Now You Know

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(Das Lied ist auf Soundcloud.com auch in der "Ich-Bin-Kein-Nighcore"-Version zu hören. Meiner Meinung nach empfehlenswert. ~ Zella Day x Vanic - High)

An diesem Morgen wachte ich bereits mit einem breiten Lächeln auf den Lippen auf.
Mein Kopf war tief vergraben in den weichen Kissen und ich war von einer wohligen Wärme umgeben, weshalb ich vorerst nicht plante, mich aus dieser bequemen Position zu bewegen. Ein wohliges Seufzen entfloh mir und ich blinzelte zum Wecker, der kurz nach 10 AM anzeigte.
Gott, danke. Endlich eine vernünftige Zeit, wach zu werden.
Ein Glück, dass heute Samstag war und ich mich nicht zur Schule quälen musste. Die Frage, wie ich Ray gegenübertreten würde, stellte sich mir jedoch trotzdem, ich hatte nämlich keine Ahnung.
In dem Moment, in dem ich mich an Ray erinnerte, hüpfte auch Tristan in meinen Kopf.
Und in mein Sichtfeld.
"Du bist wach! Heiliger Himmel, endlich", hörte ich dann auch seine Stimme.
Ich seufzte erneut - diesmal genervt. Aber auch nur ein wenig. Fast schon wünschte ich mir, er sei wieder weg.
Dann verabschiedete ich diesen Gedanken wieder und setzte ein verkniffenes Lächeln auf.
"Was aber nicht bedeutet, dass ich vorhabe, aufzustehen!", murmelte ich verschlafen. "Du hast doch das Buch..."
"Als ob ich die ganze Zeit lesen würde", unterbrach Tristan mich. "Da war es ja langweiliger allein in meinem Zimmer zu sitzen, meine Eltern auf der Suche nach mir zu sehen."
Es schien so, als bildete ich es mir ein, aber für mich wirkte es als würde Tristan für einige Sekunden leicht flackern. "Ich möchte wieder ein Mensch sein."
Ich gab den dringenden Wunsch auf, weiter zu entspannen und richtete mich schläfrig auf.
"Du warst ein Mensch?"
Eigentlich schien das logisch. Immerhin sprach er andauernd davon, dass er wieder gesehen werden wollte, oder dass niemand mehr mit ihm sprach. Das alles setzte natürlich voraus, dass es mal so gewesen war.
Tristan schaute mich an und ein Grinsen umspielte seine Mundwinkel, jedoch verdrehte er gespielt die Augen.
"Natürlich. Denkst du, Geister werden einfach so geboren?"
Ich schnappte nach Luft.
"Du bist also gestorben und zum Geist geworden?", keuchte ich. Das war ja schlimmer als Supernatural in Real Life! Mitleid überschlug sich in mir.
"Ich glaube nicht. Meine Erinnerungen sind total verschwommen und ich sehe einen Wald. Einen verdammten Wald, in dem ich noch nie war."
Zu dem Zeitpunkt fasste ich einen Entschluss, wie mir jedoch erst später bewusst wurde. Ich würde Tristan helfen, egal was es kosten würde, wieder zu dem zu werden, dass er vorher war. Schließlich hatte er mich ja auch gerettet.
"Ein Wald?"
Tristan seufzte. "Lass uns nicht darüber reden."
Ich nickte stumm.
In meinem Kopf jedoch herrschte ein tosender Sturm. Bilder von Wäldern in der Nähe wurden wie eine Diashow vor mein inneres Auge geworfen und in Dauerschleife abgespielt. Unwissend wie ich war hatte ich keine Ahnung, was dort geschehen sein könnte, aber die Bilder in meinem Kopf waren düster und neblig, ließen mir eine Gänsehaut den Rücken hochkriechen.
Schnell konzentrierte ich mich wieder auf Tristan, der mittlerweile im Schneidersitz auf dem Boden saß und mich interessiert musterte.
"Ich mache mich fertig und dann können wir etwas unternehmen", schlug ich irgendwann vor.
Tristans Gestalt erhellte sich für einige Sekunden und blitzte ein wenig im Licht hervor, als würde er die Energie der Sonne in sich hineinlaufen lassen.
