Kapitel 34

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End Up Here - Claire

Meghan Moore, Samstag, 23. Juli, London

»Wie war deine Kindheit denn so?«, fragte Zachary irgendwann und nahm die Tube Sonnencreme aus meiner Tasche, die ich heute Morgen eingepackt hatte. Er bedeutete mir, mich auf den Bauch zu legen, damit er sie in meinen Rücken massieren konnte. Ich, die mittlerweile das von Wasser durchtränkte Outfit gegen den sonnenblumengelben Bikini getauscht hatte, bekam mal wieder Herzrasen bei der Vorstellung, seine großen sanften Hände auf meiner Haut zu spüren. Und doch machte mich seine Frage nervös, denn ich hatte keinen Schimmer, was ich erzählen sollte. Meine Kindheit...nun, sie war bei weitem nicht so unangenehm gewesen wie Zachs, aber schön war sie auch nicht.

Also legte ich mich zunächst schweigend auf den Bauch und hörte, wie Zachary ein wenig Sonnencreme auf seine Hand quetschte und diese dann langsam auf meinen erhitzten Rücken zu verteilen begann. Es fühlte sich fantastisch an.

»Möchtest du nicht darüber reden?«, hakte er leise nach und öffnete den Verschluss meines Oberteils. Unwillkürlich schnappte ich nach Luft und lief rot an, während ich inbrünstig hoffte, es möge in den nächsten Minuten niemand vorbeikommen. Bis jetzt war es schließlich auch menschenleer geblieben.

»Ich...«, sagte ich unsicher und hielt inne. Dann gab ich mir einen Ruck. »Mein Dad war Politiker, ein ziemlich bekannter sogar, zumindest in Liverpool.« Zachary schwieg und arbeitete sorgfältig weiter. Er wollte mir zuhören und das machte mich glücklich. »Ich habe, ehrlich gesagt, nie viel von ihm zu sehen bekommen. Er war ständig beschäftigt und wenn er es einmal nicht war, amüsierte er sich lieber mit jungen Praktikantinnen oder den Frauen seiner Kollegen, als sich mit seiner Familie zu befassen. Ich weiß, dass meine Mom es anfangs nicht wahrhaben wollte und immer neue Ausreden erfand, warum er nicht nach Hause kam, aber irgendwann...« Ich stockte, als sich wieder einmal das abstoßende Bild in mein Gedächtnis schlich, das ich doch so gerne vergessen würde. Zachary massierte unentwegt tröstend meine Schultern. »Irgendwann erwischte ich ihn in Mom und Dads Schlafzimmer, die Beine einer Anderen auf seinen Schultern. Ich war fünfzehn, wenn ich mich nicht irre, und völlig von der Rolle, als ich in den Genuss dieser Akrobatik mit einer zehn Jahre jüngeren Brünetten kam. In seinem Alter ziemlich bewundernswert, wenn ich so darüber nachdenke...«, zischte ich zynisch und versuchte, mich ganz und gar auf Zacharys talentierten Hände zu konzentrieren, die nun auf meinem unteren Rücken lagen. »Na ja, er hat mich eine gute Stunde angefleht, Stillschweigen zu wahren, er hätte es ja nicht gewollt, es sei eine einmalige Sache gewesen, es würde niemals wieder vorkommen, aber ich konnte und wollte ihm den Gefallen nicht tun. Zuerst glaubte Mom mir natürlich nicht, was eindeutig an der Tatsache lag, dass sie grundsätzlich alles verdrängte, was ihren Ehemann in ein schlechtes Licht rücken könnte, aber mit jedem verstreichenden Tag leugnete sie es immer weniger, bis sie es gänzlich aufgab. Du kannst dir nicht vorstellen, wie verdammt stolz ich auf sie gewesen bin! Ich dachte, sie würde ihm endlich Paroli bieten, ihn zur Rede stellen und die Scheidung einreichen, aber sie...« Ich seufzte schwer, als ich an diesen enttäuschenden Moment zurückdachte.

»Sie hat nichts von alledem getan, richtig?«, vervollständigte Zach verständnisvoll. 

»Der Kandidat hat hundert Punkte«, erwiderte ich müde und schloss meine Augen. »Sie hat sich demütigen lassen, die ganze Zeit. Und auf öffentlichen Events hat sie gelächelt und von ihrem Mann geschwärmt. Diana und ich konnten es kaum fassen. Sie ist dann ziemlich früh ausgezogen, weil sie es leid war, ich folgte ihr kurze Zeit später. Danach lernte ich meinen Ex Dave kennen. Er half mir, mich wieder einigermaßen einzukriegen und nicht völlig durchzudrehen. Als Dad dann auf einmal starb, haben weder Diana noch ich Tränen vergossen. Nur Mom hat sich auf seiner Beerdigung die Augen aus dem Kopf geheult, ansonsten war er scheinbar ein sehr einsamer Mensch gewesen. Trotz unzähliger Affären und seinem hohen Status war er alles in allem ein totaler Versager. Ein Verlierer.« Auch jetzt verspürte ich höchstens Bedauern, weil er mir und Diana kein guter Vater gewesen war, sein überraschender Tod hingegen ging mir nicht besonders nahe.

»Was unsere Väter angeht, haben wir wohl beide die Arschkarte gezogen, was?«, merkte Zachary mit einem Lächeln in der Stimme an und schloss mein Bikini-Oberteil wieder.

Ich musste laut lachen. »Wahrscheinlich hast du recht.«

»Weißt du, was ich traurig finde?«, fragte er in die plötzlich entstandene Stille hinein. Ich hob den Kopf und musterte ihn. »Dass beinahe jeder Mensch eine solche Geschichte erzählen kann. Eine individuelle, das ist klar, aber die Basis ist die gleiche.« Ich lauschte seinen Ausführungen fasziniert. Es war wahnsinnig spannend, wenn er sich mir so öffnete.
»Immer geht es um zerstörte Familien, untreue oder gewalttätige Ehemänner, betrogene oder pedantische Frauen und einsame, unglückliche Kinder, die den Anforderungen ihrer Eltern nicht gerecht werden.« Er richtete seinen Blick auf den in der Sonne funkelnden See, der ruhig vor uns gegen den Strand plätscherte. 

Ich stützte mich auf die Ellbogen und schaute Zachary durchdringend an. Seine Offenbarung, der Blick hinter seine teils arrogante und selbstsichere Fassade, hatte mir wortwörtlich den Atem geraubt. »Du wirst einmal ein wunderbarer Vater«, entschlüpfte es mir. Ich bereute sofort, dass ich das gesagt hatte, den Zach schien nicht gerade an der Gründung einer Familie interessiert zu sein. So erschien es mir jedenfalls. 

Aber im nächsten Moment beugte er sich schon über mich und küsste zärtlich meinen Nacken. Ein prickelnder Schauer lief mir über den Rücken. »Das ist das schönste Kompliment, das du mir hättest machen können«, hauchte er mir ins Ohr.

-

Einen Schwimmwettkampf im See und einen langen Spaziergang später, waren Zachary und ich wieder angezogen auf seinem Motorrad über asphaltierte Straßen unterwegs. Die Landschaft außerhalb der Hauptstadt war ausgesprochen schön, wir passierten dichte Wälder und endlose Weiden, die völlig verlassen dalagen. Vermutlich konnte man Nutztiere bei einer solchen Hitze nicht aus den Ställen lassen.

Ich genoss den frischen Wind, der an meinem Haar zerrte und hielt mich über beide Ohren strahlend an Zachary fest. Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wann ich zum letzten Mal dermaßen glücklich gewesen war.

Ab und an kam uns ein Auto entgegen, aber das war auch schon alles. Von dem geschäftigen Treiben, das es in der Innenstadt im Übermaß gab, war hier nichts zu sehen. Ich genoss diese wilde Freiheit, die das Adrenalin durch meine Adern jagte, mit jeder Faser meines hibbeligen Körpers.

»Fährst du mich nach Hause?«, brüllte ich Zach über den Fahrtwind hinweg zu, worauf er lachend den Kopf schüttelte.
»Noch lange nicht!«

Was das bedeuten sollte, war mir schleierhaft, aber die Aussicht auf weitere intime Augenblicke mit Zachary Cole ließ mich vor Freude beinahe hyperventilieren. 

-

Wenn man einen Ohrwurm von Shooting Stars hat, oh je. 

Tö-tö-tö-tö-tö-tö!

Carpe diem, Freunde. 

Mel xxx

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