Kapitel 4

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Die ersten Stunden waren ohne weitere Zwischenfälle vergangen. Langweilig wie immer. Jack sah immer wieder zu Sky und grübelte darüber nach, was dort im Gang passiert war. Es war eine unglaubliche Macht zu spüren gewesen.
Er schüttelte den Kopf um sich wieder auf den Unterricht zu konzentrieren, als plötzlich eine kleine Papierkugel auf seinem Tisch landete. Er sah sich kurz um und konnte erkennen, dass die Kugel von John gekommen war. Daher wehte also der Wind. Schnell faltete Jack den Zettel auseinander. 'Das mit dem Bowling heute Abend im Luve's geht klar?', stand krakelig auf dem Fetzen Papier. Jack verdrehte die Augen. Daran hatte er nicht mehr gedacht. Das mit der Sport-Nachhilfe würde also nichts werden. Die Jungs hatten zu erst gefragt und Laurell würde bei Sky auch ohne ihn sicher sein. Schnell schrieb er, dass alles klar ging und sie darüber in der Pause quatschen könnten, dann warf er den Zettel zurück zu John und konzentriert sich wieder auf den Geschichtsunterricht.
Als es zum Ende der Stunde klingelte packt er seine Sachen und sah sich nach Laurell um. Sie sah gerade zu ihm herüber und er gab ihr schnell ein Handzeichen, dass er mit ihr reden musste. Laurell nickte und wartet bis die meisten Schüler aus dem Raum gegangen waren. "Was ist los?", fragte sie und sah ihren Bruder neugierig an. "Ich habe voll vergessen, dass ich gar keine Zeit habe mit zu der Nachhilfe zu kommen. Ich wollte doch mit den Jungs zum Bowlen.", erklärte er und sah sie reumütig an. Laurell fing an zu lachen. "Ist schon ok. Ich schaffe das auch alleine. Guck nicht so als hättest du mir damit meinen Tag versaut.", erwiderte sie und Jack stimmte in das Lachen mit ein. "Komm lass uns Sky suchen.", meinte Jack. "Was für ein Fach haben wir jetzt eigentlich?", fragte Laurell und sah ihren Bruder erwartungsvoll an. "Ich glaube Deutsch, in Raum 004.", antwortete er unsicher. Sie nickte und guckte wieder auf den Boden. "Ich muss nochmal schnell auf die Toilette. Wartest du kurz?", fragte er und Laurell nickte. Unsicher stellte sie sich an die Wand neben dem Eingang der Toilette.
"Na, wen haben wir denn da?", rief plötzlich jemand durch den Gang. Es war Rick, der langsam auf Laurell zu lief. Sie drückte sich an die Wand und versuchte ihre Angst zu lindern, aber ihre Knie fingen trotzdem an weich zu werden und zu zittern. "Hast du etwa Schiss?", lachte Rick höhnisch und Laurell schüttelte ängstlich den Kopf. "Das solltest du aber.", knurrte Rick und trat noch einen Schritt näher auf Laurell zu. Sie schluchzte auf und er lachte. Als die Luft im Gang erneut zu flirren begann, wusste jeder wer sich gerade hinter Rick aufbaute. Sein Gesichtsausdruck änderte sich von höhnisch in etwas, was tatsächlich aussah wie Angst, denn er wusste, dass Sky ihn vorgewarnt hatte aufzuhören, er es nicht getan hatte und sogar noch ihren Schützling angegriffen hatte. Das würde Ärger geben. Das flirren der Luft nahm immer mehr zu und es schien fast so, als würden sich Skys Haare in einem leichten Windhauch bewegen. In dem Moment trat auch Jack auf den Flur und sah verwirrt umher. "Ich habe gesagt du sollst das lassen.", knurrte Sky und trat auf Rick zu. "Ich habe dich gewarnt, aber du wolltest nicht hören.", redete sie weiter ohne auf die Schüler zu achten, die inzwischen eine Traube um sie gebildet hatten. "Ich habe auch gesagt, dass ich mir von dir nichts sagen lasse.", erwiderte Rick und versuchte dabei aggressiv und stark zu klingen, aber seine Stimme war gepresst und quietschig. Sky machte noch einen Schritt auf ihn zu und sah ihn mit stechenden Augen an, dann hobt sie die Hand und legte sie an seine Schläfe.  Ihre Augen schienen zu glühen und Ricks Augen weiteten sich. Als sie von ihm abließ und das Gefühl der Macht aus dem Gang langsam verschwand riss Rick sich los und rannte weg. Sky schüttelte den Kopf um ihn frei zu kriegen und drehte sich zu Laurell um. "Alles ok?", fragte Sky und Laurell nickte nur. Sky nahm sie an der Hand und zog sie durch die Masse an Schülern, welche Sky mit verblüfften oder ängstlichen Gesichtern anschauten, zum nächsten Unterrichtsraum. Laurell ließ sich neben Sky auf den Stuhl fallen und vergrub den Kopf in ihren Händen. Jack nahm sie in den Arm und sah dabei zu Sky. Sie sah aus dem Fenster und hatte ihre Hände in ihren Schoss gelegt. Als Jack genauer hinsah konnte er erkennen, dass ihre Hände leicht zitterten. Urplötzlich drehte sie sich zu ihm um und Jack musste sich zusammenreißen um nicht zu zucken. "Ich lasse die letzten beiden Stunden ausfallen und gehe schon nach Hause.", sagte sie knapp, stand auf und schulterte ihre Tasche. "Ich schreibe dir, wann du bei mir sein sollst.", sagte sie noch an Laurell gewandt und klopfte ihr leicht auf die Schulter. Laurell nickte und schon war Sky aus der Tür verschwunden.
"Weißt du warum sie gegangen ist?", fragte Laurell leicht verwundert. "Ich glaube es ging ihr nach der Aktion eben nicht so gut.", antwortete Jack und strich über Laurells Haare. "Sie ist eine gute Freundin für dich und es freut mich sehr, dass sie dich sofort beschützt hat, ohne Wenn und Aber.", erklärte Jack liebevoll. "Ja, ich fühle mich auch sehr geborgen bei ihr, aber ich bin mir nicht sicher ob das mit dem Sport machen jetzt so eine gute Idee ist, wenn es ihr schlecht geht.", erwiderte Laurell und setzte sich auf, da gerade der Lehrer herein gestapft war. Jack nickte zustimmend. "Du kannst ihr ja nachher schreiben.", schlug er vor, dann begann der Unterricht.
Als es zum Schulende klingelte seufzt Laurell erleichtert auf. "Eigentlich sollte der letzte Klingelton ein viel schönerer sein. Ein schönes Zeichen zum Schulschluss.", meinte Laurell und Jack lachte leise auf. "Es haben aber nicht alle zur gleichen Zeit Schulschluss. Die Umsetzung dürfte also schwierig werden." erwiderte Jack grinsend. "Warum musst du immer Recht haben?", fragte Laurell beleidigt und schlug ihm leicht gegen die Schulter. "Weil es stimmt, aber deine Idee klingt sehr schön. Man müsste jetzt nur über einen Lösungsweg nachdenken.", verteidigte sich Jack und stupst Laurell lachend an.
Als sie im Bus saßen erhielt Laurell eine Nachricht. "Von Sky?", fragte Jack lächelnd. "Jap.", erwiderte Laurell grinsend. 
Nach einigen Minuten brach Jack das Schweigen. "Was stand eigentlich in der Nachricht?", fragte er Laurell. "Dass ich um 15 Uhr bei ihr sein soll.", antwortete sie. "Super, dann hast du ja noch viel Zeit. Dann können wir ja auch noch etwas essen.", freute sich Jack. "Muss das sein?", fragte Laurell genervt. "Ja. Du wirst viel Sport machen, also werden wir etwas essen.", erwiderte Jack und der Ton in seiner Stimme ließ Laurell wissen, dass es dabei auch keine Widerworte gab. "Weißt du schon, wie du zu Sky kommst?", fragte Jack, damit kein Schweigen entstehen konnte. "Weißt du schon, wie du zum Bowling kommst?", entgegnete Laurell zuckersüß. Jack lachte laut auf. "Nein, aber ich habe noch mehr Zeit als du.", sagte er und Laurell zuckt mit den Achseln. "Ich gucke, wenn ich zu Hause bin. Ich werde schon nicht mehr als 20 Minuten fahren müssen.", sagte sie, dann mussten sie aussteigen. Nachdem sie in das Haus getreten waren,  gingen beide in die Küche. Ihre Eltern waren noch nicht wieder zu Hause. Jack begann etwas kleines zu kochen und Laurell setzte sich mit ihrem Laptop an den Küchentisch, um eine Busverbindung zu Sky heraus zu suchen. "Ich brauche tatsächlich nur 15 Minuten mit dem Bus. Er kommt um 14:40 Uhr.", sagte sie nach kurzer Zeit. "Das ist doch schön, dann kannst du dich entspannen.", meinte Jack erfreut und widmete sich wieder dem Essen. Er war ein ausgesprochen guter Koch. Laurell stand auf und schnappte sich den zugeklappten Laptop. "Ich bin mal oben mir eine Tasche packen, damit ich nachher nicht verschwitzt bin. Ich kann mich bei Sky sicher umziehen.", sagte Laurell und schlendert in ihr Zimmer, nachdem ihr Bruder zustimmend gebrummt hatte.
