⑨Eyes

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|-/ Trees - twenty one pilots

Es gibt drei grundlegende Augenfarben. Drei Farben, die sich nur in ihrer Intensität unterscheiden. Kein Mensch hat ein und die selbe Farbe, eines der Dinge, die einen ausmacht.
Im Kindergarten hatten mich die anderen Kinder wegen meiner Augenfarbe aufgezogen. Sie sagten, normale Menschen hatten braune Augen, manche hatten blaue Augen und einige grüne, aber nicht so welche, wie ich hatte.
Natürlich konnte ich nichts mit ihren Gerede anfangen, da ich noch nicht einmal wusste, wie blau, grün und braun aussah. Schlussfolgernd wusste ich auch nicht, was an meinen Augen so seltsam war. Doch Daniel erklärte es mir.
Meine Augen besaßen keine Farbe. Es war, als hätte man sie in Bleiche getaucht, sodass man nur noch die Pupille sah. Ich wusste bis dato nicht, dass man mir meine Blindheit auch ansah, doch ab da an, versuchte ich keinen anderen als meiner Familie ins Gesicht zu sehen. Meine Haare ließ ich wachsen, bis sie mir über meinen gesamten Rücken fielen, sodass sie mir, mit einer Kopfbewegung, das Gesicht verdecken konnten.
Ich lernte so zu tun, als bekomme ich nichts mit und bestätigte somit die Gedanken der anderen. Nicht nur blind, sondern auch dumm. Unfähig, etwas zu tun, ohne dabei Hilfe zu benötigen. Eine Last, die keiner tragen wollte. Ein Klotz am Bein, der einen beim Gehen behinderte. Während die anderen auf den Straßen spielten, vor Freude schrien, lachten und zusammen waren, wollte ich nicht in die Gegenwart meines Rudels. Meine Lieblingsorte waren unser Garten und mein Zimmer, denn dort konnte ich, ich sein. Dort warf mir niemand verstohlene Blicke zu und keiner tuschelte über das behinderte Wolfmädchen.

Ich war alleine und das fand ich gut so. Ich kannte nichts anderes, es war mir gewohnt. Auch wenn ich mir manchmal ausmalte, wie es wohl sein musste, sehen zu können. Wie es wohl wäre, Freunde zu haben, wie alle anderen in den Cafés zu sitzen und in der Gesellschaft anderer zu sein.

Doch es waren nur Träumereien.

Für mich gab es keine Zukunft mit Freunden, Familie und Farben. Für mich gab es nur die Dunkelheit. Ich war der Freak, der alle zu Anfang neugierig machte. Doch diese Neugier hielt nie für lange, was mich sehr freute, denn ich hasste nichts mehr, als mich wie eine Ameise unter der Lupe zu fühlen.

Und so kam es, dass ich nicht überrascht war, als Caitlyn mich auf meine Augen ansprach.

»Was hat es mit deinen Augen auf sich?«

Ich atmete. Ein und aus. Meine Zunge fuhr über meine Lippen, die sich dann leicht öffneten. Doch anstatt etwas zu sagen, sog ich die nach Erdbeere schmeckende Luft ein. Was sollte ich auch sagen? Ich wusste es ja selber nicht. Warum ich blind war, fragte ich mich schon immer. Warum man es mir ansehen konnte, war nur eine der vielen nebensächlichen Fragen, die mir wahrscheinlich für immer unbeantwortet blieben.

»Du brauchst mir natürlich nicht antworten, wenn du nicht willst.«

Sie versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass sie traurig darüber war, doch ich hörte es. Trotz dessen, dass sie ihre Stimme sehr gut im Griff hatte, hörte ich die leiseste Schwankung in ihrer Stimme und es versetzte mir einen Stich in mein Herz. Ich wollte nicht, dass sie traurig darüber war. Ich wollte ihr ja eine Antwort geben. Nur, welche?

»Dakota ist nicht sehr gesprächig«, sprang Daniel für mich in die Presche. »Aber wir denken, dass das mit ihrer ... Krankheit zu tun hat.«

Es verwunderte mich nicht, dass er mitbekommen hatte, dass Caitlyn über mich bescheid wusste, denn so war Dan. Ihm entging nichts, keine noch so kleine Winzigkeit.

»Ach so, also eh ... und warum kannst du nichts sehen?«

»Das wissen wir auch nicht. Sie wurde so geboren, aber wir merkten erst spät, dass sie blind ist«, sagte Daniel. Ich spürte seinen Blick kurz auf mir, bevor er fortfuhr. »Wir dachten, sie hat nur außergewöhnliche Augen. Doch als sie anfing zu laufen, dachten wir uns schon, dass etwas nicht stimmen konnte. Sie hatte keine Orientierung und lief andauernd gegen irgendwelche Dinge. Uns kam natürlich nicht in den Sinn, dass sie einen Ausfall eines ihrer Sinnesorgane hat, denn: Welcher Wolf war je krank? Das war unmöglich, doch es musste ja etwas nicht in Ordnung sein. Und so gingen wir zum Arzt. Nicht unser Rudelarzt, denn Mum und Dad wussten nicht, wie er reagieren würde, sondern zum Menschenarzt. Er weigerte sich zu Anfang zwar, doch lenkte dann ein. So fanden wir heraus, dass sie blind war und es auch keine Hilfe für sie gab.«

Ich hatte genug davon, meine Lebensgeschichte zu hören und stand auf.

