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Ich stand vor dem Spiegel und betrachtete mich im Spiegelbild, während meine Zofe meine Haare machte. Sie hieß Neyta und war seit über einem Jahr nun schon meine Zofe. Ich hatte sie ziemlich ins Herz geschlossen, sie mich wohl auch. Neyta sagte mir fast jeden Tag, was sie für ein Glück hatte, die Zofe von mir zu sein und nicht irgendeines ungezogenen Görs, wie es zum Beispiel die Prinzessin manchmal war. Nun bürstete Neyta mit ihrer Bürste meine dunkelblonden Haare, sie reichten bis über den Rücken, bis fast an die Hüfte. Ich sollte sie wachsen lassen, da das für Ladys, wie mich normal war. Ich wollte hübsch sein, wie die Prinzessin und tat somit auch alles, um wie eine Prinzessin auszusehen. „Sie sehen fabelhaft aus, Miss Laely", sagte Neyta, während sie meine Haare flocht und hocksteckte. Sie sprach mich immer bei meinem Vornamen an, da ich meinen Nachnamen hasste. Ich hieß Laely Schnee. Ja, Schnee. Ich wusste, dass dieser Name verpönt war, denn hier im Norden wurde jedes Bastardkind mit diesem Nachnamen betitelt. Ich hatte ein anderes Leben, als viele Jugendlichen in meinem Alter. Vor allem meine Geschwister, die rein biologisch gar nicht meine Geschwister waren, waren vollkommen anders. Wir lebten hier auf einem Kontinent, der sich Westeros nannte. Westeros war ziemlich groß und in viele Regionen unterteilt. Ich lebte im Norden und darüber war ich ganz froh. Ich liebte es einfach hier. Obwohl ich ein Schnee, ein Bastard war, hatte ich das Glück bei der Familie Stark untergebracht zu sein, die hier über den Norden herrschte. Der Ort, in dem ich wohnte, nannte sich Winterfell. Eddard Stark, der die rechte Hand, der Berater, des Königs war, herrschte hier über Winterfell. Ich hatte ihn so gerne, denn er war ein weiser, gütiger Mann und ihm verdankte ich, dass ich hier leben durfte. Mein Vater war einst sein bester Freund gewesen, sein Berater und nach seinem Tod hatte mich Eddard hier wie sein eigenes Kind aufgenommen und ich hatte das gleiche Leben wie seine Kinder. Ich hatte einfach solches Glück. Von meiner Mutter wusste ich nichts, nur, dass ich von ihr wohl meine dunkelblonden Haare geerbt haben musste. „Sie sind so gut wie fertig. Nach meinem Stand müsste der König schon in Kürze eintreffen. Er wird von Ihnen begeistert sein. Sie sehen fabelhaft aus." Ich sah an mir herunter. Ich trug ein dünnes, hellblaues Kleid, das luftdurchlässig war. Es war ziemlich warm hier, denn der Sommer dauerte schon über ein Jahrzehnt. Allerdings würde bald der Winter einbrechen, deswegen auch die Devise meiner Familie 'Der Winter naht'. Ja, ich sah die Starks als meine Familie an, sie waren meine Familie: Eddard, seine Frau Catelyn, ihre Kinder Arya, Sansa, Robb, Bran und Rickon. Selbst Eddards Bastardsohn, Jon Schnee, war mir ans Herz gewachsen, er besonders. Jon und ich hatten eine besondere Verbindung zueinander, ob das wohl daran lag, dass wir beide Bastarde waren? Egal, was es auch war, ich hatte ihn total lieb. Die Fanfahren des königlichen Hofes ließen mich aufschrecken. Es war so weit: König Robert Baratheon traf mit seiner Familie und dem Hofstaat ein. Warum sie genau kamen, das wusste ich selbst nicht so genau. Ich wurde in solche Angelegenheiten meistens nicht eingeweiht, was mich allerdings auch nicht groß störte. „Schnell, Mylady, beeilen Sie sich, zu den anderen in die große Halle zum Empfang des Königs zu kommen!" Sie strich mir noch schnell mein Kleid glatt und hielt mir die Tür auf, durch die ich dann stürzte, um noch schnell genug in der Halle zu sein. Was passieren würde, wenn ich zu spät kommen würde, wollte ich mir gar nicht ausmalen. Da, es waren nur noch einige Meter. Auf einmal stolperte ich allerdings über etwas, verhedderte mich in meinem Kleid und ruderte panisch mit meinen Armen durch die Gegend. Oh nein! Mit einem entsetzten Gesichtsausdruck landete ich auf dem Boden, als sich eine Hand um meine Hüfte legte und mir wieder aufhalft. „Es tut mir so schrecklich leid, Mylady Geht es Ihnen gut?" Ich hob mein Gesicht an, um zu erkennen, wer da mit mir sprach. Es war Jojen Reed, ein Junge, der von allen verspottet wurde. Weshalb verstand ich selbst nicht so ganz, die anderen meinten nur, dass er einen an der Klatsche hätte, da er einmal gemeint hätte, auf eine besondere Art mit Tieren kommunizieren zu können. Ich fand das eigentlich ganz spannend und glaubte ihm sogar, dass er eine besondere Beziehung zu ihnen hatte. Jojen hatte blond-braune Haare und haselnussbraune Augen, die mich förmlich zu durchbohren schienen. „Was starrst du so?" „Entschuldigung Mylady", er verbeugte sich ehrfürchtig vor mir, „darf ich Sie zur Wiedergutmachung zu Lord Eddard geleiten?" Na gut, er hatte mich überzeugt. Ich hakte mich bei Jojen ein und zusammen liefen wir zu meiner Familie. Hoffentlich schafften wir es, bis der König eintraf. Jojen geleitete mich bis vor die schwere Tür, hielt sie für mich auf und winkte mich herein. Ich lächelte ihn an und ging dann schnell zu Eddard, der schon mit den Augen rollte. Wäre ich eine Sekunde später gekommen, hätte das wahrscheinlich schon Konsequenzen mit sich gezogen. Mit klopfendem Herzen und so geschmeidig und leise wie möglich setzte mich mich zu Jon an den Tisch in der Halle. Da wir beide nicht bei den Adeligen sitzen durften, wir waren ja der sogenannte 'Abschaum', mussten wir uns hier vergnügen. Naja, mittlerweile hatte ich mich daran gewöhnt und ich war ja auch nicht allein. Jon, ein Gleichgesinnter. „Dein Kleid steht dir sehr gut Lealy, und deine Haare hat deine Zofe dir sehr schön hochgesteckt", sagte Jon. Ich lächelte ihn an. „Danke, Jon, ich werde es ihr ausrichten, da freut sie sich bestimmt. Was denkst du, was Robert hier will? Und vor allem, warum er Joffrey, Myrcella und Tommen mitbringt?" Joffrey, Myrcella und Tommen Baratheon waren die Kinder des Königs mit seiner Frau Cersei. Ich hatte nicht viel mit ihnen zu tun und wenn, dann bekam ich meistens Joffrey zu Gesicht. Er war ein widerwärtiger Junge, den ich abgrundtief hasste. Doch das durfte niemand erfahren, sonst wäre ich so gut wie tot.

Fremde Augen (Game of Thrones/ Jojen Reed)Where stories live. Discover now