Als sie fertig war, schnell das Essen ihres Bruders gegessen und sich bei ihm bedankt hatte, lief sie zu der Bushaltestelle. Kurze Zeit später hielt vor ihr auch schon zischend der alte Bus. Sie schlüpfte hinein und sah sich um. Es gab keinen freien Platz mehr, also blieb sie stehen. Kurz sah sie noch einmal auf das Blatt, auf dem sie sich die Verbindung aufgeschrieben hatte. Insgesamt 6 Haltestellen sollte sie fahren, bis zur Waldstraße. Und dann immer gerade aus laufen, bis zum Haus Nummer 1.  Als Laurell ausstieg sah sie sich erst einmal vorsichtig um. Es gab hier kaum Häuser und die Waldstraße führte tiefer in den Wald hinein. Weit hinten konnte Laurell ein großes Haus entdecken und begann zu laufen. Tatsächlich war das Haus sehr groß und wurde immer größer, je näher sie ihm kam. Vor dem großen Tor blieb sie kurz unschlüssig stehen. Schließlich entschloss sie sich zu klingen. "Guten Tag, wer ist dort?", fragte eine warme Frauenstimme. "Hallo, hier ist Laurell. Ich bin mit Sky verabredet.", antwortete Laurell in die Sprechanlage hinein. "Komm herein.", meinte die Stimme noch freundlicher, wenn das überhaupt ging. Eine Torhälfte öffnete sich langsam und Laurell lief hindurch. Andächtig sah sie sich auf dem Anwesen um. Es war wirklich riesig. An der Haustür stand bereits eine Frau, die sie warm anlächelte. "Hallo Laurell. Es ist schön dich hier begrüßen zu dürfen. Ich bin Aquene,  Skys Mutter.", erzählte Aquene fröhlich. "Sky ist noch nicht so weit. Sie meditiert noch draußen. Du kannst dich aber auf die Terrasse setzen.", schlug Aquene vor und Laurell stimmte zu. Auf der Terrasse bedeutete Skys Mutter, dass Laurell sich setzen sollte. "Ich bin gleich wieder da.", sagte sie und schon war sie weg. Laurell schüttelte den Kopf. Die Namen dieser Familie waren schon echt merkwürdig. In dem Moment entdeckte Laurell Sky. Sie saß auf einer bepflanzten Insel inmitten eines unglaublich schönen naturellen Teiches. Sky saß mit dem Gesicht zu Laurell und sah völlig entspannt aus. Das Sonnenlicht flutete auf sie ein und ließ ihre hellbraunen Haare aufleuchten, so dass es aussah als hätte sie einen Heiligenschein.
"Der Anblick ist wunderbar nicht wahr?", fragte plötzlich jemand hinter Laurell und sie fuhr herum. "Ich habe dir etwas zu zu trinken mitgebracht.", erklärte Aquene. "Wie lange macht sie so was?", fragte Laurell und deutete auf Sky.  "Täglich für mindestens eine Stunde. Heute hat sie die schon überzogen, aber sie müsste demnächst zurückkommen.", erklärte Aquene als wäre es das normalste von Welt und Laurells Lippen formten sich zu einem leichten 'Oh'. "Ich habe gehört, dass Sky dir Sport Nachhilfe geben mag.", fing Aquene das Gespräch erneut an. "Ja. Ich bin nicht sehr gut im Sportunterricht und habe beschlossen, dass sich das ändern muss. Sky hat mir die Nachhilfe angeboten und da konnte ich nicht ablehnen.", erklärte Laurell. "Ich mag Sky sehr. Sie ist eine Freundin die ich noch nie hatte.", ergänzte sie. Aquene nickte lächelnd, dann trank sie etwas und sie warteten schweigend auf Sky.

Anders als die anderenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt