich aber diese Geschichte zu einem ordentlichen Ende bringen!

Also, auch wenn lange nichts kommt- solange nicht ENDE drunter steht, ist es noch nicht vorbei:)

Danke an alle, die dabei geblieben sind :)

LG, Sarah



Can't stopWhere stories live. Discover now