Hold on tight | 1

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L U K E

> Eigentlich schrieb ich selten, aber wenn ich es tat, dann kam alles aus mir heraus, was ich so lange in mich hinein gefressen hatte. Alles, was ich verdrängt hatte, kam zwangsweise in Deutsch Klausuren oder Tagebucheinträgen zum Vorschein, die meine Mitschüler höchst amüsiert ins Internet stellten und jegliche, private Auszüge ausdruckten und jeden Quadratmeter der Schule damit zukleisterten. 

Ich hatte wenige Freunde, eigentlich hatte ich keine Richtigen. Meine Freunde waren James aus meinem Chemie Kurs, der sich alle fünfzehn Minuten gründlich die Brille mit seinem verschwitzten Hemd putzte. Aber er war immer nett zu mir und bot mir jede Pause eines seiner zerquetschten Schokobrötchen an, die wohl schon seit dem ersten Schultag der fünften Klasse in seiner zu engen Schultasche überlebten. Doch seine schwarz gefärbten Haare und seine komische, graue Cap, die er immer trug, machten ihn dann doch wiederum zu einer der vielen Hipster, die anscheinend dabei waren, die ganze Welt zu ruinieren. Dann gab es da aber noch Juliet. Das blonde Mädchen war in keinen meiner Kurse, dennoch verbrachten wir jede Mittagspause zusammen in der Bibliothek, wenn sie dort erschien. In den letzten Tagen war sie nicht in der Schule. Da merkte ich erst, was für ein armseliges Leben ich führte. 

Es klingelte pünktlich zur letzten Stunde des Tages und alle seufzten erleichtert auf, als Mathe vorbei war. Nur noch Englisch musste ich überleben. Langsam packte ich meine Sachen in den schwarzen Rucksack, den ich schon seit Ewigkeiten als Schultasche benutzte, und nebenbei von meinem großen Bruder Jack bekam, der der Beliebteste an der Schule war. Zu seiner Zeit, natürlich. Aber die war schon seit fünf Jahren vorbei. Seufzend trottete ich aus dem Raum, konnte mir Sprüche und Gekicher von den Mädchen und deren schwulen besten Freunden anhören. Aber auf diese reagierte ich schon seit Wochen nicht mehr. Ich hatte gelernt, mit meinem Schicksal zu leben. Was blieb mir denn auch anderes übrig? Gerade steuerte ich auf den Klassenraum zu, der im gleichen Flur lag, wie mein Spind. Da mein blauer Schrank wieder bekritzelt worden war, ging ich einfach wortlos dran vorbei, wurde aber direkt durch ein schrilles Geräusch gestoppt. "Alle raus, Marsch!", hörte ich Mrs Smith durch den Flur hallen. Mit schnellen Schritten machte ich mich aus dem Staub, spürte nur die wenigen Tropfen der Sprinkleranlage, die den Flur von den Flammen befreite, die aus den Chemie Räumen empor stiegen. Mit riesigen Augen starrte ich vom Schulhof aus zu den verbrannten Fenstern. Es sah für einen kurzen Moment so aus, als hätte ich eine Person in einen der sowieso schon verkommenen Chemie Räume gesehen. Aber dies war kein Feuerwehrmann. Ein Schüler vielleicht? Wie dumm musste man sein? Ob die Schule nun in die Luft gehen würde? Die Mädchen aus den unteren Stufen machten Selfies und Videos vom brennenden Gebäude, wofür ich mich innerlich schämte, in dieser Generation leben zu müssen. Auf einmal tippte mir jemand auf die Schultern, lächelte mich an und zog mich einfach vom Schulgelände, während der starke Fremde mir den Mund zu hielt. Als ob ich mich wehrte. Jemand entführte mich, holte mich aus der Schule raus. Da widersprach ich doch nicht. 

Breakin {Cake ff}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt