Kapitel 25-Hochzeitsgeschwafel

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„Ja.", antwortete ich ehrlich, warum hätte ich lügen sollen? Trotzdem hatte ich deshalb ein schlechtes Gewissen, weil ich es ihm nie gesagt hatte, stattdessen so eigennützig war und diese aussichtslose Affäre am Leben erhielt.

„Wie lange schon?" Ich hatte befürchtet, dass er diese Fragen stellen würde und ich hatte Angst davor, dass er mich verurteilen würde. Wobei, vielleicht hätte es das für uns beide erleichtert.

„Schon eine ganze Weile. Ich wollte es dir nicht sagen, dass war die Aufgabe von Sophie.", gab ich zu.

„Dann war das nicht der Grund, weshalb du mit mir Schluss gemacht hast?"

„Es war einer der Gründe. Es gab so viele Gründe und es war die absolut richtige Entscheidung.", sagte ich monoton und versuchte, mich zusammenzureißen. Keine Gefühle, sagte ich mir immer wieder zu. Weder durfte ich sie zeigen, noch wollte ich sie spüren. Hätte ich sie zugelassen, wäre ich wahrscheinlich in Tränen ausgebrochen, was wahrscheinlich nicht meine angebliche Sicherheit in meinen Worten unterstrich.

„Gut, ich stimme dir vollkommen zu." Er klang mit einem Mal so kalt und leblos. Hätte ich ihm in die Augen gesehen, hätte ich das nicht ertragen, sie hätten mich verletzt oder ich wäre ihm wieder verfallen. So ging er davon und ich konnte mich endlich im Badezimmer verkriechen. Was hatte ich nur? Ich hatte so sehr gehofft, alles wäre perfekt, wenn wir einfach so tun konnten, als wäre da nie etwas gewesen, es scheiterte an der Ausführung. Ich wusste, dass es schlimm sein würde, jedes verdammte Mal, wenn ich ihn sah. Wir hätten vermutlich nie vergessen, was zwischen uns war, nur konnten wir lernen mit der Zeit besser damit umzugehen. Gleichzeitig konnte ich nicht von mir erwarten, dass ich von der einen Sekunde auf die andere nichts mehr für ihn empfand. Dafür waren die Gefühle sowieso schon zu fortgeschritten. Ich vergaß ständig, dass ich mit meinem Kopf keine Kontrolle darüber hatte.

Das Frühstück war nicht weniger unangenehm als das Mittagessen am vorherigen Tag. Ich mied es nach wie vor, John viel Aufmerksamkeit zu schenken, konzentrierte mich auf Derek, lenkte mich durch ihn etwas ab. Das klang beinahe so, als hätte ich ihn nur benutzt. Vielleicht tat ich das auch, aber ich wollte ihn wirklich. Sophie hingegen schien heute wesentlich entspannter und fröhlicher, als in der Gegenwart von Tom, der die restliche Zeit bei seiner Familie verbrachte. Ich hatte schon daran gedacht, ihn nochmal zu besuchen und aus ihm herauszuquetschen, was zwischen den beiden los war, allerdings hielt ich es für falsch, in fremden Angelegenheiten herumzustochern. Das verstieß gegen meine moralischen Vorstellungen, wogegen ich auf die in letzter Zeit nicht sehr viel Acht gegeben hatte.

„Wünscht ihr euch lieber einen Jungen oder ein Mädchen?", fragte meine Mutter aufgekratzt, sie hatte sich immer noch nicht beruhigen können. Ich konnte mir vorstellen, dass sie eine ganz großartige Oma werden würde. Vermutlich eine von denen, die ihre Enkel immer mit Süßigkeiten und Geld überhäuften. Hoffentlich bekam ich irgendwann auch wenigstens ein Kind, das sie bemuttern konnte. Seit der Verkündung der Neuigkeit, dass meine Schwester schwanger war, hatte sich alles nur noch um das Baby gedreht, so auch zum Frühstück. In ein paar Stunden hatte ich meine Ruhe davor.

„Das ist doch völlig egal, solange es gesund und glücklich ist.", antwortete Sophie über beide Wangen grinsend. Das sagte gefühlt jeder, insgeheim wünschten sich doch alle ein bestimmtes Geschlecht. Meine Schwester wirkte so erleichtert, dass sie es endlich öffentlich gemacht hat und John schien sich ebenfalls zu freuen. Gemeinsam saßen sie dort, hielten ihre Hände und sahen sich wie zwei frisch Verliebte an. Während ich das ganze beobachten durfte, sprach ich mir wieder mein Mantra zu und zwang mich, den Blick abzuwenden. Wie hatte er es nur geschafft, mich angeblich so sehr zu begehren und Sophie trotzdem so zu lieben? Konnte das ein Mensch tatsächlich, konnte man so viel Platz in seinem Herzen haben? Eines war sicher, ich hatte ihn nicht.

„Habt ihr euch schon Namen überlegt?", ging die Fragerei meiner Mutter weiter.

„Mutter, es ist doch noch so früh, wir haben noch Zeit.", lachte Sophie, als nervte es sie nicht selber.

„Und langweilst du dich nicht, wo du doch gerade so lange frei hast?", richtete sich mein Vater an mich. Ich war ihm dankbar, dass er endlich mal für einen Themawechsel sorgte, es war ja kaum noch auszuhalten, ganz davon abgesehen, dass ich seit der Verlobung meiner Schwester sowieso völlig im Hintergrund stand. Ich beschwerte mich nicht darüber, es nervte nur mit der Zeit, wie sich alles nur um Hochzeiten und Babys drehte, was nicht zuletzt durch meine Gefühle verursacht wurde.

„Sam, Schatz, hilfst du mir beim Abräumen?", bat mich meine Mutter. Warum mussten immer wir Frauen abräumen und alles sauber machen? Konnten sich darum nicht ein einziges Mal die Männer kümmern?

„Du scheinst glücklich mit Derek zu sein.", bemerkte sie, als wir in der Küche waren, der beste Ort für Unterhaltungen. Ich war mir nur unsicher, auf was für eine Art von Unterhaltung wir hier zusteuerten und ob ich das wollte.

„Ja, natürlich.", versicherte ich ihr.

„Was für ein praktischer Zufall, dass er der Bruder deines Schwagers ist." Es hätte genauso gut abfällig klingen können, jedoch schien sie sich darüber ehrlich zu freuen. Als sie Schwager sagte, war ich erst verwirrt. Es stimmte, John war mein Schwager, sobald die beiden verheiratet waren. Vorfreude empfand ich nicht unbedingt. „Das könnte das Verhältnis zwischen uns und ihrer Familie noch mehr verstärken, das ist doch etwas Tolles. Schwierig wird es nur, wenn ihr beide euch mal trennen solltet."

„Warum sollten ausgerechnet wir beide uns trennen? Genauso gut können sich John und Sophie voneinander scheiden lassen.", gab ich schnippisch von mir. Nur weil ich bisher mehr Trennungen hinter mir hatte als Sophie, hätte sie trotzdem die erste von uns beiden sein können. Ich wollte allerdings gar nicht daran denken, denn es war wirklich keine besonders schöne Vorstellung. Wer wollte schon seinen Ex ständig bei Familientreffen sehen?

„So habe ich das doch nicht gemeint. Natürlich trifft das auf die beiden genauso zu.", entschuldigte sie sich und ich fühlte mich schlecht, weil ich ihr gegenüber so reagiert hatte. „Denkst du darüber nach, ob du Derek heiraten würdest?"

„Mama, wir sind erst wenige Wochen zusammen, es wäre noch zu früh, um schon über sowas nachzudenken." Hatte denn niemand mehr etwas anderes im Kopf? Gut, ich gab zu, einmal hatte ich es mir tatsächlich vorgestellt und es war keine schlechte Vorstellung. „Aber muss ich denn heiraten? Reicht es denn nicht, wenn man den Rest seines Lebens miteinander verbringen will, sondern muss man das auf einem Papier unterzeichnen?" Ich hatte zumindest in diesem Moment nicht sonderlich Lust dazu, selber mal zu heiraten. Meine Schwester reichte mir da schon, obwohl es immer mein Traum war. Ich war einfach nur noch genervt und unendlich froh, wenn der Hochzeitstag endlich über die Bühne gebracht werden würde. Nun, vielleicht war ich nicht unbedingt in jedem Punkt froh, aber es überwiegte. Ändern konnte ich sowieso nichts mehr.

„Ach sag doch sowas nicht. Ich weiß doch eh, dass du es nicht ernst meinst. Außerdem geht es um die Feierlichkeiten, das Gefühl, für immer miteinander verbunden zu sein durch eine Zeremonie. Das ist für die meisten Frauen ein wunderschöner, unvergesslicher Tag. Zumindest für die, die es auch freiwillig tun oder sich nicht wieder scheiden lassen.", schwärmte meine Mutter. Wahrscheinlich dachte sie dabei an ihre eigene Hochzeit, von der sie uns früher immer so oft erzählt hatte und dass sie die womöglich glücklichste Braut war, die sie selber kannte. Ich dagegen konnte mir meinen Vater nur schwer vorstellen, wie er ihr ganz romantisch einen Heiratsantrag machte und ihr am Traualtar entgegenlächelte. Er war eher der robuste Typ, nett ausgedrückt, natürlich mit einer sehr liebevollen Seite, immerhin war er ein toller Vater.

„Genug von dem ganzen Hochzeitsgeschwafel. Wir sollten uns lieber auf den Weg zurück machen, schließlich ist es schon fast Mittag." Der Abschied war kurz und schmerzlos. Bald sahen wir uns alle wieder. Am kürzesten behielt ich es bei John. Lebewohl.

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