Die weiße Wand

Kapitel 3

Ich drehe mich um und verfange mich in grauen Augen.
Der Mann, der geschätzte 40 Jahre alt ist, lächelt mich an, als hätte er meine Reaktion eingeplant.
'Dr. Clark', er streckt langsam seine Hand aus.
'Und ich muss in den Unterricht.'

Ich hasse Menschen.

Zögernd drehe ich mich von der gestreckten Hand weg und gehe in einem schnellen Schritt zu meinem Klassenzimmer.
Ich sehe mich bei jedem 5. Schritt um, um nach zu sehen ob mir jemand gefolgt war, aber meistens entdecke ich nur vereinzelte Schüler, die sich beeilen, nicht zu spät gekommen.
Ich stoße die Klassentür auf und die Melodie von lachenden, quatschenden, quietschenden und schreienden Leuten drang mir ins Ohr.

Ich freue mich auf das Wochenende. Obwohl eigentlich ist unsere Klasse ist recht okay. Aber es gibt halt Gruppen. Wo gibt es die nicht. Um ehrlich zu sein bin ich aber froh, dass es Gruppen gibt.

Ruhig setze ich mich an meinen Fensterplatz neben Ash.
Ich betrachte Ashley von der Seite. Sie hat Grübchen. An der linken Wange sind sie stärker als an der rechten. Sie legt ihren Kopf etwas schief und ihre blonden Haare sehen dadurch noch länger aus.
Ash ist die einzige die mich versteht.
'Ash, hast du nach der Schule Zeit?'
'Ja, was willst du machen'
'Nichts. Ich will einfach nur reden'
Ash wirft mir einen verwirrten Blick zu und lachend stehe ich auf.
'Ich meine es wirklich ernst'

Ash war schon immer mit ihr verbunden und ich glaube sie ist sogar eine bessere Freundin als Sophie, aber wahrhaben möchte ich das nicht wirklich. Sophie und ich, wir kennen uns seit dem Kindergarten und ehrlich gesagt will ich das nicht aufgeben. Nur wegen Charlotte.
Aber Ash, sie hatte auch eine schwere Vergangenheit und das ist die Sache die uns verbindet. Ich weiß nicht was mit Ash geschehen ist, aber ich will es wissen.
Unbedingt.

Wir gehen durch die Stadt und glücklich realisiere ich, dass endlich Wochenende ist.

Doktor. Toll.
Der Typ ist ein Doktor.
Hä.

'Gehen wir zum Bahnhof. Da fährt mein Bus'
'Lily?'
'Ja?'
'Warum bist du in letzter Zeit so..', Ash sieht auf den Boden und dann wieder zu mir, 'so komisch'.
'Ich war schon immer komisch'
'Dann halt anders'
'Die Frage wurde falsch gestellt'
'Lily, ich will dir doch nur helfen. Ich weiß, was du durchmachst. Wirklich'
'Was ist dir passiert'
'Wir reden hier über dich'
Ich kaue auf meiner Lippe.

Ich würde es so gerne wissen.

'Nein. Es geht hier nicht nur um mich. Du willst mir bei etwas helfen, was du selbst nicht schaffst'
Ash presst die Lippen zusammen und an ihrer linken Wange bildet sich ein Grübchen.
'Unser Bus ist da vorn'
'Mein Bus', mir tut Ash schon ein bisschen leid.
Sie ist wie eine neue Schwester für mich, die mir anfangs nicht einmal richtig auffiel. Bis Charlotte sie am Klassenfoto sah.
'Schau dir diese Grübchen an. Zuckersüßes Mädchen', sagte sie.

Charlotte war 2 Jahre älter als ich. Und vom Aussehen hätten wir uns nicht unterschiedlicher sein können. Wie schon so oft gesagt. Aber im Inneren waren wir so gleich.

Ich umarme Ash. Und sehe in ihre durch und durch blauen Augen.
'Ich komme heute bei dir vorbei'.
Und ich werde herausfinden was geschah.

Der Bus war anders als am Morgen knallvoll.
Urgh. Ich steige in den heißen Bus und suche vergeblich nach einem Sitzplatz. Also bleibe ich im Gang stehen. Das durchaus Spannende an überfüllten Bussen ist die Möglichkeit Leute zu Beobachten. Ihr Verhalten, Körperhaltung und ihre Ticks zu analysieren. Hinter den zwei besten Freundinnen, die über alles und jeden lachen, sitzt ein Junge. Er ist still, etwa 16 und weiß mit seinen braunen Augen nicht wohin er sehen sollte. Die schwarzen Kopfhörer waren mir neben seinen dunkelbraunen Haaren nicht aufgefallen. Er sieht teilweise vergessen aus, teilweise aber auch suchend aus. Aber etwas an ihm zieht mich an.
Abrupt bleibt der Bus stehen. Eine hektische Geschäftsfrau drängt sich an mir vorbei, gefolgt von einer Truppe Grundschüler. Als ich jeden vorbei gelassen habe, suche ich nach dem dunklen, stillen Typ mit Kopfhörern. Aber er ist nicht mehr hier. Er scheint ausgestiegen zu sein.