26 | LUKE

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„Und wie war es gestern am Strand?" fragte meine Mutter Sonntagmittag beim gemeinsamen Essen nach. Meine beiden älteren Brüder waren zuhause und es wurde gegrillt. Deshalb saßen wir auf unserer Terrasse und aßen alle viel zu viel. Ich war gerade bei meinem dritten Steak und hatte den Salat noch gar nicht angerührt. Bei so was musste man einfach Prioritäten setzen.

Während ich eigentlich antworten wollte fiel mir mein ältester Bruder Ben ins Wort.

„Mit wem warst du denn am Strand?" fragte er nach und ich antwortete ihm wahrheitsgemäß: „Kylie."

Als ich ihren Namen ausgesprochen hatte fiel mir ein, dass ich damit einen Fehler gemacht hatte. Denn ich hatte meiner Mutter eine etwas andere Info gegeben.

„Was?" fragte diese auch schon erstaunt nach. „Ich dachte du fährst mit Freunden zum surfen?"

Mir wurde ein bisschen heiß und ich war mir fast sicher, dass es nicht nur an der Außentemperatur lag.

Ja okay, sie hatte recht, denn das hatte ich auch wirklich so gesagt. Warum genau, wusste ich selber nicht. Ich glaube, ich wollte einfach nur nervige Fragen zu Kylie verhindern, die mir auf jeden Fall gestellt worden wären. Deshalb hatte ich nur den Begriff „Freunde" erwähnt. Was ja auch keine richtige Lüge gewesen war.

„Kylie gehört ja auch zu meinen Freunden", antwortete ich ihr und meine Mum zog eine Augenbraue in die Höhe.

„Aber Kylie ist ein Mädchen und es ist doch ein Unterschied, ob du deinen Tag zusammen mit Michael und Calum verbringst oder mit einem Mädchen."

„Ich seh da ehrlich gesagt keinen Unterschied", wiedersprach ich ihr. „Wir waren surfen und das war es schon. Das sie ein Mädchen ist, war eher zweitrangig."

Ich gab ziemlichen Blödsinn von mir, aber was sollte ich auch sonst sagen? Wenn meine Mutter von meiner Schwärmerei erfuhr, würde alles nur schrecklich nervig werden. Außerdem konnte ich meiner Mum nicht vertrauen. Ich würde ihr sogar zutrauen, dass sie Kylie in der Schule abfing und mit ihr darüber sprach, wie sie zu mir stand.

„Wer ist denn eigentlich Kylie?" fragte Jack nach und anstatt mir, gab ihm unsere Mutter eine Antwort.

„Kylie Fields geht auf Lukes Schule, sie haben einige Kurse zusammen. Er kennt Kylie durch gemeinsame Freunde und sie spielt ziemlich erfolgreich Feldhockey. Außerdem hat sie einfach tolle Noten. Vor allem in Mathe."

Den letzten Satz sagte sie speziell zu mir, da meine Mathenote im letzten Jahr nicht so prickelnd war. Kaum zu glauben, dass mir dieses Fach so schwer fiel, obwohl es meine Mutter sogar studiert hatte.

„Dann sieht sie bestimmt scheiße aus oder?" fragte Ben nach und ich zog meine Augenbrauen zusammen.

„Was soll das jetzt heißen?" fragte ich nach.

„Na, wenn Mädchen sportlich und intelligent sind, dann lässt ihr Äußeres meistens zu wünschen übrig", erklärte mir mein Bruder und jetzt schaltete sich sogar Dad ein. Er hielt sich normal auch eher zurück und ich war der Meinung, ich hatte meine zurückhaltende Art von ihm geerbt.

„Ben! So was sagt man nicht", wies er seinen ältesten Sohn zu Recht. Dieser verdrehte allerdings nur seine Augen.

„Das ist so. Ich bin jetzt seit zwei Jahren auf dem College und das ist eines der sinnvollsten Dinge, die och dort gelernt habe."

„Kylie ist hübsch", widersprach ich ihm. Ich wusste zwar nicht, was genau der Typ meiner Brüder war, aber ich war mir ziemlich sicher, dass ihnen Kylie auch gefallen würde.

„Oh-Oh, Lukey ist verliebt", hänselte Jack und meine Mutter stimmte mir mit: „Kylie ist wirklich hübsch" zu.

„Oha, Mum ist auch verliebt", grinste Ben und alle, bis auf meine Mutter und mich, fingen an zu lachen.

„So ein Blödsinn", beschwerte sich meine Mutter.

„Tu nicht so Mum, ich sag nur Sadie Peters."

Ben funkelte unsere Mutter amüsiert an und diese wurde ganz rot im Gesicht.

Mum unterrichtete sie in Mathe und mochte sie ziemlich gerne. Unsere Mutter war der Meinung, Sadie sei die perfekte Freundin für Ben und hatte wirklich so gut wie alles unternommen, damit sich die beiden näher kamen. Irgendwann hatte Mum dann herausgefunden, dass Sadie schon einen Freund hatte, der auf eine andere Schule ging. Sie war damals wirklich niedergeschlagen und wir hatten uns über sie lustig gemacht, in dem wir sie fragten, ob sie nun Liebeskummer hätte.

„Ihr seid fies", beschwerte sich meine Mutter. Ich sagte gar nichts, denn ich war froh, dass die Aufmerksamkeit von Kylie und mir weggelenkt war.

Zumindest für einen Moment. Denn während ich einen Schluck von meiner Limo nahm, stellte Ben die nächste These auf.

„Also wenn sie gut aussieht, klug ist und dazu auch noch sportlich, dann ist sie sicher schon vergeben. Solche Mädchen sind nie lange am Markt."

Die Aussage traf mich irgendwie.

Zum einen, weil ich sauer auf meinen Bruder war, weil er mir anscheinend nicht zutraute, das sich ein „solches" Mädchen abbekam, zum anderen, weil ich auch immer noch auf Harry eifersüchtig war. Selbst wenn Kylie mir ins Gesicht sagen würde, dass sie nichts mehr für ihn empfand, würde da immer noch dieses blöde Gefühl sein. Es war einfach nur dieses Wissen, dass sie mal Gefühle für ihn hatte. Und das diese Gefühle vielleicht auch wieder zurück kommen könnten.

„Sie hat auch keinen Freund", erklärte ich ihm trotzdem ruhig.

„Und wieso genau bist dann du noch nicht mit ihr zusammen?" fragte Jack nach und ich warf ihm einen genervten Blick zu.

„Ich kenn sie erst seit vier Wochen", meinte ich, aber dieser Grund schien meinem Bruder nicht gut genug zu sein.

„Und? In vier Wochen kann mich sich kennen lernen, verlieben und zusammen kommen."

„Ich lass es halt lieber langsam angehen", antwortete ich etwas leiser. Vier Wochen kamen mir nicht besonders lange vor. Selbst wenn ich immer in der Lage wäre richtig mit ihr zu sprechen hatte ich nicht das Gefühl, dass vier Wochen reichten um die eine Art Grundlage für eine Beziehung zu schaffen.

„Ach, ich dachte ihr wärt nur als Freunde unterwegs gewesen?" fragte meine Mum nach und ich sah sie erschrocken an.

Ich sollte auch wirklich mehr mitdenken, wenn ich etwas sagte.

„Wir sind auch nur als Freunde dort gewesen."

„Aber du hoffst, dass sich mehr daraus entwickelt?" fragte Ben nach und ich nickte unsicher.

„Lad sie doch mal zu uns zum Essen ein!" schlug Mum vor, aber ich sah sie wenig begeistert an.

Sie hingegen schien total von ihrer Idee überzeugt zu sein und weil ich nett sein wollte meinte ich: „Vielleicht."

Und während meine Mum freudig nickte fing mein Bruder Jack eine neue Diskussion über Fußball an. Das war das Gute, wenn meine Brüder zuhause waren. Sie übernahmen häufig das Gesprächsthema und wenn ich Glück hatte, konnte ich einfach nur da sitzen und nicken.


Ticket outta LoservilleWhere stories live. Discover now