Wäre da nicht etwas dazwischengekommen.
Etwas Weltbewegendes.
Zumindest weltbewegend für mein damaliges Verständnis einer Welt.

Aber beurteilet es doch selbst.

"Levi, Schätzchen.", zog sie meine Aufmerksamkeit auf sich.
"Warte hier einen Moment. Mama kommt gleich wieder. Und vergiss nicht: Nimm niemals etwas von einem Fremden an und geh niemals mit einem Fremden mit!"
Beim letzten Satz hielt sie mich an der Schulter und schaute mich ganz ernst an.

Ich nickte schnell und machte riesige Augen. "Ja, Mama! Nichts mit einem Fremden machen!", wiederholte ich und sie gab mir daraufhin einen Kuss auf die Stirn und ein Lächeln.

"Gut! Also, warten!", meinte sie und verschwand in der Menschenmenge.

Sie hatte mich zuvor zu einem einsamen Baum geführt, abseits vom Markt. Hier waren fast keine Leute mehr und man hatte einen Überblick über die Umgebung.

Wie jedes andere Kind fing ich an mit dem Schnee zu spielen, der um mich herum lag und dies in riesigen Mengen.

"Schneemann!", jubelte ich, als ich einen erschaffen hatte. Damals dachte ich, es wäre das Beste überhaupt.
Nachträglich würde ich es als schäbig bezeichnen, aber ich war ja nur ein kleines Kind.

Ich kicherte, als die Fantasie mit mir spielte. Eine atemberaubende Zauberkönigin, gespielt von meiner Mutter, verwandelte den leblosen Schneemann mit viel Glanz und Magie in einen sprechenden Menschen. In meinem Kopf zeichnete ich mir einen Jungen aus, dessen Alter das gleiche war wie meiner. Die Augen hatten ein giftiges Grün und die braunen Haaren ähnelten einem ungezähmten Chaos.

Aber keine Frage: Dieser Junge war hübsch und kam mir unverschämt bekannt vor.

Natürlich macht man sich keine Gedanken, geschweige denn Sorgen darüber, dass dieser Mensch kein Mädchen, sondern ein Junge war.

Doch plötzlich wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Unterbrochen von einem Mann, der mir entgegenlief.

"Hallo, Kleiner! Hast du dich verlaufen?", fragte er mit einem Lächeln und hockte sich zu mir nach unten.

Sofort überkam mich die Schüchternheit und ich nahm ein paar Schritte zurück, den Kopf schüttelnd. "Nein!", gab ich laut zurück und schaute auf meine kalten Hände.

"Wartest du auf Mama? Deine Mama sucht schon die ganze Umgebung nach dir ab!", meinte er überzeugend und ich lugte wieder zu ihm rauf.

"Mama sucht mich?", fragte ich nach. Der Mann sah freundlich aus. Sein Lächeln wirkte aufrichtig und seine ausgestreckte Hand einladend. Und doch schrie diese ganze Situation nach Faulheit.
Irgendetwas war komisch.

"Ja, deine Mama. Sie ist gleich hier um die Ecke!", meinte er und zeigte zu einem Häuschen. Der Himmel hatte sich schon dunkel gefärbt. Die Menschen hatten sich verteilt und wir waren praktisch alleine.

Apropos Mutter, wo blieb sie nur?

Ich realisierte, wie lange schon meine Mutter weg war. Oder zumindest war es lange für mein früheres Zeitgefühl.
Der Mann sagte, meine Mama würde mich schon suchen. Ich will nicht, dass meine Mama besorgt nach mir suchte.

"I-Ich will zu Mama.", nuschelte ich, schaute zögernd auf seine Hand. "Aber M-Mama hat gesagt, ich soll keine Fremden folgen."

Another Life || ereriWo Geschichten leben. Entdecke jetzt