»Wenn wir hier jetzt fertig sind, würde ich gerne in unser Zimmer.«

Bevor einer der Beiden etwas sagen konnte, spürte ich eine stechend heiße Präsenz hinter mir näher kommen und im nächsten Moment erfüllte seine Stimme die Küche, in der wir nach Caitlyns Führung gelandet waren.

»Und ich würde gerne mit dir reden, Dakota.«

Ich versteifte mich. Mir stellte sich die Frage, warum er mit mir reden wollte und egal wie angestrengt ich nach einer Antwort suchte, ich kam zu keinem Ergebnis.

»Ich möchte nicht unhöflich klingen, aber ich möchte nicht, dass du mit meiner Schwester alleine-«

»Auch wenn du nicht unhöflich sein willst, warst du es. Ich sprach mit ihr und nicht mit dir, Rogue.«

Seine Stimme beinhaltete eine starke Monotonie, gemischt mit einer Prise Kälte. Unwillkürlich erschauderte ich und wünschte mir im nächsten Moment, ich hätte es unterdrücken können, denn sein Blick bohrte sich in meine Seite. Bevor die beiden sich wieder an die Gurgeln gehen konnten, sagte ich mit leiser Stimme: »Okay« und wusste, ich würde ihm niemals alleine folgen können. Während ich angestrengt versuchte, eine Lösung für mein Problem zu finden, hatte Caitlyn schon eine.

»Wie wär's, wenn ich euch noch bis zum Raum begleite? Wenn du willst, kann ich mich auch mit zu ihnen setzten-« Liam unterbrach sie knurrend. »-doch ich bin mir sicher, dass mein Bruder etwas dagegen hat. Also setzte ich mich vor die Tür und passe auf sie auf. Wie kling das? Ich finde, das kling super! So machen wir das!«

Sie sprang beschwingt von ihrem Stuhl, griff nach meiner Hand und zog mich an der Herkunft eines unwiderstehlichen Duftes vorbei. Bei jeden Schritt spürte ich die Blicke von Daniel und Liam in meinem Rücken, doch nur Liams begleitete mich bis zu unseren Ziel.

Doch anstatt eines Zimmers, gingen wir durch eine Tür, die ins Freie führte. Augenblicklich umgab mich der Duft des Waldes und der Blumen, wobei diese den von Liam jedoch nicht verdecken konnten.

»Ich bin gleich da vorne auf der Bank, vielleicht fünfzig Meter rechts von hier«, sagte Caitlyn, als ich mich auf eine schaukelnde Bank gesetzt hatte, und verschwand in die genannte Richtung.

Minuten vergingen und Liam stand schweigend vor mir. Mir lag auf der Zunge, ihn zu sagen, wie interessant unsere Unterhaltung doch sei, doch ich traute mich nicht etwas zu ihn zu sagen, was ihn verärgern könnte. Mit jeder Minute wuchs meine Nervosität und Angst und meine Gedanken schwirrten ungehalten in meinen Kopf umher.

Als ich die Hoffnung schon längst aufgegeben hatte, dass er etwas zu sagen hatte, hörte ich seine sanfte Basstimme.

»Ich bin seit sechs Jahren Alpha dieses Rudels. In diesen sechs Jahren, hat sich kein Wolf getraut, auf mein Land zu kommen. Sie wissen alle, was das RedLake Rudel mit ungebetenen Gästen macht. Und ich möchte dir eins sagen: Ihr seid nur noch am Leben, weil mein Vater es so will. Wenn es nach mir ginge, wärt ihr schon längst tot, denn ihr seit nur Ballast für uns. Ich weiß, dass ihr vor den Rogues geflüchtete seid, die euer Rudel angriffen, doch ihr hättet nicht hierher kommen sollen.« Er hielt kurz inne, um seinen Worten ausdruck zu verleihen. Erst als er merkte, dass ich ihn nichts zu erwidern hatte, fuhr er fort.

»Ich werde den Willen meines Vaters nicht widersprechen, doch wenn ich merke, dass ihr eine Gefahr für mein Rudel seid, werde ich keinen Augenblick zögern.«

Ohne ein weiteres Wort ließ er mich alleine mit meinen vor Angst flatternden Herz sitzen.

Blind MateWhere stories live. Discover now