Kapitel 52

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Schmerz. Nichts als Schmerz. Mein Kopf, meine Brust. Meine Rippen, meine Arme. Schmerz. Schmerz und gedämpfte Stimmen in der Düsternis. Ich kann meine Augen nicht öffnen, auch wenn ich es noch so sehr versuche. Die Stimme wird immer klarer...Ein Lichtstrahl in der Dunkelheit. „Lasst sie schlafen, sie muss sich ausruhen", das Flüstern meiner Mutter. „Aber sie schläft schon so lange...", beschwert sich Blendjona. Wieder streckt die Bewusstlosigkeit die Arme nach mir aus, zieht mich sich hinab, ins köstliche Vergessen, fort von den Schmerzen.

Alles fühlt sich so schwer an; meine Glieder, mein Kopf, meine Lider. Ich kann mich nicht bewegen. Meine Augen und mein Mund weigern sich, mir zu gehorchen. Ich liege da, blind und stumm, gefangen in meinem eigenen Körper. Ich bemerke, wie sich der Nebel um mich zu lichten beginnt, wie mein Bewusstsein allmählich klarer wird, wie eine verführerische Sirene, nur knapp ausserhalb meiner Reichweite. Stimmen schälen sich aus der Kulisse diffuser Geräusche. «Sie hat so viel durchgemacht das letzte halbe Jahr. Sie wird Zeit brauchen, um den Verlust zu verarbeiten...» Papa!. Wessen Verlust? «Es wird...", wieder umhüllt mich der Nebel und zieht mich in die Tiefe.

„Qika Mamit...Was hat bloss Gott mit dir vor", Mama. «Ich bete jeden Tag für dich...", sie schluchzt. Mama? Wieso weint Mama? „Ich weiss nicht genau, was passiert ist, oder warum Gott es so vorgeschrieben hat..." „Mama, das war so geschrieben...", Blendjona. Ihre Stimme klingt beinahe wie ein Schluchzen. Nein...

„Mirjeta, ich habe ein Mädchen kennenglernt, ich glaube du wirst sie mögen...Aber ich weiss nicht, ob ich gut genug für sie bin. Sie hat die schönsten Augen der Welt, das bezauberndste Lachen, das ich je gesehen habe und die wärmste Art, die ich je von einer fremden Person gespürt habe...", ich merke wie sich eine Hand um meine legt und Edon seufzt. „Ich glaube ich habe mich in sie verliebt...", die Welt dreht sich um mich, alles verschwimmt und dann bin ich verloren.

Ich werde behutsam mit einem sanften Streicheln aufgeweckt, lächelnd blinzle ich in das helle Tageslicht und blicke geradeaus in das Gesicht meiner Mama. „Mami...", krächze ich mit meinem trockenen Hals. „Qika jeme (Mein Mädchen) Willst du was trinken?", fragt sie fürsorglich und steht auf. Ich nicke und strecke mich vorsichtig im Bett. Ich habe so einen Bärenhunger und richtig Durst! Mama steht auf und geht aus meinem Zimmer. Verwirrt schaue ich in mich umher. Edon guckt vorsichtig zwischen den Türspalt rein und kommt vorsichtig rein.

„Hi Schwesterherz" „Hallo", erwidere ich ein wenig abwesend. „Hast du Lust mit mir und ein paar Freunden später etwas rauszukommen? Etwas Ablenkung?" „Ja, gerne", ich habe das Gefühl ich bin gefangen, schon seit Tagen halte ich mich in Zimmern auf und komme nie raus. Ich will raus und ich muss raus.

„Okay, gut. Ich geh schnell noch was erledigen und später machen wie uns einen coolen Abend", er zwinkert mir zu und verlässt wieder den Raum.

Komisch, ich kann mich an nichts mehr erinnern. Was ist heute für ein Tag und wie lange habe ich geschlafen? Ich stehe langsam auf und schlüpfe in meine Hausschuhe rein, ehe ich zur Küche schlendere, wo ich Papa und Mama flüsternd vorfinde.

„Was ist los hier?", will ich schmunzelnd wissen. Abrupt halten sie an und Papa schaut mich bekümmert an. Mama wird ganz nervös und lässt ausversehen das Besteck fallen. Irgendwas stimmt hier nicht.

„Willst du deine Omeletten mit Honig oder Nutella?" wechselt Mama das Thema.

„Nutella. Wo ist Blendjona?"

„Bei einer Freundin", antwortet mir Papa.

Ich setzte mich hin und schaue aus dem Küchenfenster hinaus. Es ist erst Morgen und Gewitterwolken ziehen auf. Wo will Edon hin, bei diesem Wetter? Und was hat er gemeint mir „Ablenkung". Hat er Stress?

Ich beschliesse nach dem Essen kurz Enver zu besuchen. Das habe ich mir fest vorgenommen. Ich muss wissen, was mit Arton los ist.

Als Mama mir die Omeletten vor mir tischt erzähle ich meinen Eltern von meinem Vorhaben. Mama's Gesicht wird augenblicklich bleich, während Papa seine Brille auf seiner Nase rauf rückt und mich besorgt ansieht. Abrupt hör ich auf zu essen. „Was ist?"

Mama setzt sich mit ihrem Kaffee hin und verschränkt ihre Hände ineinander. Ich schlucke. „Könnt ihr mich bitte aufklären?", meine Stimme ist nur ein Hauchen.

„Mirjeta. Mein Liebling...", fängt Papa an. Er fährt sich durch seine braun-grauen Haare und tauscht einen komischen Blick mit Mama aus, den ich nicht deuten kann. Ich verstehe die Welt nicht mehr, was ist passiert? Muss ich wieder ins Spital?

„Was soll dieses Theater?", ich haue mit meiner Handfläche auf den Tisch, woraufhin Mama aufschreckt. „Sorry...wollte nicht, dass du dich erschreckst...", entschuldige ich mich sofort.

„Du warst im Spital. Du bist in Ohnmacht gefallen, als du den Sohn von Herrn Hader besuchen gingst...Arton", sagt mein Vater langsam, aber deutlich.

Wann bin ich Arton besuchen gegangen? Das ist doch ein schlechter Traum?

„Wie bitte? Wann habe ich...", ich höre mitten im Satz auf und wie eine Welle stürzen dir Erinnerungen auf mich ein. Arton's bleiches Gesicht, Arton's lebloser Körper, Majlindas hysterisches schreien und weinen. Arton.

„Was ist danach passiert? Sagt mir, hat er es... hat er es..." „Das tut uns schrecklich leid Miri", sagen meine Eltern mit trauriger Miene und Tränen in den Augen.

Fati im ( Mein Schicksal )Where stories live. Discover now