Mittlerweile war ich mir sicher, dass sich dieses Verhalten seines Körpers nicht bloß in meinem Kopf abspielte. Tatsächlich schien er so seine Emotionen nach außen zu tragen, was mich auf eine angenehme Art und Weise faszinierte.
"Hast du nichts mit deinen Freunden vor?", wollte er wissen und sah mich beinahe ungläubig an. Ich schüttelte schnell den Kopf und ein Lachen entfloh mir.
"Meine Freunde treffen sich heute tatsächlich, aber Ray gehörte bisher auch zu ihnen und wird mit Sicherheit auch aufkreuzen", erwiderte ich langsam, abwägend ob es das wert war. Aber das war es nicht. Ich hatte jemanden, der kein Arsch war, mit dem ich den Tag verbringen konnte, wieso sollte ich also mit diesen Affen Vorlieb nehmen und mich am Strand mit ihnen auseinandersetzen? Da lehnte ich dankend ab.
Tristan nickte verstehend.
"Apropos Freunde - hat eine Freundin von dir sich hier mit Parfum ausgelebt, oder warst du das?", wollte er wissen, ein schelmisches Lachen auf dem Gesicht.
Ein Seufzen entfloh mir. "Crystal. Sie ist etwas schwierig, aber man kann mit ihr fantastisch Horrorfilme schauen, Elena ist viel zu zimperlich", sinnierte ich dann. "Aber echte Freunde sind wir nicht. Wir erzählen uns nichts, haben keinen Spaß in Freizeitparks oder so und man könnte beide eher als nervenaufreibende Anhängsel beschreiben."
Tristan lachte ein wenig. "Das hört sich nicht an, als hättest du eine allzu angenehme High-School-Zeit."
Ich nickte. "Lass uns nicht darüber reden", imitierte ich dann Tristan und sah ihn herausfordernd an.
"Kannst du dich aus dem Staub machen, während ich mich umziehe?", befahl ich eher, als dass ich fragte.
Ohne Kommentar zwinkerte Tristan mir schelmisch zu und verschwand dann in weniger als zwei Sekunden.
Ich lachte leicht.
"Bist du wirklich weg oder unsichtbar und beobachtest mich gleich?", wollte ich dann unsicher wissen.
Gerade als ich dachte, das Tristan wie befohlen weg war, tauchte er genau vor mir wieder auf. Ich starrte ihn empört an.
"Kein Unsichtbarmachen mehr!", maulte ich.
"Ertappt", lachte er mehr oder weniger und hob die Hände. Sein warmer Atem streifte meinen Hals, ehe ich mich schnell abwandte um aufzustehen und zum Kleiderschrank zu laufen.
"Na los!", rief ich, als Tristan noch immer nicht weg war.
Diesmal lief er weg, und zwar mitten durch die Tür.
Eine Sekunde machte ich mir Sorgen, dass er gegen sie laufen würde, aber dann wurde mir bewusst, dass er keine plastische Gestalt hatte. Jedenfalls momentan.
Während ich irgendeine Jeans und ein schwarzes T-Shirt aus dem Schrank zog, zerbrach ich mir den Kopf über mögliche Gründe für Tristans Verwandlung in eine... Fata Morgana mit Mundwerk.
In Sekundenschnelle schlüpfte ich in die neuen Klamotten und warf meine alten vorbildlich in den Wäschekorb, ehe ich noch schnell ins Badezimmer ging um meine Zähne zu putzen und meine Haare zu kämmen.
Mein Blick lag auf meinen Augen, ich lieferte mich einem Starr-Battle mit mir selbst.
Ich strahlte geradezu, und das nicht, weil ich verrückt war.
Schnell riss ich mich von meinem Spiegelbild los, warf die Bürste auf die Ablage und stürmte etwas zu eilig aus dem Badezimmer, wobei ich die Tür zu meinen Zimmer heftig aufknallte.
Ich zuckte zusammen, genau wie Tristan auf meinem Be-
Moment, auf meinem Bett?
Ich war sprachlos. Was sollte ich auch sagen, ohne komisch zu klingen? Was machst du auf meinem Bett?! Runter da! Nein.
Das einzige, was ich tat, war Tristan sprachlos zu betrachten, wie entspannt er in meine Privatsphäre eingedrungen war.
Und mich störte es nichtmal.
Ich hatte begonnen, meinen Geist zu mögen.

Invisible Love #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt