Versöhnung?

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Ich wurde erst wieder wach, als mich jemand im Brautstil hochhob. Noch halb im Schlaf legte ich einfach meine Arme um den Hals der Person. Vorsichtig trug diese mich zu meiner Kabine und legte mich mit einiger Anstrengung ins Bett. Als die Person dann begann, meinen Kapuzenpulli auszuziehen öffnete ich die Augen, denn ich ließ mich ganz sicher nicht von einem der Jungs ausziehen. Doch ich blickte nicht in das Gesicht eines Jungen, sondern in das von Melina. Vor Überraschung riss ich die Augen auf und fuhr hoch. Da die Decke sehr niedrig war, stieß ich mir natürlich den Kopf. „Autsch!", verärgert rieb ich mir den Kopf. Melina schnaubte und als ich sie wieder ansah schüttelte sie schmunzelnd den Kopf. Ich lächelte sie verlegen an. Erst jetzt realisierten wir beide, dass Melinas Hände noch immer auf meiner Hüfte ruhten. An den Stellen, wo sie meine nackte Haut berührte kribbelte meine Haut und mein Herz begann zu rasen. Als ich nach unten schaute, nahm sie ihre Hände schnell von mir und blickte verlegen nach unten. Ich versuchte ihren Blick einzufangen und fragte leise: „Hast du mich hierher gebracht?" Nun sah sie mich wieder an und ich schwöre, mir blieb die Luft weg. In ihren Augen lag so viel Ausdruck. So viele Gefühle. Ich versank in ihnen. „Ich wollte dich nicht wecken, aber ich dachte, es wäre vielleicht unangenehm, wenn du in Klamotten schläfst." Ich riss mich los und lächelte. „Das ist lieb von dir. Ja, da könntest du recht haben. Tut mir leid, dass ich gerade wortwörtlich an die Decke gegangen bin. Ich hatte nur überhaupt nicht mit dir gerechnet." „Ist schon okay, ich hätte bis vor fünf Minuten auch nicht gedacht, dass ich das mache..." Wir kicherten. Danach schwiegen wir. Endlich rang ich mich dazu durch, sie zu fragen: „Ähm...willst du vielleicht bei mir schlafen?" Sie blickte mich überrascht an. Doch dann schüttelte sie den Kopf und meinte: „Nene, lass mal. Da hab ich viel zu viel Schiss aus dem Bett zu fallen." Sie grinste. Und ich schmolz dahin." Dass Mädchen machte eine kurze Pause um etwas zu trinken und fuhr dann fort: „Ihr müsst wissen, wenn ich jetzt erzähle, wie fasziniert ich von Melina war und auch noch immer bin, dann habe ich das JETZT akzeptiert. Damals, als das alles passiert ist habe ich diese Gedanken und Gefühle immer verdrängt oder auf etwas anderes geschoben.
Naja, jedenfalls wusste ich, dass Melina nicht verneinte, weil sie keinen Bock hatte, sondern weil sie wirklich Schiss hatte. Also fragte ich nicht weiter, bedankte mich noch einmal und wünschte ihr eine gute Nacht. Ich zog mir den Pulli über den Kopf, zog mein Schlaf T-Shirt über und wechselte auch meine Hose. Danach kuschelte ich mich in meine Decke und nahm das Einhorn, welches Melina mir vor unserem „Streit" geschenkt hatte. Melina stand noch immer vor meiner Kabine und hatte mir die ganze Zeit zugeschaut. Irgendwie war es mir überhaupt nicht unangenehm, obwohl ich meinen Körper eigentlich überhaupt nicht gerne zeige. Aber unter Melinas Blicken fühlte ich schön. Als ich nun so dalag und sie anschaute, riss sie sich los, stotterte ein „Gute Nacht!" und wollte gehen. Doch ich hielt sie am Arm fest. Langsam drehte sie sich wieder um. „Bitte geh nicht.", murmelte ich. „Bleib bei mir, wenigstens bis ich eingeschlafen bin." Sie lächelte und lehnte sich gegen die Kabinenwand. „Okay. Aber jetzt mach die Augen zu." Lächelnd nickte ich und kuschelte mich noch tiefer in meine Decke. Während Melina meinen Kopf streichelte und meine Haare leicht kämmte, entspannte ich mich immer mehr. Kurz bevor ich einschlief merkte ich noch, wie Melina mir einen Kuss auf die Stirn hauchte.
Nach ein paar Stunden wurde ich von Jan geweckt: „Aufwachen Schlafmütze! Wir sind da." Ich rieb mir über die Augen und setzte mich auf: „Wow, jetzt ist die Tour wirklich bald vorbei, was? Nur noch ein Auftritt." Jan lächelte traurig. Jetzt hatte ich ein schlechtes Gewissen. Ich streichelte seine Wange und sagte aufmunternd: „Hey, nicht traurig sein. Nächstes Jahr gibt es bestimmt noch eine Tour, die viiiel cooler wird!" Jan nickte und schien wieder etwas fröhlicher zu sein. Wir umarmten uns. Doch als ich mich von ihm löste sah ich Melina, die uns mit einem undefinierbaren Blick anschaute. Oder war das Schmerz? War sie eifersüchtig, weil Jan ihr bester Freund war? Wieso hatte ich das Gefühl, sie betrogen zu haben? Bevor ich etwas sagen oder anderweitig reagieren konnte, nahm sie ihren Koffer und ging die Treppe hinunter. Jan hatte sie auch gesehen und sah mich nun ratlos an. Ich zuckte die Achseln. Wir legten diesen „Fall" erst mal ‚ad acta', da ich mich anziehen und packen musste. Als ich aus dem Bus kam stand der Großteil der Youtuber in einzelnen Gruppen verteilt vor dem Bus und unterhielten sich. Ich gesellte mich zu den Apes und hielt Ausschau nach Melina, konnte sie aber nicht finden. Nach ein paar Minuten stellte Ramona sich vor uns und bat um Aufmerksamkeit. Sie beglückwünschte uns zu der Tour und meinte, sie freue sich schon auf die Nächste. Danach wünschte sie allen ein paar schöne Tage und nannte nur noch die Uhrzeit, wann wir alle an der Location sein sollten. Wie eine ungeduldige Klasse klatschten alle, verabschiedeten einander und begannen sich in alle Winde zu verstreuen. Gerade als ich mich auch auf den Heimweg machen wollte, rief Ramona, die ihr Handy in der Hand hielt, mich zu sich und bat um ein Gespräch. „Melina hat sich vorhin entschuldigt und ist mit Shirin in ein Taxi gestiegen ohne jemanden Tschüss zu sagen. Und da ihr euch ja so gut versteht dachte ich, du wüsstest vielleicht warum. Sie hat zwar gesagt, es ginge ihr nicht gut, aber das glaube ich ihr nicht." Ich erschrak. War sie etwa schon wieder wegen mir abgehauen? „Äähm...äääh...", stotterte ich „Also...in den letzten Tagen haben wir jetzt nicht mehr soo viel miteinander gesprochen. Sie hatte halt viel Stress wegen der Tour. Vielleicht ist sie wirklich einfach erschöpft und braucht ihre Ruhe." Ich musste ihr ja nicht auf die Nase binden, dass ich Melina traurig machte. Sie sah mich nachdenklich an, meinte dann aber: „Du hast vermutlich Recht. Schickst du die Foto- und Videoaufnahmen dann ins Studio?" Ich nickte und amtete aus. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte. Als auch sie weg war schaute ich mich um. Ich stand allein auf dem Platz. Auch der Bus war bereits abgefahren. Warum waren alle so schnell abgehauen? Wir hatten doch so viel Spaß zusammen, wollten sie jetzt gar keine Zeit mehr miteinander verbringen? Ich seufzte. Nichts zu machen. Ich begab mich auf die Suche nach einem Taxi. Nachdem ich wirklich den gesamten Platz und die Umgebung abgesucht und immer noch keins gefunden hatte kochte ich vor Wut. Ich schmiss meine Tasche auf den Boden, die Kameratasche legte ich vorsichtig daneben und griff zu meinem Handy. >> Tief einatmen! <<, dachte ich mir. >> Du rufst jetzt einfach ein Taxi und dann bist du zu Hause. << Ich holte mein Handy aus der Jackentasche und wollte es entsperren als mir die Rote Batterie fett entgegen blinkte. In diesem Moment hätte ich mein Handy wirklich schrotten können, wäre es nicht so wichtig für mich. Seufzend schulterte ich meine Taschen und machte mich auf den Weg nach Hause. Zum Glück waren es nur zwei bis drei Kilometer. Während ich lief wurden meine Taschen immer schwerer und es wurde immer dunkler. Als ich eine kurze Pause machte begann es sogar zu nieseln. Ich fragte mich wirklich, was ich getan hatte, um das zu verdienen. Trotzdem blieb mir nichts anderes übrig als schneller zu laufen. Nach einer knappen dreiviertel Stunde stand ich endlich vor meiner Haustür. Durch den Regen und den Schweiß war ich ziemlich durchnässt und freute mich einfach auf eine schöne warme Dusche. Ich kramte meinen Schlüssel hervor und steckte ihn mit zitternden Fingern ins Schloss. Zweimal umgedreht und es klickte. >>Wenigstens haben sie mein Schloss nicht ausgetauscht. <<, dachte ich sarkastisch. Ich legte meine Taschen ab, schloss die Tür und wollte gerade meine Jacke ausziehen, als plötzlich das Licht anging. „Überraschung!" wurde ich von allen Seiten angeschrien. Erschrocken schrie ich auf und fiel zu Boden. Erst jetzt realisierte ich, dass die gesamte Gang vor mir stand und mich angrinste. „Hast du etwa gedacht, wir vergessen deinen Geburtstag? Heute wird gefeiert!" Ich lächelte schwach. Natürlich freute ich mich, dass alle hier waren, aber langsam wurde es mir zu viel. Mir war kalt, ich war nass und erschöpft und jetzt hatte ich fast noch einen Herzinfarkt. Die Tränen schossen mir in die Augen und ich kämpfte dagegen an. Plötzlich drängte sich jemand nach vorn und griff mir unter die Arme. „Äh Leute, ich glaube Miri ist etwas erschöpft. Ich helf ihr schnell sich frisch zu machen und dann kommen wir wieder. Feiert ihr doch schon mal!", meinte Melina. Da sie die Wohnung ja schon kannte führte sie mich zielsicher ins Schlafzimmer und setzte mich aufs Bett. Dann ging sie ins Bad und kam mit einem Handtuch wieder. Sie setzte sich hinter mich und begann meine Harre trocken zu rubbeln. Danach half sie mir beim ausziehen und ich suchte mir etwas zum anziehen. Ich spürte ihre Blicke im Rücken und als ich in den Spiegel schaute, sah ich, wie sie gedankenverloren auf ihrer Lippe kaute. Ich musste lächeln. Diese Mädchen war wirklich etwas Besonderes. Ich ging auf sie zu und wuschelte ihr durch die Haare: „Ich bin im Bad.", teilte ich ihr mit und begann mich fertig zu machen. Nach 10 Minuten hatte ich meine Haare in einer akzeptablen Hochsteckfrisur zusammengebunden und mich dezent geschminkt. Als ich aus dem Bad kam klappte Melina der Mund auf. „Wow. Du siehst klasse aus!"Ich errötete und senkte den Blick. „Na gut, dann wollen wir mal! Die anderen warten bestimmt schon.", mahnte Melina zum Aufbruch. Doch bevor sie aus der Tür gehen konnte, legte ich ihr eine Hand auf die Schulter und drehte sie zu mir: „Hast du diese Party organisiert?" Sie nickte lächelnd. Mein Herz klopfte schneller und ich freute mich, doch dann kamen mir die Taxen in Erinnerung. „Wart ihr das auch mit den Taxen?", fragte ich mit hochgezogener Augenbraue. Ihr erfreuter Gesichtsausdruck verwandelte sich in Schuldbewusstsein. „Ja...es tut mir leid, wir brauchten einfach noch ein bisschen Zeit und ich habe auch extra geschaut, dass wir nicht so weit von dir entfernt parken. Am Anfang hatte ich auch gehofft, dass Ramona dich lange genug aufhält, dann hätten wir dir ein Taxi dalassen können...aber naja...es tut mir leid, ich hätte vorher die Wetterapp checken sollen." Melina stand wie ein kleines Schulmädchen vor mir und ich konnte ihr einfach nicht böse sein. „Ist schon okay.", meinte ich lächelnd und umarmte sie. „Danke!", flüsterte ich. Sie erwiderte die Umarmung fest und wir standen bestimmt ein paar Minuten einfach so da, bis ich mich löste und ihr tief in die Augen schaute.

Melinas und meine GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt