1. Kapitel

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Mein 16. Geburtstag.
Der Tag vor dem ich mich seit 5 Jahren fürchtete. Unaufhaltsam war dieser Tag immer näher gekommen und nun war er da. Der 31. Dezember 2112. Der Tag welcher über meine Zukunft entscheiden würde.

Als ich aufstand und meinen Zeigefinger von den Sensoren an der Tür scannen ließ, fühlte es sich an wie ein ganz normaler Tag.
Durch das Scannen unseres Fingerabdrucks erfährt die Gesellschaft immer und überall wo wir uns aufhalten. Jeden Schritt den wir gehen wird so überwacht.
Alles in unserem Leben dreht sich um den Fingerabdruck. Durch das Scannen werden all unsere Daten abgerufen. Unser Name, Geburtsdatum, Arbeitsplatz, Aufenthaltsort, Wohnort, Kontostand..Eine endlose Liste.

Beim Scannen des Zeigefingers warf der Sensor eine Computeranzeige der Informationen in die Luft. Mein Blick fiel nur kurz auf die Anzeige dann nahm ich meinen Finger wieder vom Sensor, dadurch wurde automatisch die Tür geöffnet. Ich ging in die Küche und nahm die Essenslieferung entgegen. Wie jeden Tag gab es Haferbrei. Schnell aß ich meine Portion und ging dann ins Bad.

Nachdem ich mich geduscht hatte betrachtete ich mich im Spiegel. Meine braunen Locken fielen mir über die Schultern und passten zu meinen braunen Augen. Da klingelte es an der Tür.
Schnell zog ich mir etwas über und ging zur Haustür.
Der Postbote lächelte mich freundlich an und überreichte mir, nach dem Scannen meines Fingers ein Paket.
"Alles Gute zu ihrem Geburtstag. Ich wünsche ihnen einen schönen Abend in dem Kleid. Bitte geben sie es im Laufe der nächsten Woche wieder ab", sagte er freundlich. Ich bedankte mich und nahm das Paket entgegen.

Schnell ging ich zurück ins Haus und öffnete das Paket. Vorsichtig nahm ich mein Kleid heraus.

Uns ist es untersagt andere Sachen zu tragen als die uns vorgeschriebene. Nur zu besonderen Anlässen dürfen wir andere Kleidung tragen. Dies war der erste Anlass an dem ich etwas anderes als meine Schuluniform tragen durfte.
Auch wenn die Gesellschaft auch dieses Kleid für mich ausgewählt hatte, war es etwas besonderes. Niemand würde heute Abend dieses Kleid tragen außer mir.

Mein Kleid war trägerlos. Das Oberteil war in einer Herzform und dessen schwarzer Stoff sah aus als würde er von einem dünnen silbernen Frostmantel umhüllt. Die dünnen silbernen Verzierungen bildeten ein Eisblumenmuster.
Unter der Brust verlief ein dünnes schwarzes Band. Darunter ging der Stoff in einen goldenen über.
Der goldene Stoff setzte sich in dem wallenden Rock fort, jedoch glitzerte er dort leicht und war von einem durchsichtigen schwarzen Stoff umhüllt der am Boden silberne Verzierungen hatte.

Am Abend durfte ich das Kleid endlich anprobieren.
Ich trat vor den großen Spiegel im Bad. Das Kleid war bodenlang und passte perfekt. Meine hohen schwarzen Schuhe konnte man unter dem Rock kaum erkennen.
Ich deckte meine leichten Augenringe etwas ab, zog mir einen Lidstrich und nahm etwas Mascara.
Meine Haare legte ich auf eine Seite.

Da hörte ich wie sich die Tür öffnete und meine Mutter ins Haus trat. Sie kam zu mir ins Bad und betrachtete mich.
Ihr trauriger Blick wich kurz einem Lächeln. "Hübsch", sagte sie und verschwand dann wieder.
Hinter ihr tauchte mein Bruder Liam auf. Als er mich sah blieb er sofort im Türrahmen stehen. Seine dunklen kurzen Locken waren leicht verwuschelt und seine blauen Augen strahlten mich an. Ein Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. "Du siehst wunderschön aus", sagte er und drückte mir einen Kuss auf die Wange.
Mein Herz begann zu rasen. Schnell setzte ich ein Lächeln auf und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Diese Gefühle durfte ich für ihn nicht haben.

