2. Messerkampf

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Ich war nun an der Wand des Gebäudes gelehnt und starrte den klaren Sonnenuntergang an. Die Therapiestunde war Alles andere als bereichernd, es fühlte sich einfach an wie eine arg lange Tortur.

Meine Mutter hatte mir davor geschrieben ich solle sie anrufen, wenn die Stunde beendet war, damit sie mich abholen konnte und ich dann zu Hause ein "ernstes Wörtchen" mit meinem Vater reden durfte. Dies war reiner Kuhmist.
Sie wusste ganz genau, dass mein Vater kein großer Mann der Worte war, er benutzte lieber Etwas anderes und nur über meine eigene Leiche tue ich mir das heute noch an. Ich hatte genug von Allem, schlichtweg genug.

Ein Pfeifen ertönte und mein Blick wand sich zum Geräusch.
Es war Light der am Steuer eines alten Pickup Trucks saß, der bloß ein paar Meter von meiner Wenigkeit entfernd stand. Danielle, Victor und Ethan befanden sich im hinteren Teil, welcher mit Decken und Kissen beschmückt war.

"Mein rechter, rechter Platz ist frei", sang er mich kindlich aus dem Fenster aus an, "Und ich wünsche mir das angepisste Wölkchen herbei!"

Ich trat näher: "Wie kommst du auf angepisst?"

"Ich seh's an deinem Blick, du bist vollkommen am Ende, huh? Falls du magst, kannst du mit uns an den Strand fahren. Wir machen, wie immer nach der Folterstunde, ein Lagerfeuer, betrinken uns und reden über Gott und die Welt!", erzählte der Schwarzhaarige mir locker. Ethan's einzelnes Jubeln war zu hören.

Entweder ich würde Zeit mit diesem bunten Haufen verbringen und villeicht sogar Freundschaften schließen oder ich würde weiter hier herum lungern bis ich schließlich meine Mutter anrufen würde und danach meinen Vater konfrontieren müsste. 

"Ich bin dabei.", platzte es entschlossen aus meinem Mund. Wich ich somit etwa meinen Problemen aus?

Light schenkte mir ein charmantes, schiefes Lächeln, wobei mir seine abnormal tiefen Grübchen auffielen. Er war attraktiv, sehr sogar.

Nachdem ich mich aus meinen Gedanken gerissen hatte, ging ich zur anderen Seite des Autos und stieg auf den Beifahrersitz.

Gekonnt fuhr Light aus dem Parkplatz, dabei wollte er wissen: "Ich bringe die Drei etwas spät nach Hause, wie schaut's bei dir aus?"

Ein Seufzten konnte ich nicht unterdrücken und Light schien die Übersetztung schon zu kennen.

"Stress mit den Erzeugern.", deutete er, es war nicht mal eine Frage.

Ich nickte sanft, meine Augen klebten auf meinem Schoß.

"Wir reden gleich darüber, mit einwenig Alkoholintus klappt's.", seine Hand fand die Anlage, "Ich hoffe doch du magst Rock, Wölkchen."

Daraufhin ertönte fantastische Musik und ich vergass zu beichten, dass ich noch nie in meinem ganzen Leben auch nur einen einzigen Tropfen Alkohol geschmeckt hatte.
Ich genoß einfach die warme Luft und atemberaubende Aussicht der Küste bei Sonnenuntergang. Mit den Ohren lauschte ich neben der Musik auch Ethan's Selbstgesprächen und Viktor's Summen. Es war außerordendtlich entspannend.

Dies war meine langersehnte Freiheit und ich empfand eine starke Dankbarkeit Light gegenüber, er war sehr verständnissvoll und akzeptierend. Mich Heute einfach mitzunehmen half mir deutlich aus.

Vorsichtig wand sich mein Blick zu dem Jungen links von mir.
Er hatte Etwas unbescheibliches an sich, was definitiv meine Interesse geweckt hatte.

Die Zeit verging, wir kamen am leeren Strand an und Light entfachte ein wunderbares Feuer.

Nun war die Sonne schon verschwunden, Danielle und Viktor saßen zusammen am Feuer, sein Arm fest um ihre zierliche Schultern und manchmal trafen sich sogar ihre Lippen, während Ethan, Light und ich uns auf dem Hinterteil des Trucks gemütlich gemacht haben und die Bierflaschen leer tranken.
Die Beiden waren dabei deutlich schneller als ich, mein Gesicht verzog sich immernoch bei jedem Schluck, nichts desto trotz hatte ich enormen Spaß.
Light und Ethan waren wirklich zum schießen listig, doch auch ziehmlich idiotisch.

"Messerkampf!", rief Ethan lauthals.

Light grinste selbstgefällig: "Bist du dir dabei ganz sicher?"

Der Braunhaarige sprang auf: "Ja, Ja, Ja!"

"Na gut.", Light stand ebenfalls auf, nachdem er ein Taschenmesser und ein Küchenmesser hinter einem Kissen hervor holte.

"Ist das nicht zu gefährlich?", meinte ich besorgt, blieb jedoch sitzen, "Ihr seid schließlich angetrunken."

"Ach, das machen die immer.", gab Viktor gleichgültig von sich.

"Habt ihr wenigstens 'nen Verbandskasten oder so?", hinterfragte ich.

Danielle erklärte mir dann: "Die wollen diesen Schmerz spühren, das Blut riechen, das ist der Kick."

Ich zuckte zusammen als das Klirren der Messer das Gespräch achtlos unterbach.

"Stirb!!!", brüllte Ethan nicht gerade aggressiv, eher aufgeregt.

Light lachte bloß, dabei sah er so sorglos aus, dazu erhellte die Helligkeit der Flammen seine Haut und brachte ihn regelrecht zum leuchten.

Nach einigen Treffern hörten sie endlich auf.
Ethan setzte sich gegenüber von mir, kichernd musterte er seine blutigen Hände.

"Ihr seid verrückt.", murmelte ich.

"Ach, Cloud, wer ist es nicht?!", sprach Light gereizt, seine Hände tropften schon aber das machte ihn nichts aus. Immernoch im Stehen tunkte der Junge seinen Zeigefinger in das Blut auf seinem Handrücken und malte damit zwei Striche auf seine jeweiligen Wangen.

"Ethan kämpft verdammt nochmal gegen Monster, Danielle und Vik gegen die Natur und du gegen dich selbst! Im Kampf bleibt kein Platz für Verstand, das ist nutzlos!", Light's dunkle Augen bohrten sich in meine Seele und starteten einen emotionalen Sturm, welcher regelrecht mit seinen Worten tanzte, "Wahnsinn ist das was du brauchst, um zu gewinnen!"

Light redete mit einer umwerfenden Stärke und ich verstand alles was aus seinen Lippen kullerte, ich verstand. Das Bedürfniss ihn in den Arm zu nehmen wuchs mit jedem meiner und seiner synchronen Atemzüge.

Er kniete sich hin, eine Pose des Niederschlags: "Und du gehörst du uns."

"Wer genau sein ihr?", fragte ich kleinlaut.

Sein leichtes Lächeln raubte mir mit einem Schlag den Verstand, dann stellte er mir meine neue Familie vor: "Wir sind die Problemkinder! Die Enttäuschungen aller Eltern. Der Alptraum jener Lehrer. Der verdammte Abschaum der Menschheit. Nichts und Niemand kann uns retten und weist du was? Wir wollen auch gar nicht gerettet werden."

Systemfehler || boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt