Schiffbrüchig

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Als ich sah, wie Alexander vom Schiff in die tosenden Fluten fiel, blieb mein Herz stehen. Mit einem Ruck klopfte es dann doppelt so schnell weiter. Alexander! Verzweifelt sah ich zu, wie sein Körper von dem Fluss verschluckt wurde. Ich musste ihm helfen! Ich musste sein Leben retten! Zu mehr waren meine Gedanken nicht mehr fähig. Das einzige was ich wollte – musste, war Alexander zu retten. Doch ich bin so schwach. Meine Magie fing schon an zu flackern. Das angenehme Kribbeln, das sie verursacht dämpfte langsam aber merklich ab. Doch das war mir jetzt egal. Es war mir egal ob ich in Ohnmacht fallen oder gar sterben würde. Denn für Alexander, Alec würde ich alles riskieren. Mit meinen gesamten Kräften hielt ich die Banne, die auf dem Schiff lagen zusammen. Dann sprang auch ich in das tossenden Wasser.

Kälte schoss in meine Adern und umfing mich wie eine Faust. Prustend kam ich wieder an die Oberfläche und suchte die Stelle im Wasser, in der Alec verschwunden war. Dann schwamm ich. Und glaub mir, ich bin noch nie so schnell in meinem Leben geschwommen wie jetzt gerade. An der gesuchten Stelle angekommen tauchte ich unter und riss unter Wasser meine Augen auf. Das Wasser war schmutzig und trüb und stank fürchterlich. Doch dann sah ich ihn. Mehrere Meter unter mir war Alec. Vollkommen reglos und bleicher als der Tod trieb er da. Wegen fehlender Luft musste ich noch einmal hoch kommen. Dann aber stürzte ich mich wieder in die Tiefen. Zu Alec hin.

Mit kräftigen Zügen tauchte ich nach Alexander und packte ihn an den breiten Schultern. Alec blieb reglos. Ich schob meine Arme um ihn und zog ihn mit mir. Nach oben. Zu Sauerstoff und leben. Als mein und Alecs Kopf die Wasseroberfläche durchbrachen, fühlte ich pure Erleiterung darüber das ich meinen Alec in den Armen hatte. Dass er nicht ertrunken ist.

Hoffentlich.

Doch die Erleichterung verschwand bald, als ich begann zu dem Pick up zu schwimmen. Denn Alec war nicht gerade ein Fliegengewicht. Aber ich schaffte es und kriegte ihn sogar auf die Ladefläche des Autos.

Erschöpft brach ich neben dem reglosen Schattenjäger zusammen. Ich spuckte das Wasser dass ich in meinen Mund gekriegt hatte aus. Diesbezüglich dann doch lieber spucken als schlucken. Ein schwerfälliges Lachen kam über meine Lippen, dass ich aber sofort wieder stoppte, als mein Blick auf meinen Alec fiel. Er sah aus wie tot. Alec sah aus als wäre er Tot! Ich stürzte mich beinahe auf ihn, um seinen Herzschlag zu fühlen. Gott sei Dank, er lebte! Doch seine Brust hob sich nicht. Wieder bekam ich Panik.

Verdammt ich bin 800 Jahre alt, also stell dich nicht so an! Du weisst doch was du tun musst! Schrie mein Gehirn mich an. Dann schickte es mir sogleich meine Kommandos in den Körper und ich funktionierte wieder. Ich beugte mich über Alec und begann damit ihn Mund per Mund zu beatmen. Gleichzeitig lagen meine Finger an seiner Nase, um ihn dort die Luftzufuhrt zu verschliessen. Dann atmete Alec plötzlich ein und richtete sich auf. Dann hustete er das ganze Wasser aus seiner Lunge. Zu dieser Zeit, hatte ich mich schon ein wenig von Alecs Kopf entfernt, da ich geahnt hatte, dass so etwas passieren könnte.

Als Alec sich wieder beruhigt hatte schaute er sich nervös um. Und erblickte schliesslich mich. Er sah mich an, als wäre ich oder er verrückt. Dabei sah er aus wie ein begossener Pudel. Dann begann er zu zittern und mit den Zähnen zu klappern. „Was... was ist passiert?"

„Süsser, du hast versucht, den East River leerzutrinken", sagte ich zu Alec, der jetzt erst bemerkte, dass auch meine Kleider mir wie eine zweite Haut am Körper klebte. „Ich habe dich rausgezogen."

Ich streckte meine Hand aus, um Alecs Kopf zu berühren."Du hast wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung."

„Ich muss zurück und kämpfen." Alec schob meine Hand beiseite. „Du bist doch Hexenmeister. Kannst du mich nicht... zum Schiff zurückfliegen oder so etwas? Und meine Gehirnerschütterung heilen, wenn du schon mal dabei bist?"

Idiot. Mistkerl. Schattenjäger! Fluchte ich ihm Stillen. Dummer, dummer Schattenjäger. Ich lies mich vor Erschöpfung gegen eine der Seitenwänd sacken.

„Tut mir leid.", sagte Alec, als ihm bewusst wurde, wie er geklungen haben musste. „Ich weiss, dass du uns nicht helfen musst... es ist nur ein Gefallen..."

„Moment. Ich tue dir keine Gefallen, Alec. Ich tue etwas für dich, weil... na ja, warum tue ich das wohl? was glaubst du?" Meine Augen blitzten.

Alec schwieg. Ich auch. Dann hob Alec den Kopf und schaute mich etwas hilflos in die Augen. „Ich muss wieder zum Schiff zurück."

Ich war zu erschöpft, um noch Wut zu empfinden. „Ich würde dir ja helfen", sagte ich. „Aber ich kann nicht. Die Demontage der Schutzschilde war schon ansträngend genug – Valentin verwendet einen starken, von Dämonenkräften genähten Bann. Aber als du gestürzt bist, musste ich schnell einen Zauber über den Pick-up legen, damit er nicht versinkt, wenn ich das Bewusstsein verliere. Und ich werde das Bewusstsein verlieren, Alec. Das ist nur noch eine Frage der Zeit." Ich fuhr mir mit der Hand über meine Augen. „Ich wollte nicht, dass du ertrinkst", sagte ich. „Der Zauber müsste so lange anhalten, dass du es mit dem Wagen bis an Land schaffst."

„Das... das wusste ich nicht." Alec schaute mich nun prüfend an. Und ich hatte nicht die Kraft dazu mein Gesicht vor ihm zu verbergen. Ich wusste, dass in meinem 19 jähriges Erscheinungsbild tiefe Spuren der Erschöpfung lagen. Meine Schultern hingen nur so herunter und falten durchzogen die Haut um Augen und Mund. Meine Haare fielen mir strähnig in die Stirn und ich musste aussehen wie ein nasser Penner.

Plötzlich streckte Alec die Hände aus. Sie schimmerten blass und runzlig im Mondlicht und waren mit Dutzenden von hellen Narben übersät. Verwirrt schaute ich erst Alecs Hände und dann wieder in sein Gesicht.

„Nimm meine Hände", sagte Alec. „Und meine Kraft. Was immer du brauchst... um dich am Leben zu halten."

Ich rührte mich nicht. „Ich dachte, du müsstest wieder zurück zum Schiff und jetzt willst du mit mir Händchen halten?"

„Ich muss kämpfen", erwiderte Alec. „aber das tust du doch auch oder?" Du bist genauso Teil des Kampfes wie die Schattenjäger auf dem Schiff – und ich weiss, dass du einen Teil meiner Kraft übernehmen kannst. Ich habe von Hexenmeister gehört, die dazu in der Lage sind, also biete ich sie dir an. Nimm sie. Sie gehört dir." Alec streckte mir erneut seine Hände entgegen und diesmal ergriff ich sie.

„Sicher?", fragte ich dennoch. „Ja, sicher."

Ich sah wie Alec seine Augen schloss und ich tat es ihm gleich. Dann begann ich Fremde Worte zu flüstern. Alte, weise Worte über Kraft, Willen, Freundschaft und die Liebe. Ich spürte das warme Kribbeln das durch meinen ganzen Körper pulsiert wird. Und auch Alec spürte es, denn er keuchte überrascht auf. Dann driftete ich langsam ab. Ich sah Bilder in meinem Inneren aufblitzen wie Sternschnuppen am Nachthimmel. Es waren Bilder von Alec. Alec wie er verwuschelt und errötend in der Tür stand. Alec, wie er schlafend in meinem Bett lag. Alec der mich küsst. Alec der sehnsüchtig Jace beobachtet. Alec der im Sterben auf dem Krankenbett lag. Alec bei unserem ersten Date. Alec wie er eifersüchtig Clary ansah. Alec wie er sich an mich schmiegt. Alec der mir liebevolle Sachen ins Ohr flüstert. Alec wie er lachte. Alec wie er mich küsst. Immer wieder. Meine Lippen. Meine Wange. Meine Nase. Alec wie er mir Knutschflecken verpasste. Alec. Alec. Alec. Alec. Nur er, immer und immer und immer und immer wieder. Alec, der mit mir schlafen wollte. Alec den ich daraufhin zurück drängte. Alec der da war. Der Alec, der niemals mein Alec sein wird. Alec, der mich nie lieben wird. Alec der mich verlassen wird. Alec, der mir das Herz brechen wir.

Mit einem Ruck riss ich meine Hände aus denen von Alec und riss meine Augen auf. Alec hatte noch ein leichtes Lächeln auf den Lippen, doch das verschwand als ich ihm meine Hände entriss. Auch er öffnete jetzt die Augen. „Ich..hast du auch... Dinge gesehen?", fragte er mich mit einem verwirrten Gesichtsausdruck. Ich nickte. Ja, hab ich, Alec. Hab ich. Aber nicht das gleiche wie du. Es tut mir leid Alexander. Aber ich kann mich nicht mehr mit dir treffen, du tust mir nicht gut. Es wäre besser, wenn du mich nicht mehr so ansiehst.

Doch was ich sagte war: „Hab ich. Und danke, ich kann deine Kraft in mir spüren."
Feigling!
„Und jetzt los, sonst verpasst du nach den ganzen Spa...

Knall!

In diesem Moment explodierte das Schiff hinter uns.

Der Anfang von Malec //boyxboyWhere stories live. Discover now