Du auch hier?

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"Ich bin übrigens Lukas. Und wie heißt du?", stellt sich der Junge mir vor, während wir zusammen durch die, für mich, vollkommen verwirrenden Flure laufen.
"Anna", gebe ich zurück. Ich will eigentlich noch mehr sagen, um diese Stille zwischen uns zu beenden aber mir fällt einfach nichts ein. Auch von Lukas kommt nichts mehr bis wir vor einer Holztür mit der Aufschrift 'Sekretariat' stehen.

"So da wären wir. Vielleicht sieht man sich ja mal wieder", lächelt mich Lukas an.

"Danke für deine Hilfe und ich hoffe es", lächel ich zurück. Der Junge scheint wirklich nett zu sein und ich schätze er ist auch etwa in meinem Alter.

Einmal tief durch atmen und dann möglichst selbstbewusst die Tür öffnen. An einem Tisch sitzt eine junge zierliche Frau, welche in ihren Computer vertieft ist.
"Morgen", lenke ich ihre Aufmerksamkeit auf mich.
"Morgen, was kann ich für dich tun?". Die kleine Frau erhebt sich und kommt auf mich zu.
"Ich sollte mich hier melden. Ich bin hier neu auf der Schule", antworte ich.
"Ah, dann musst du Anna Wagner sein. Herr Becker kommt gleich und nimmt dich mit. Am besten wartest du einfach vor der Tür."
"Gut, danke".
Und schon stehe ich vor der Tür.

Lange muss ich nicht warten, denn wenige Augenblicke später steht ein Mann neben mir, der sich als Herr Becker, mein neuer Klassenlehrer vorstellt. Er ist Mitte 40, relativ groß und schon ziemlich dünne Haare. Sein Gesicht ziert ein freundliches Lächeln, was ich nur erwidern kann. Auf den ersten Blick scheint er wirklich nett und angenehm zu sein. Glück gehabt.

Mit schnellen Schritten laufe ich neben ihm her in Richtung meines neuen Klassenraums. Auf dem Weg erzählt er mir schon viel über meine neue Klasse. Um mir aber was zu behalten, bin ich viel zu nervös. Gleich werde ich meine neue Klasse treffen, in der ich es noch drei Jahre aushalten muss.

Als wir vor einer Tür mit der Raumnummer 169 stehen sind meine Hände komplett verschwitzt. Verzweifelt wische ich sie mir immer wieder an der Hose ab. Ich muss jetzt unbedingt selbstsicher wirken, was ich eigentlich überhauptnicht bin. Das klingt jetzt vielleicht doof aber manche Schüler sind wie Tiere. Sie spüren es förmlich wenn du Angst hast oder unsicher bist und dann bist du ein leichtes Ziel.

Ohne zu zögern öffnet Herr Becker auch schon die Tür. Im Klassenraum sitzen zwar alle an ihren Plätzen, reden aber alle lauthals miteinander. Erst als sie mich sehen verstummen auf einen Schlag alle Gespräche und mehr als zwanzig Augenpaare sind auf mich gerichtet. Jeden meiner Schritte nehmen sie zur Kenntnis.

"Das ist eure neue Schülerin. Willst du dich vielleicht selbst vorstellen?"

"Ja kann ich machen. Also ich heiße Anna Wagner und komme ursprünglich aus einem kleinen Ort in Bayern. Mit meiner Familie bin ich vor einer Woche hier her gezogen."

Dass ich aus Bayern komme hört man eigentlich schon. Ich bemühe mich immer möglichst gutes Hochdeutsch zu reden aber man hört es eben doch immer durch. Vorallem wenn ich was getrunken habe verstehen mich die meisten Leute nicht mehr, außer eben die, die auch von dort kommen.

"Dankeschön. Am besten setzt du dich zu Lukas."
Als ich den Namen höre, lasse ich meinen Blick zum ersten Mal durch den Raum wandern. Ganz hinten in der Ecke sitzt er, der Junge der mir eben geholfen hat. Sofort breitet sich ein Lächeln in meinem Gesicht aus. Besser kanns ja garnicht laufen.

Froh darüber, dass ich endlich mal Glück habe mache ich mich auf den Weg zum einzig freien Platz. Auf dem Weg dorthin höre ich kurz eine Mädchenstimme zu ihrer Freundin flüstern:"Die Arme, neu an der Schule und dann gleich neben diesem Spinner sitzen. Das nenne ich mal Pech". Da ich das wahrscheinlich nicht mitbekommen sollte, drehe ich mich auch nicht um, obwohl ich dem Mädchen so richtig gerne mal aufs Maul gehauen hätte. Ich glaube nämlich nicht dass Lukas ein Spinner ist.

Meine Wut unterdrückend setze ich mich neben Lukas und lächel ihn an. "So schnell sieht man sich also wieder", sage ich mit einem Grinsen. "Mhm", ist das einzige was Lukas von sich gibt. Etwas verwundert will ich fragen was auf einmal los ist, als Herr Becker wieder anfängt zu reden.

"So jetzt hat Anna sich vorgestellt, dann seid ihr jetzt dran."

Jeder aus der Klasse stellt sich mir vor, mit Namen, Hobbys und vielem mehr. Das Mädchen was eben so schlecht über Lukas geredet hat, stellt sich als Melanie vor. Sie tanzt Ballett und ist auch sonst sehr sportlich. Wer mich aber am meisten interessiert kommt als aller letztes dran. Lukas. Ich will mehr über ihn erfahren. Bestimmt hat er ein sehr interessantes Hobby. Also denke ich mal.

"Ja, ich bin Lukas und das wars eigentlich", ist das einzige was ich von ihm erfahre. Etwas enttäuscht schaue ich ihn an. Ich hab echt mehr erwartet, aber ich werde in der Pause einfach mal mit ihm reden.

Die ganze Stunde lang redet Herr Becker nur über alles mögliche. Arbeiten, das Abitur und die bevorstehende Klassenfahrt. Das auch noch.

Immer wieder probiere ich flüsternd ein Gespräch mit Lukas zu beginnen, doch nachdem er jedes Mal nur kurze abgehackte Antworten gegeben habe ich es letztendlich aufgegeben.

Ich will mehr sein als ein guter Bekannter  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt