Kapitel 4-Freundinnentag

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„Du musst das hier anprobieren!", rief sie mit einem Mal aus der entgegengesetzten Ecke des Ladens und wieder richteten sich alle Augen auf sie. Ja, Kate war ein lauter Mensch, der sich allerdings nichts daraus machte. Schnell lief ich mit ein wenig Fremdscham zu ihr rüber. In den Händen hielt sie ein kurzes dunkelblaues Kleid, das mir bis zur Hälfte der Oberschenkel reichte. Es war dezent schwarz gemustert und um die Taille verlief ein Gürtel. Es war genau das, was ich gesucht hatte und einfach perfekt, sodass ich es Kate sofort aus den Händen riss.

„Ich wusste, dass es dir gefallen würde. Ab zur Umkleide, Häschen!", scheuchte sie mich in Richtung der Garderoben, ein kleines Schwarzes in ihrer Hand.

„Heiliger, du siehst wunderschön aus!" Kate riss mit einem Ruck unangekündigt den Vorhang auf und sah mich von oben bis unten an. Nachdem mein Herz sich wieder etwas beruhigt hatte von dem Schreck, setzte ich eine finstere Miene auf.

„Kannst du nicht warten? Was, wenn ich noch nicht fertig gewesen wäre?", fauchte ich sie an, obwohl kein Mensch außer wir beide in der Nähe der Umkleiden zu sehen war. Es ging einfach um's Prinzip.

„Mach dir keinen Kopf, ich habe vorher durchgeguckt. Ich kann auch noch nachdenken.", lachte sie. Ich konnte ihr nie lange böse sein, eine wahre Schwäche. Jetzt resignierte ich erst ihre vorherigen Worte und betrachtete mich selbst erstmal richtig im Spiegel, da sie mir schließlich noch keine Zeit dazu ließ. Sie hatte Recht, das Kleid sah wirklich nicht schlecht an mir aus. Der Stoff fühlte sich noch dazu auch toll an auf meiner Haut. Ich liebte diesen eleganten Stil. Ohne lange zu überlegen, wusste ich, dass ich es kaufen würde. Der Preis sollte dies bestätigen. Es tat einem für die Besitzerin und einzige Verkäuferin hier im Laden schon fast Leid, dass sie für diese schönen Kleider immer so wenig verlangten.

Dann glitt mein Blick zu Kate, die ebenfalls wahnsinnig toll aussah in ihrem schwarzen, engen Kleid mit Spitze.

„Gekauft?", fragte sie mein Spiegelbild.

„Gekauft.", grinste ich ihr entgegen.

„Hallo Mädels. Da habt ihr euch aber wieder was Schönes ausgesucht.", begrüßte uns Rosie an der Kasse. Ich schätzte sie auf Ende 60, ihre grauen Haare, ihre vom Alter gezeichnete Haut und ihr altmodischer Kleidungsstil verbargen das nicht gerade. Sie war eine nette alte Dame. Eine von der Sorte, die man einfach gern haben musste und die einen behandelte, als wäre man ihr Enkelkind. Schon allein wegen ihr kamen Kate und ich oft hierher.

„Selbstverständlich haben wir das, immerhin hast du sie ja gemacht.", antwortete Kate. Das stimmte, Rosie fertigte alle Kleider hier selber an, damit war fast jedes ein Unikat und ich bewunderte sie dafür, dass sie immer wieder so viele neue Ideen hatte.

„Was machst du am Wochenende?"

„Ich fahre zu meinen Eltern. Sophie kommt auch. Ich habe sie so lange nicht gesehen."

„Bestell allen liebe Grüße. Mal sehen, was ich mit mir anfangen werde, Allain fährt über das Wochenende auch weg zu so einem blöden Junggesellenabend. Falls ich erfahren sollte, dass er dort jemanden abschleppt, dann ticke ich aus." Ich griff nach ihrer Hand und lächelte ihr beruhigend zu. So sehr sie Allain auch liebte und vertraute, diese Unsicherheit verließ sie nie und mir wäre es wohl auch nicht anders gegangen.

„Du weißt, dass das nicht passieren wird."

„Stimmt auch wieder. Irgendwie kommt es mir so vor, als würden momentan alle heiraten. Erst meine Mutter zum gefühlt zwanzigsten Mal, dann mein Bruder, jetzt dieser Kumpel von Allain." Ihre Mutter hatte vor ein paar Wochen zum fünften Mal geheiratet. Sie wechselte ihre Ehemänner, wie Männer ihre Unterhosen.

„Vielleicht bekommt Allain dort ja auch Lust zu heiraten.", munterte ich sie auf.

„So lange ich diejenige bin, dann gerne.", lachte sie. „Obwohl ich es bezweifle. Er wird eher Lust auf eine Trennung bekommen. In den Filmen gehen die doch immer in Stripclubs. Er könnte vielleicht merken, dass er noch frei sein will."

„Ach Quatsch, das sind nur Filme. Er liebt dich und wird dich so schnell nicht verlassen. Mach dir keine weiteren Gedanken darum." Wir saßen in einem Café in der Stadt und genossen die Sonne und das schöne Wetter, ganz anders als der starke Regen letztens. Das Wetter war so launisch. Ich hoffte stark, dass Allain sich bald dazu durchringen würde, Kate einen Heiratsantrag zu machen. Andernfalls sollte ich ihm mal einen richtigen Stoß verpassen, damit er diesen Weg endlich mit Kate einschlug. Gedankenverloren löffelte ich in meinem Kaffee herum. Ich trank ihn immer schwarz, das machte munter und in meinem Fall auch viel bessere Laune. Ich dachte in dem Moment an gar nichts, stierte einfach nur in den Kaffee, in dem sich die Sonne wie eine kleine weiße Kugel spiegelte.

„Hallo? Hörst du mir zu?" Kate fuchtelte mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum. Ich hatte ihr tatsächlich nicht zugehört, aber das wusste sie schließlich von allein.

„Was? Tut mir leid, was hattest du gesagt?", schreckte ich auf.

„Also, nochmal für Tagträumer. Unglaublich heißer Typ auf 12 Uhr." Sie nickte dezent mit dem Kopf hinter mich. Das war noch sowas Typisches an ihr. Sobald sie jemand auch nur annähernd Gutaussehendes sah, wollte sie mich mit ihm verkuppeln, nur ging das meist schief, falls ich mich überhaupt mal darauf einließ, was eigentlich nur im völlig betrunkenem Zustand geschah, da mich meine Unsicherheit meist daran hinderten.

„Komm schon, dreh dich um bevor er weg ist!", forderte sie mich auf, die Augen immer noch auf den Typen hinter mir gerichtet.

„Nein, ich werde mich garantiert nicht umdrehen. Das ist ja peinlich.", wehrte ich mich gegen meinen eigenen Drang, mich umzudrehen.

„Wie du willst, aber du weißt nicht was dir entgeht. Oh Gott, heißer Typ eins redet mit heißen Typen zwei. Jetzt gibt es schon zwei von denen!" Nun musste ich mich leider doch umdrehen, die Neugierde siegte. Zuerst nahm ich einfach nur zwei Männer wahr, die sich unterhielten und verdammt gut aussahen, wie es Kate versichert hatte, doch dann verschlug es mir den Atem, als mir einer der beiden Männer sein Gesicht zuwendete. Selbst aus der Entfernung wurde mir sofort wieder warm. Es war John, so gutaussehend wie eh und jäh. Heute trug er noch dazu ein Buttondown-Hemd, was ihn fast noch attraktiver erschienen ließ. Er schien nicht weniger überrascht als ich. Erst war sein Blick ausdruckslos, kurz sogar geschockt, dann lächelte er aber leicht und wendete sich wieder dem anderen Mann zu, welcher daraufhin ebenfalls in meine Richtung sah. Schnell drehte ich mich wieder rum, das Gesicht brennend heiß.

„Ist alles in Ordnung oder sollte ich lieber den Arzt rufen, du siehst nämlich so aus, als würdest du gleich explodieren.", fragte Kate schmunzelnd. „Ich habe doch gesagt, die Typen sehen heiß aus."

„Ja, du hattest Recht, aber..."

„Hallo Ladies." Ich fuhr kurz zusammen, neben unserem Tisch tauchte plötzlich ein Mann auf. Für einen Moment hatte ich die Befürchtung, die Hoffnung, es könnte John sein, doch den Klang seiner Stimme hatte ich mir eingeprägt. Nach dem Blinzeln gegen das Sonnenlicht konnte ich sehen, dass es der Mann neben John vorher war. Ich wusste vor Schreck gar nicht, was ich antworten sollte, doch er übernahm es schon. „Ich bin Derek. Habt ihr etwas dagegen, wenn ich mich zu euch setze?" Vor Grinsen schien das Gesicht von Kate fast zu zerplatzen und nickte übereifrig, worauf sie mich sofort mit einem hinweisenden Blick ansah. Sie hatte eindeutig ein Ziel für mich.

„Hallo Derek, freut mich. Ich bin Kate und das da drüben ist meine Freundin Samantha.", stellte uns Kate vor.

„Bitte nur Sam!", warf ich ein. Ich mochte es nicht, wenn man mich Samantha nannte. Der Name klang viel zu förmlich und zu lang. Wir verfielen in ein übliches Smalltalk Gespräch, doch ich musste feststellen, dass Derek wirklich sympathisch war und etwas anziehend auf mich wirkte, nur konnte er mit John nicht mithalten. Allerdings schweifte mein Blick die ganze Zeit durch die Gegend, in der Hoffnung, sie könnten nochmal John erblicken, wurden leider enttäuscht.

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