4. Kapitel

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Liam

Ich stand an ihrem Bett und betrachtete sie beim Schlafen. In wenigen Minuten musste ich zur Arbeit aufbrechen, aber ich ließ es mir nicht nehmen sie davor noch zu sehen, auch wenn sie davon nichts mitbekam. Seitdem ich wusste dass sie nicht meine Schwester war ist es schlimmer geworden. Meine Gefühle für sie. Ich konnte sie immer schlechter unterdrücken, jetzt wo es keinen Grund mehr dazu gab. Außer den Willen der Gesellschaft.
Mir war die Gesellschaft jedoch egal. Wenn es mir hierbei nur um mich selbst gehen würde, hätte ich Elena schon lange meine Gefühle gestanden. Doch meine Gefühle für sie könnten Elena in Schwierigkeiten bringen. Es war uns strickt untersagt eine Beziehung zu jemand anderen als unserem vorgeschrieben Partner zu haben. Solch eine Beziehung konnte verheerende Folgen für uns haben. Um nichts in der Welt wollte ich Elena in Gefahr bringen. Ich hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn und verließ das Haus.

Unsere Gesellschaft war in Sektoren eingeteilt. Jeder dieser Sektoren hatte bestimmte Leistungen an die Gesellschaft zu erbringen, deshalb gab es vorgeschriebene Berufe für die Sektoren. Wir lebten in Sektor 7, einer der äußeren. Die Männer in unserem Sektor mussten alle Stahlbauer werden und die Frauen mussten Getreide anbauen. Etwas anderes konnte man nicht werden. Die Kindern wurde von klein auf so erzogen. Es gab hier keine andere Perspektive. So wollte es das System.

Ich versuchte mich so gut es ging auf meine Arbeit im Stahlwerk zu konzentrieren, aber ich konnte nur an Elena denken.
Morgen hatte sie schon ihren Abschlussball.

Als ich endlich fertig mit meiner Arbeit fuhr ich nach Hause und lief den Steinweg zu unserem Haus entlang. Ich hing meinen Gedanken nach bis ich vor unserem Haus stand.
Als ich den Blick hob sah ich Melanie auf der Marmortreppe vor unserem Haus sitzen.
"Da bist du ja endlich", sagte sie strahlend und stand auf. "Was machst du denn hier?", fragte ich überrascht. Sie fiel mir um den Hals und ich strich ihr sanft über den Rücken.
"Du hast mir so schrecklich gefehlt und du warst gestern Abend so komisch, da habe ich mir Sorgen gemacht", sagte sie an meinem Ohr. Ich schob sie ein Stück zurück, so dass ich sie ansehen konnte. "Tut mir leid. Aber du brauchst dir keine Sorgen machen", sagte ich mit ruhiger Stimme. Ein Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab und sie sah in meine Augen.
Als sie mich sanft küsste, erwiderte ich den Kuss. Aber ich fühlte nichts. Ich musste mich an die Regeln halten, wenn ich Elena nicht in Gefahr bringen wollte.

Da hörte ich wie sich die Haustür öffnete.
Ich löste mich von Melanie und sah in Elenas Augen.
Sie stand im Türrahmen und sah von mir zu Melanie. "Entschuldigung, ich wollte euch nicht stören", sagte sie. Schmerz lag in ihrem Blick. Ohne ein weiteres Wort ging sie an uns vorbei und lief die Straße entlang. Ich sah ihr hinterher und biss mir auf die Unterlippe.
Da legte Melanie ihre Hand an meine Wange und schob mein Gesicht in ihre Richtung. "Hier bin ich", sagte sie lächelnd und küsste mich erneut. Doch ich schob sie von mir. "Ich sollte jetzt gehen..ich hole dich morgen von den Feldern ab", sagte ich schnell und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.

Ich ließ sie stehen und rannte die Straße entlang. Ich war erleichtert als ich ihre Gestalt in der Ferne ausmachen konnte. Als ich nur noch wenige Meter von ihr entfernt war lief ich langsamer. Ich legte meine Arme von hinten um Elena und brachte sie somit dazu stehen zu bleiben. Sie drehte sich zu mir um und sah mir in die Augen. "Musste Melanie schon weg?", fragte sie verwundert. "Nein..wir treffen uns morgen. Wo willst du denn hin?", fragte ich und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Meine Arme lagen noch immer um sie und ihre Hand ruhte an meinem Nacken. "Ich muss mein Kleid für den Abschlussball abholen", erklärte sie. "Dann begleite ich dich"

Als wir zu Hause ankamen wollte Elena unbedingt ihr Kleid anprobieren. Sie ging mit dem Paket ins Bad. Ich aß schnell meine Portion Haferbrei zum Abendessen, setzte mich auf die Couch und wartete auf sie. Da öffnete sich die Badtür und Elena kam heraus. Ihr Anblick verschlug mir den Atem.

Das Kleid war champagnerfarben und bodenlang. Es war trägerlos und das herzförmige Oberteil war mit Silberpartikeln besetzt. An der Taille verlief ein Band mit größeren Silberstücken. Danach ging der Stoff in den leichten, fließenden Rock über der oben ebenfalls mit Silberpartikeln besetzt war.

Das Kleid war ihr wie auf den Körper geschnitten. Sie drehte sich einmal um ihre eigene Achse und sah mich dann lächelnd an. "Es steht dir wirklich gut. Du siehst sehr hübsch aus", sagte ich lächelnd.

Später am Abend als unsere Mutter schon schlafen gegangen war, saßen wir gemeinsam auf der Couch und sahen die neusten Nachrichten.
Elena hatte sich an mich gekuschelt und ihren Kopf auf meine Brust gelegt. Ich hatte meine Arme um sie gelegt und atmete ihren vertrauten Geruch ein.
In diesem Moment fasste ich eine Entscheidung die schwere Folgen für mein weiteres Leben haben sollte.

Die BestimmungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt