"Erwin, gib mir Eren zurück! Du weisst nicht, wie man ihn haltet. Wenn er anfängt zu schreien, kann ich ihn nicht beruhigen.", rief ich nervös und streckte meine Hände nach ihm aus, welche aber weggeschlagen wurden.

"Ich weiss sehr wohl, wie man ein Baby haltet, Levi.", zischte Erwin und drehte sich ein wenig von mir weg. Eren hatte aufgehört zu trinken und sah stattdessen Erwin mit riesigen Augen an. Ich hasste es zu sagen, dass sein Blick interessiert und nicht ängstlich war. "Sag mir zuerst, was es mit diesem Kind auf sich hat."

Nach mehreren gescheiterten Versuchen, Eren zurückzurrlangen, gab ich wütend auf. 
"Es ist nichts. Nichts, was Eren betrifft."

Erwin kniff die Augen zusammen.
"Ich kenne dich schon seitdem du 12 warst. Mich kannst du nicht verarschen, Levi."

Zuvor hatte ich einen anderen Lehrer. Steinalt. Er war grimmig. Grimmiger als ich. Ich liess ihn eines Tages nicht mehr rein und suchte mir übers Internet einen neuen, jüngeren Klavierlehrer. Erwin, der damals 21 war, schien mir perfekt.

"Verflucht, Erwin! Gib mir Eren zurü-"

"Was ist dir wichtiger? Das Klavier oder Eren?"

Ich weitete meine Augen und war absolut baff.
Wie konnte er so etwas fragen?
Wütend konnte ich aber nicht werden, denn Erwin's Blick sprach Bänder.

"I-Ich.. also.. uhm-"

"Deine mangelfe Konzentration ihm zu verdanken.", stellte er fest und deutete dabei mit einem Blick auf Eren. "Hätte ich dir eine ähnliche Frage gestellt bevor du ihn kanntest, wäre die Antwort immer das Klavier gewesen. Immer! Doch jetzt, da Eren da jetzt ist, bist du plötzlich unsicher. Was hat das zu bedeuten, Levi?"

"Er hat es rausgefunden", dachte ich.

Er hatte recht.
Hätte er mich früher gefragt, ob mir das Klavier oder mein Leben wichtiger wäre, hätte ich das Klavier gesagt. Ich assoziierte das Klavier mit meiner Mutter und meine Mutter ist, oder war, mein Ein und Alles.

Doch seit ich mich an Eren erinnern kann, änderte sich das. Natürlich liebe ich meine Mutter mit allem was ich hatte, aber-
Aber Eren warf alles über den Haufen.

Von einem Schlag auf den anderen gab es nicht nur meine Mutter. Plötzlich war da auch noch dieser Junge.

Dieser wundersame Junge, den ich kannte, mir aber trotzdem so fremd ist.

Dieser Junge.

"Was hat das zu bedeuten, Levi?", wiederholte Erwin seine Frage, als ich stumm blieb.

Ich zog tief die Luft ein, überlegend, ob ich es ihm wirklich sagen wollte. Ob es irgendwelche Vorteile darin gab, ihn in mein Geheimnis einzuweihen.

Ich liess die angehaltene Luft raus und schloss die Augen für einen Moment.

"Schön, ich erzähle es dir. Aber bitte gib mir zuerst Eren zurück."

"Na gut.", sagte Erwin wenig überzeugt, überreichte mir aber trotzdem den Junger, welcher kein Hunger mehr zu haben schien.

Ich nahm ihn vorsichtig auf den Arm und strich ihm die Milch von den Lippen weg, genervt von der Tatsache, dass er von Erwin nicht absah.

"Glaubst du an Übernatürliches?", fragte ich Erwin und bekam dafür einen abschätzenden Blick mit einer erhobenen Augenbraue.

"Willst du mir sagen, dass er irgendwie ein Alien ist oder so?", spasste er und warf wieder einen Blick auf Eren.

"Nicht ganz.", gab ich zu. "Es ist ziemlich kompliziert. Und ich würde es verstehen, wenn du mich dafür verurteilst."

"Mach es nicht so spannend, Levi. Sag doch endlich, was los ist.", sagte er ungeduldig.

Another Life || ereriWo Geschichten leben. Entdecke jetzt