Als wir vor dem riesigen altertümlichen Gebäude stand in dem der Ball stattfand wurde ich langsam nervös.

Der Ball des 16. Geburtstages. Jeder Mensch in unserer Gesellschaft der in diesem Jahre 16 geworden war würde heute zu diesem Ball gehen.
Ich hatte das Glück dass der Ball direkt auf meinen Geburtstag fiel.

Der Ball begann traditionell mit einem Eröffnungstanz, bei dem die Töchter jeweils mit ihren Vätern und die Söhne mit ihren Müttern tanzten.
Das Ende des Abends war der Höhepunkt. Der Abschlusstanz.
Bei diesem letzten Tanz wählen die Jungen ihre zukünftige Frau aus. Der letzte Tanz entscheidet über den Rest unseres Lebens.
Derjenige mit dem wir diesen Tanz ausführen wird unser zukünftiger Partner.

Gemeinsam mit meiner Mutter und Liam traten wir in den großen Ballsaal. Er war prachtvoll geschmückt und mit einer wunderschönen Tanzfläche ausgestattet.
Nach einem Empfangsgetränk machten sich alle für den Eröffnungstanz bereit.

Brav stellten sich alle in zwei Reihen auf.
Auf der einen Seite die sechzehnjährigen und ihnen gegenüber das jeweilige Elternteil. Nur ich stand alleine in der Reihe, ohne einen Tanzpartner.
Mein Vater starb bei einem schrecklichen Unfall im Stahlwerk. Genaueres verschwieg uns die Gesellschaft seit Jahren.

Kurz bevor die Musik einsetzte trat Liam mir gegenüber.
Er musste mit den Schutzmännern geredet haben und durfte am heutigen Abend den Platz meines Vaters einnehmen.

Als die Musik begann hielt er mir seine Hand hin und ich legte meine in seine. Er verschränkte seine Finger mit meinen und legte seinen anderen Arm um meine Hüfte. Bei seiner Berührung durchfuhr mich eine wohltuende Wärme. Ich legte meine Hand auf seine Schulter und er begann mich zu führen.

Es war ein langsamer Tanz und Liam war mir so nah dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte. Seine Augen ruhten auf meinen und ich musste mich sehr konzentrieren um die richtigen Schritte des Tanzes beizubehalten.
Als das Lied verklungen war löste er unsere Hände voneinander. Jedoch seinen Arm hatte er noch immer um mich gelegt.
Die Stimme des Präsidenten erklärte den Ball für eröffnet.
Alle Familienangehörigen mussten nun den Saal verlassen. Liam drückte mir einen Kuss auf die Stirn und verließ den Saal ohne ein weiteres Wort.

Beim Ball lag es bei den Jungen ihre Tanzpartnerin zu wählen. Es erstaunte mich wie viele Jungen mich zum Tanz aufforderten und so verging der Abend sehr schnell. Ich zuckte zusammen als wieder die Stimme des Präsidenten erklang und den Abschlusstanz ankündigte. "Wählt gewissenhaft"

Ich sah zu den großen Flügeltüren durch die Liam vorhin den Saal verlassen hatte. Aber er würde nicht wiederkommen.
Er hatte seine Partnerin schon vor zwei Jahren bei seinem Ball gewählt.

Als ich mich wieder umdrehte stand ein Junge vor mir. Er hatte mich an diesem Abend schon mehrmals zum Tanz aufgefordert. Sein Name war Ian und er hatte braune Haare und Augen. "Darf ich um diesen Tanz bitten?", fragte er lächelnd und hielt mir seine Hand hin.
Als ich meine Hand in seine legte war mein Schicksal besiegelt. Die Endgültigkeit dieses Moments schmerzte.
Ich würde Ian heiraten.

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