39 | KYLIE

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„Oh mein Gott, was willst du denn hier?" entfuhr es mir, als ich die Tür geöffnet hatte und sah, wer davor stand.

„Mich freut es auch, dich wiederzusehen", bekam ich zur Antwort und ich schüttelte verwirrt meinen Kopf. Mein Herz raste und meine Handflächen wurden schwitzig, so geschockt war ich von seinem plötzlichem auftauchen.

„Nein, jetzt ernsthaft. Was machst du hier?" fragte ich noch einmal nach und Harry seufzte. Seine Haare waren wieder etwas länger geworden und er trug ein weißes, halb offenes Hemd zu seiner Jeans. Er sah aus, als würde er gerade vom Strand kommen, aber der Geruch von Duschgel stieg in meine Nase, obwohl er etwas von mir entfernt stand.

„Ich hatte eigentlich gehofft, dass du dich etwas mehr freust, wenn wir uns wiedersehen, aber anscheinend hast du mich schon aus deinem Leben entfernt."

Ich sah ihn verwirrt an. Woher kam plötzlich diese aufmüpfige Art? Eigentlich war Harry immer ziemlich charmant und umgänglich. Aber anscheinend stand er heute auf Überraschungen.

„Warst nicht du derjenige, der weggegangen ist?" fragte ich nach und bekam prompt: „Bist nicht du diejenige, die sich gleich den nächsten gekrallt hat?" zur Antwort.

Anscheinend gefiel es Harry, mich zu provozieren und ich versuchte einen kühlen Kopf zu behalten, obwohl ich gerade kurz vorm ausflippen war. Es war später Samstagnachmittag und ich wartete eigentlich darauf, dass Tricia bei mir vorbei kam. Oder, dass sich Luke bei mir meldete, denn der hatte mal wieder Bandprobe.

„Luke und ich sind nicht zusammen", antwortete ich ihm und Harry legte seinen Kopf leicht schief.

„Ihr fährt also einfach so nach Sydney?" fragte er nach.

„Wir haben auch einiges zusammen unternommen, obwohl wir, laut dir, nicht zusammen waren", warf ich ihm an den Kopf und war stolz auf mich, dass mir das gerade eingefallen war.

„Also macht ihr beide auch die Sachen, die wir miteinander gemacht haben?" fragte er weiter und ich sah ihn verwirrt an. Es war irgendwie unangenehm so darüber zu sprechen.

„Wenn du damit rumknutschen meinst, dann nein. Wir sind Freunde."

„Dann hätte ich noch eine Chance?" kam von Harry und er warf mir einen komischen Blick zu. Ich war ziemlich verwirrt und wäre wohl erst mal sprachlos dagestanden, hätte mein Vater nicht nach mir geschrien.

„Kylie? Wer ist denn an der Tür?" hörte ich ihn rufen und ich schrie schnell: „Ist für mich! Sind in meinem Zimmer!" zurück. Das letzte, was ich wollte, war das Dad hier auftauchte und Harry sah.

„Komm mit hoch", zischte ich ihm zu und Harry kam durch die Tür und zog daneben seine Schuhe aus. Er folgte mir leise nach oben und ich fragte mich immer noch, ob das gerade wirklich passierte oder ob es doch nur ein Traum war. Auf dem Weg nach oben hatte ich Zeit mich zu beruhigen. Ich war immer noch verwirrt und überfordert, aber mein Herzschlag normalisierte sich wenigstens wieder.

Mein Zimmer war aufgeräumt und ich konnte ihn guten Gewissens herein bitten. Zum Glück hatte ich seinen Pulli versteckt, denn wenn der jetzt noch auf seinem Bett liegen würde, käme das bestimmt komisch rüber. Harry war noch so wie immer, er ließ sich einfach gleich auf meinem Bett nieder, während ich neben der Tür stehen blieb und ihn verwirrt anblickte.

Daraufhin sah er mich fragend an und deutete auf den freien Platz neben sich. Ich schüttelte nur meinen Kopf und wiederholte meine Frage: „Warum bist du hier?"

„Meine Oma hat morgen Geburtstag und deshalb bin ich übers Wochenende hier."

Aha, ihm war also nur langweilig und deshalb war er bei mir vorbei gekommen.

„Mir ist nicht einfach nur langweilig, Kylie", sagte er und sah mich durchdringend an. Ich runzelte meine Stirn, weil das gerade etwas gruselig war.

„Ich vermisse dich. Wirklich", fing er an und ich wollte am liebsten einfach nur, dass er wieder ging. Ich wollte nicht hören, dass er mich vermisste. Ich wollt einfach gar nichts von ihm hören.

„Ich hab dich schon nach einer Woche oder so vermisst. Als du plötzlich kein Teil mehr meines Lebens warst, hab ich mich darüber geärgert, dass ich dir nie mehr gezeigt habe, wie wichtig du mir bist. Dass du dann plötzlich mit Luke in Sydney warst hat mich echt fertig gemacht", seufzte Harry und richtete sich auf. Er kam langsam auf mich zu und ich überlegte mir, wie ich es schaffte, einen gewissen Abstand zwischen uns zu halten.

„Aber Lily meinte zum Glück, dass ihr nur Freunde seid und als ich jetzt wieder zuhause war, konnte ich nicht anders, als zu dir zu kommen. Ich habe Fehler gemacht Kylie. Ich hätte damals etwas unternehmen sollen, damit du Luke nicht küssen musst und ich hätte nicht so negativ gegenüber einer Fernbeziehung sein sollen. Es tut mir leid. Verzeihst du mir?"

Harry blieb vor mir stehen und ich schluckte schwer. Das alles überforderte mich gerade unglaublich. Er hatte mir keine einzige Nachricht geschrieben und jetzt tauchte er plötzlich hier auf und glaubte, damit wieder alles gutmachen zu können?

Als hätte ich nur auf ihn gewartet...

Wieso behielt ich all meine Gedanken eigentlich schon wieder für mich? Wieso sagte ich ihm nicht direkt, was ich von ihm hielt?

„Glaubst du echt, du kannst hier einfach so auftauchen und alles ist wieder gut? Du hast dich kein einziges Mal bei mir gemeldet, auch nicht nachdem du mich wiedergesehen hast. Wenn du mich so sehr vermisst hast, dann hätte doch wenigstens eine Nachricht drin sein können, oder?" fragte ich nach und Harry seufzte.

„So bin ich nun mal", war seine Entschuldigung und ich schüttelte genervt den Kopf.

„Was erwartest du jetzt von mir? Das ich sage, alles ist wieder gut?"

„Ich will dich zurück", flüsterte er und leider wurde mir etwas komisch zu Mute. Vermutlich war es immer noch der Schock, dass mein Herz jetzt raste und mein Mund trocken wurde, während sich Harry langsam näherte. Er streckte seine Hand nach mir aus und ich sah ihm dabei zu, wie er eine meiner Haarsträhnen aus meinem Gesicht strich.

Ich wusste, was er vor hatte und ärgerte mich darüber, dass Luke nicht einfach einmal die Initiative ergreifen konnte, um mich zu küssen. Vermutlich würde ich noch ewig darauf warten, aber trotzdem würde ich jetzt nicht zulassen, dass mich Harry küsste.

„Nein", sagte ich möglichst kraftvoll und hob meine Hand, um ihn damit auf Distanz zu halten. Er machte noch einmal einen Schritt auf mich zu, obwohl ich ihm gerade schon zu verstehen gegeben hatte, dass ich keinen engeren Kontakt zu ihm wollte. Meine Hand berührte seinen Oberkörper und ich konnte sein Herz schlagen hören. Er sah mir tief in die Augen, aber ich durfte mich davon nicht einlullen lassen.

„Das geht nicht Harry. Ich kann dir dein Benehmen von damals verzeihen, aber mehr nicht. Meine Gefühle für dich sind vergangen und deshalb solltest du jetzt besser gehen."

Genau in dem Moment, als ich mein letztes Wort gesagt hatte, wurde meine Tür aufgerissen und Tricia kam herein. Und noch schlimmer: Hinter ihr standen Luke und Michael und alle drei sahen mich entgeistert an, wie ich da stand und meine Hand auf Harrys Brust hatte.

Ticket outta LoservilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt