I. Guten Morgen, liebe Sorgen

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E.J.C.


Ich schlug verwirrt meine Augen auf und starrte an die Zimmerdecke.

Eine Spinnenwebe schwebte leicht im kühlen Wind, der durch das Fenster hineinströmte. Staub hatte sich bereits in ihr verfangen und ich nahm mir ein weiteres Mal vor demnächst eine Putzaktion zu starten. Wenn ich jedoch Glück hatte, verfiel Liam wieder einem Aufräumzwang und er knüpfte sich mein Zimmer gleich mit vor.

Leicht drehte ich meinen Kopf und schielte auf den alten Wecker. Ich runzelte die Stirn misstrauisch. Nicht wegen der Uhrzeit. Nein, weil es einfach nur still war. Zu still.

Normalerweise sollten bereits Teller klappern, weil Niall das Frühstück vorbereitete. Harry sang morgens regelmäßig lautstark unter der Dusche. Die Tür hätte mehrmals auf und zu fallen müssen, weil Louis meistens joggen ging und wie immer erst sein Handy und dann seine Kopfhörer vergaß. Ich musste heute nicht mal gegen meine Zimmerwand hämmern, um Liam aufzufordern seine Musik leiser zu stellen.

Stattdessen war es einfach nur ruhig. Und das beunruhigte mich.

Misstrauisch schwang ich meine Beine aus dem Bett und schob die Ärmel des Holzfällerhemdes hoch. Es grenzte schon an Paranoia, wie ich die Tür nur einen Spalt weit öffnete, weil ich das schlimmste Chaos befürchtete. Doch da war nichts.

In unserer WG herrschte Frieden.

Als mir dämmerte, was das bedeutete, flitzte ich zurück in mein Zimmer, griff wahllos nach ein paar Klamotten aus meinem Schrank, sowie meiner Waschtasche und beeilte mich in unser Bad zu kommen. Übereifrig schmiss ich meine Zimmertür hinter mir zu und eilte über den Flur zur Badtür.

Leider übersah ich dabei beinahe die Schuhpaare, die mir im Weg standen. Leicht taumelnd fand ich am Türrahmen zu Nialls Zimmer Halt und stierte hinunter auf die Hürden, die definitiv nicht in das Inventar unserer WG gehörten. Kaum zu glauben, dass wirklich alle vier Kerle ihre Weiber über Nacht behütet hatten!

Schnaufend kickte ich einen von Taylors Mörderschuhen zur Seite und flüchtete schließlich ins Badezimmer. Mit einem triumphierenden Lächeln schloss ich die Tür hinter mir zu und genoss das Gefühl einmal die erste unter der Dusche zu sein. Keine penetranten Männerparfums oder ne benutzte Boxershort, die herumlag.

In aller Ruhe band ich mir einen Knoten in die Haare und stieg dann unter die Dusche.

Heute startete das neue Wintersemester. Über den Campus würden also hunderte neuer Studenten rennen, die keinen Plan vom Unialltag hatten, die Hörsäle würden aus allen Nähten platzen, weil jeder wenigstens einmal im Jahr an der Vorlesung teilnehmen wollte und die Ruhe in der WG würde vorbei sein, denn wir fünf waren wieder alle da – inklusive vier weiterer Anhängsel. Ich seufzte und ließ das Wasser über mein Gesicht prasseln.

Dass ich mir mal eine Wohnung mit vier halbstarken Männern teilen würde, war nie wirklich mein Plan gewesen. Doch als ich mich vor einem Jahr in London auf die Suche nach einer halbwegs bezahlbaren Unterkunft gemacht hatte, musste das Schicksal seine Hände im Spiel gehabt haben. Irgendwie hatte ich nämlich mitbekommen, dass zwei alte Schüler meiner Highschool in Manchester neue Bewerber für ihre WG suchten. Liam und Harry waren ein Jahr älter als ich, doch zu meiner Überraschung erinnerten sie sich an mich.

(Was vielleicht daran lag, dass ich neben Liams derzeitiger Freundin, die gleichzeitig Harrys beste Freundin, war gewohnt hatte.)

Der dritte Mann im Bunde, Louis, war ebenfalls durch eine Anzeige auf die Wohnung aufmerksam geworden und so zogen wir zeitgleich in das große Apartment ein. Niall brachte ich letztendlich mit. Ich hatte ihn an meinem ersten Tag in der Uni kennengelernt und konnte nicht anders als ihn Liam und Harry vorzustellen und somit jemanden für das letzte freie Zimmer zu finden.

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