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Maya starrte auf die vielen silbernen Anhänger, die von ihrer Decke baumelten.

»Du musst das Meer beseitigen. Nimm einen Lappen und wisch es weg!«

Sie wollte nicht.

»So ist es schöner«, murmelte sie.

»Du musst. Und räume endlich das Chaos an deiner Decke weg.«

Maya sah auf. Müde, grüne Augen. Ihr Vater würde sterben. Er wusste es nur noch nicht. Doch er lächelte nicht mehr.

»Nur, weil es Susanne nicht gefällt.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Ihre Stiefmutter wusste nichts von Farben, verstand nichts vom Loslassen und weil sie es nicht verstand, wollte es ihr Vater auch nicht verstehen. »Das Meer ist faszinierend.« Maya musste lächeln, wenn sie an ihr Kunstwerk dachte. »Ein Meer aus Farben. Ja, so ist es besser.« Sie nickte kurz und schaute dann zu ihrem Vater. »Das musst du zugeben. Gerade du als Arzt, musst wissen, dass der Mensch alles hat, was er braucht, um wunderschön zu sein.«

Er schwieg. Er lächelte nicht.

Maya stand auf. »Du musst lächeln, Papa«, sagte sie zu ihm und drückte kurz ihren Kopf an seine Brust. »Mach dir die Haare pink und grün, wie du es früher immer gemacht hast, wenn ich etwas angestellt habe«, flüsterte sie, ehe sie an ihm vorbei die Treppe nach unten ging und sich ins Badezimmer einschloss.

Stille.

Ein Auto rauschte leise von der Landstraße her vorbei.

Stille.

Sie betrachtete die vielen, verschwommen Wellenlinien an den Kacheln hinter der Badewanne, die ein ganzes Bild ergaben. Susannes Schminkausrüstung lag in der Wanne und ein kleines Rinnsal buntem Wassers floss noch Richtung Abfluss.

»Das hast du gut gemacht, kleine«, sagte sie sich selbst. »Und jetzt musst du es wieder aufwischen. Mach es wie die buddhistischen Mönche, Liebling. Erschaffe etwas Wundervolles und dann lass es gehen. Mach dich frei wie ein Vogel.« Mayas Augen brannten und als sie sie schloss, fühlte sie warme Tränen über ihre Wange rollen.

Maya machte alles restlos sauber, wie es die buddhistischen Mönche gemacht hätten, wie sie es von ihrer Mutter gelernt hatte. Dann nahm sie einen einigermaßen heilen Lippenstift aus der Wanne, drehte sich zum großen Spiegel, der über den beiden Waschbecken hing und schrieb ihrer Stiefmutter folgende Botschaft: Das Echo ihrer Gedanken blickt dir jeden Tag traurig entgegen, wenn du in den Spiegel schaust, weil sie weiß, dass du die Art bist, wie mein Papa versucht, sie zu vergessen.

ArjenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt