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Maya betrachtete die reglose Gestalt, die in mitten des Sees stand. Sie glaubte zu träumen, aber sie erinnerte sich daran, wie sie hierherkam, also konnte es kein Traum sein.

Das Mondlicht schien durch die Ranken der Trauerweide und schimmerte matt auf dem Wasser, das sich in seichten kreisrunden Wellen von ihm fortbewegte.

Maya spürte wie seine Regungslosigkeit auf sie überging. Alles war still, sie konnte sich selbst atmen hören; ein mächtiges Geräusch, das von der Erde unter ihren Füßen zu kommen schien. Sie spannte ihre Rückenmuskulatur an, neigte den Kopf zur Seite und hob nur ganz leicht die Hand. Der Junge schaute zu ihr herüber. Aufmerksam, wachsam.

»Du hast mich nie gesehen«, sagte eine ruhige, sanfte Stimme. So sachte, wie die Wellen ans Ufer schwappten. Mayas Atmung wurde langsamer, tiefer, sie konnte nun ihren Herzschlag fühlen. Am liebsten hätte sie weiter so gestanden, nichts gesagt, nur geschaut, und gefühlt – die Nacht gefühlt, das Wunder gefühlt. Aber sie musste etwas sagen, denn, sie hatte ihn gesehen.
»Was sagst du denn da?« Sie zwang sich einen Schritt Richtung Ufer zu machen. Eine Eule heulte leise, der Wind rauschte wispernd durch die Blätter. Es schien, als wäre die Welt mit ihrem Schritt zum Leben erwacht.

»Du wirst mich vergessen«, sagte der Junge. Das Mondlicht zeichnete die Schatten der Zweige umliegenden Weiden auf sein blasses Gesicht.

»Wieso sollte ich dich verge-« Ihr Mund fühlte sich ausgetrocknet an und sie musste schlucken, um ihren Satz zu beenden. »Dich vergessen?«

»Weil es nicht gut ist für mich, gesehen zu werden. Weil du mich vergessen wirst, wie all die anderen auch.«

»Wie könnte ich vergessen, dass-, du stehst-«

»Geh nach Hause. Schlaf. Wenn du magst, träume von mir, aber am Morgen, wirst du mich vergessen haben.«

ArjenWhere stories live. Discover now